DEUTSCHLAND
Sueddeutsche
Ein Kommentar von Matthias Drobinski
Die Geschichte vom Jüngling Narzissus, erfüllt vom trotzigen Stolz auf die eigene Schönheit, endet tragisch: Die Götter verdonnern ihn, sich ins eigene Spiegelbild zu verlieben. Getrieben von unstillbarer Selbstliebe bringt er sich um; andere erzählen, er sei ins Wasser gefallen und ertrunken, als ein Blatt herniederfiel und die Wellen das gespiegelte Gesicht verzerrten. Narzissmus jedenfalls – die Unfähigkeit, anderes zu sehen als sich selbst – ist gefährlich. Es kann im sozialen und realen Tod enden.
Die katholische Kirche steckt in dieser Narzissmusfalle, was die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals angeht, der vor nun drei Jahren offenbar wurde: Sie kann den Blick nicht von sich selber abwenden. Sie hat, anders als der arme Narziss, in diesen drei Jahren zum Glück gelernt, dass das Gesicht, das ihr da entgegenblickt, auch Falten, Wunden und Flecken hat. Aber sie ist gefangen, kann den Blick nicht heben, fragt furchtsam und auch selbstmitleidig: Wo soll das hingehen mit uns? Was muss geschehen, damit unser Bild, unser Image, wieder besser wird?
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