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Wer Korpsgeist für wichtiger hält als die Opfer, soll gehen

By Von Christiane Florin
Deutschlandfund
June 06, 2016

http://www.deutschlandfunk.de/papst-erlass-zu-kindsmissbrauch-wer-korpsgeist-fuer.720.de.html?dram:article_id=356364

Papst Franziskus bei der Kreuzweg-Prozession an Karfreitag am Kolosseum in Rom.

Kardinal Barbarin, Bischof von Lyon, wusste seit 2007 über einen Missbrauchsfall Bescheid. Die Justiz ermittelt gegen den Pfarrer und den Kardinal – eine Premiere in Frankreich
Photo by Aurélie Ladet

[Pope Francis has tightened the rules for the punishment of child abuse in the Catholic Church.]

Franziskus liebt die Mütter. Glaubt man seinem Reden und Schreiben, sind Frauen, die Kinder großziehen, gütig, gerecht und geerdet. Von Männern hat er keine ganz so hohe Meinung, von Kirchenmännern erst recht nicht. "Wie eine liebende Mutter" – so hat er seinen jüngsten Erlass überschrieben. Motu Proprio heißt das Dokument in der vatikanischen Amtssprache. Es besagt unter anderem, dass sich Bischöfe einer schweren Verletzung der Sorgfaltspflicht schuldig machen, wenn sie nicht entschieden Missbrauchsfällen in ihrer Diözese nachgehen. Als Strafe droht ihnen künftig die Amtsenthebung. Im September wird das Motu Proprio in Kraft treten.

Keine Selbstverständlichkeit

Unbefangene Beobachter mögen staunen und sich fragen: Ist das nicht selbstverständlich, dass Amtsträger bestraft werden, nicht nur dann, wenn sie Taten begehen, sondern auch, wenn sie nichts dagegen unternehmen? Selbstverständlich ist das nicht. Die Kirche als liebende Mutter – das wurde bisher gern so verstanden, als drücke diese Mama alle Sünder gnädig an die Brust. Alle Sünder – dazu zählten auch Bischöfe, die Missbrauchstäter in eine andere Gemeinde versetzt hatten.

Jetzt erklärt Franziskus, wem die Liebe wirklich gelten sollte: Er schreibt, Zitat: "Wie eine liebevolle Mutter liebt die Kirche alle ihre Kinder, aber mit ganz besonderer Zuneigung sorgt sie sich um die kleinsten und schwächsten und schützt sie." Zitat Ende. Wer dieser Verantwortung nicht gerecht wird, wer Korpsgeist und Amt für wichtiger hält als die Opfer, soll gehen. Das ist eine klare Ansage, vor allem aber ist es kirchenrechtlich relevant und damit folgenreicher als wolkige Worte.

Das öffentliche Interesse am Thema Missbrauch ist abgeebbt. Gut 14 Jahre ist es her, dass die amerikanische Zeitung "The Boston Globe" sowohl den Kindesmissbrauch durch Priester also auch die Vertuschung durch amerikanische Bischöfe öffentlich machte. Der Kinofilm "Spotlight" erinnerte kürzlich daran. Danach gab es in weiteren Ländern Missbrauchsskandale: Etwa in Irland und Deutschland, derzeit wird Frankreich durch Recherchen zu diesem Thema erschüttert.

In vielen anderen Regionen aber – Osteuropa, Lateinamerika, Afrika - hat die systematische Aufarbeitung noch nicht einmal angefangen. In Argentinien, dem Heimatland von Papst Franziskus, müssen Missbrauchsopfer dafür kämpfen, gehört zu werden. Die neue Regelung kann nicht ausgleichen, was jahrzehntelang versäumt wurde, sie kann aber noch manche Erschütterung auslösen.

Der Überbau ist das Ziel

Doch wahrscheinlich geht es Franziskus nicht allein um die Strafe fürs Vertuschen und Verschweigen. Er zielt vielmehr auf den Überbau, der das möglich machte. Genauer: auf das Amtsverständnis. In einem anderen Passus des Dokuments heißt es, auch der nachlässige Umgang mit Finanzen könne zur Amtsenthebung führen. Bischöfe, Kirchenmänner, dürfen keine absoluten Herrscher sein, das ist die Botschaft. Wenn sie nicht so geerdet sind wie, nun ja, Mütter, lässt der Heilige Vater sie fallen.




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