| Kirche Sucht Missbrauchsopfer – 320 Personen Angeschrieben
Neue OZ
May 23, 2016
http://www.noz.de/deutschland-welt/niedersachsen/artikel/717490/kirche-sucht-missbrauchsopfer-320-personen-angeschrieben-1?piano_t=1
Rinteln. Ein fruherer evangelischer Superintendent steht im Verdacht, Konfirmanden missbraucht zu haben. Obwohl die mutma?lichen Verbrechen Jahrzehnte zuruckliegen, sucht die Kirche im Weserbergland jetzt per Post nach moglichen Opfern.
Der evangelische Geistliche inszenierte ein Treffen im Pfarramt St. Nikolai in Rinteln. Er verschloss die Tur von innen. Dann verging er sich an dem Konfirmanden. So schildert es das Opfer. Der Junge wagte es nicht, seinen Eltern von dem Verbrechen zu erzahlen. Er traute sich nicht zu, im Rinteln der 1960er Jahre den zu erwartenden Skandal durchzustehen.
Erst jetzt, 50 Jahre nach der Tat, habe sich der inzwischen etwa 65 Jahre alte Mann aus Anlass seiner Goldenen Konfirmation offenbart, sagte der heutige Superintendent des evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Grafschaft Schaumburg, Andreas Kuhne-Glaser. Und: „Es gibt Grund zu der Annahme, dass der 1990 verstorbene damalige Superintendent weitere Schutzbefohlene missbraucht hat.“
Als Reaktion darauf hat der Kirchenkreis im Weserbergland eine ungewohnliche Aktion gestartet, um mogliche weitere Missbrauchsopfer seines fruheren Leiters zu finden. Wir haben Briefe an bislang rund 320 Frauen und Manner verschickt, die zwischen 1965 und 1976 in Rinteln konfirmiert wurden“, sagte Kuhne-Glaser. In dieser Zeit hatte der 1990 gestorbene Ex-Superintendent dort Jugendliche unterrichtet.
Eine solche Brief-Aktion zum Auffinden von Missbrauchsopfern sei beispiellos, sagte ein Sprecher der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover am Montag. Das Ganze sei mit der Landeskirche abgestimmt. Zuvor hatten lokale Medien uber den Fall berichtet.
„Wir haben als evangelische Kirche viele Jahrzehnte oft nicht richtig hingesehen und nicht reagiert, wenn Mitarbeitende aus unseren Reihen ihre Schutz- und Vorbildfunktion missbraucht und Kinder und Jugendliche zu Opfern sexueller Ubergriffe gemacht haben“, hei?t es in dem Brief an die fruheren Konfirmanden. „Damit tragen auch wir eine Mitschuld daran, dass so viele zu Opfern sexuellen Missbrauchs wurden und sich viele Betroffene nie gemeldet haben und fur sich selbst einen Weg finden mussten mit den meist sehr belastenden Erfahrungen von Machtmissbrauch, Entwurdigung und Demutigung umzugehen.“
Obwohl das Schreiben erst vor wenigen Tagen abgeschickt wurde, sei das Thema in Rinteln inzwischen Stadtgesprach, sagte Superintendent Kuhne-Glaser. Er selbst sei schon vielfach darauf angesprochen worden. „Es hat sich aber bisher noch kein weiterer Betroffener gemeldet.„
Der fruhere Konfirmand, der die ungewohnliche Ma?nahme der Kirche ins in Rollen gebracht hat, fordere im ubrigen keine Entschadigung, sagte Kuhne-Glaser. Der Mann habe ihm erzahlt, er habe fur sich einen Weg gefunden, mit dem erlittenen Leid umzugehen. Gleichwohl habe ihn das damalige Verbrechen des Superintendenten sein Leben lang beschaftigt.
„Wir wollen zeigen, dass wir zu derartigen Missbrauchsfallen nicht schweigen, wie wir das lange gemacht haben als Kirche“, sagte Kuhne-Glaser. „Wir wollen moglichen Opfern stattdessen das Signal geben: Wir wissen davon. Au?erdem wollen wir ihnen die Moglichkeit geben, an uns heran zu treten.“
Der Kreis der moglichen Missbrauchsopfer des fruheren Superintendenten konne im ubrigen noch gro?er werden, sagte Kuhne-Glaser. Denn es sei bisher nicht gelungen, die aktuellen Adressen aller Manner und Frauen zu finden, die bei dem Geistlichen damals Konfirmationsunterricht hatten.
[ Superintendent verdachtig: Kirche sucht Missbrauchsopfer – 320 Personen angeschrieben | noz.de - Lesen Sie mehr auf: http:]
|