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Fliegende Pressekonferenz: Migranten, Missbrauch, Donald Trump

Radio Vatikan
February 19, 2016

http://de.radiovaticana.va/news/2016/02/18/pressekonferenz_migranten,_missbrauch_und_donald_trump/1209618

Der Papst auf dem Flug - EPA

Wiederverheiratete Geschiedene, Donald Trumps Bemerkungen uber Papst Franziskus, padophile Tater, Russland und die Ukraine – all diese konfliktreichen Themen fanden sich in der Pressekonferenz wieder, die Papst Franziskus wahrend des Ruckfluges aus Mexiko fur die mitreisenden Journalisten hab. Hier eine ausfuhrliche Zusammenfassung.

Donald Trump

Auf mexikanischer Seite der Grenze habe der Papst uber Fluchtlinge gesprochen, wahrend auf der anderen Seite des Zaunes – also in den USA – eine heftige Wahlkampagne laufe, setzte ein Journalist an. Und er zitierte in seiner Frage den republikanischen Prasidentschaftsbewerber Donald Trump, der dem Papst vorgeworfen hat, fur die Politiker und die Regierung Mexikos zu sprechen. Trump selber wolle 2.500 Kilometer Zaun bauen und elf Millionen Immigranten ausweisen. Kann ein Katholik in den USA so jemanden wahlen?, lautete die Frage.

Ob er nur ein Spielball der Politik sei, dieses Urteil uberlasse er gerne anderen, antwortete Papst Franziskus. „Ein Mensch, der nur daran denkt, Mauern zu bauen und nicht Brucken, der ist nicht christlich. Das ist nicht das Evangelium“, ging der Papst auf den zweiten Teil der Frage ein. Zur Frage, ob man so jemanden wahlen konne, wollte er sich nicht direkt au?ern. „Ich sage nur: Dieser Mensch ist kein Christ, wenn er das so sagt. Man muss aber sehen, ob er das wirklich so gesagt hat, nicht wahr?“

Padophilie und Marcial Maciel

Viel Schmerz habe in Mexiko die sexuelle Gewalt gegen Kinder verursacht, sagte ein weiterer Journalist und ging auf den Fall Marcial Maciel Degollado ein, also auf den Grunder der „Legionare Christi“, der Mexikaner war. Die Opfer fuhlten sich immer noch nicht von der Kirche geschutzt; ob er daran gedacht habe, diese Menschen zu treffen, wollte der Journalist wissen. Und als Anschlussfrage: Wie er daruber denke, dass Priester, die zu Tatern geworden seien, von ihren Vorgesetzten oft einfach nur in eine andere Pfarrei versetzt worden seien.

„Ein Bischof, der einen Priester aus einer Pfarrei versetzt, wenn dieser als Padophiler bekannt ist, handelt verantwortungslos, und das Beste, was er tun kann, ist seinen Rucktritt einzureichen!“ Klare Worte des Papstes. „Ist das klar genug? Und was den Fall Maciel angeht: Hier erlaube ich mir den Mann zu loben, der in Zeiten, in denen er nicht die Kraft hatte, sich durchzusetzen, gekampft hat, obgleich er sich nicht sofort hat durchsetzen konnen: Kardinal Ratzinger“ [der Papst bittet um Applaus]. Als Prafekt der Glaubenskongregation habe dieser alle Informationen gesammelt, aber nicht gegen Maciel vorgehen konnen. Um die Papstwahl 2005 herum habe Ratzinger das dann angesprochen und als Papst auch angegangen, daran wolle er an dieser Stelle erinnern, so Franziskus.

Was die „Legionare“ angehe, habe es eine Anderung in der Leitung gegeben. Um die Geschichte kontrollieren zu konnen, wurden die Legionare selber ihren Oberen wahlen, aber der Papst setze einen Vertreter ein, zwei Generalberater wurden von der Kongregation bestimmt und zwei weitere durch den Papst.

Auf den Einsatz des Vatikans gegen Missbrauchsfalle heute bezogen, sagte der Papst, dass sehr viel daran gearbeitet werde; und er zahlte die Ma?nahmen auf, die bereits umgesetzt seien oder derzeit umgesetzt wurden.

Wiederverheiratete Geschiedene

Die Kirche feiere zur Zeit das Jahr der Barmherzigkeit, als Papst habe er sehr viel Wert auf das Thema gelegt, so ein weiterer Journalist. Musse eine barmherzige Kirche nicht viel leichter wiederverheirateten Geschiedenen vergeben?

„Das post-synodale Dokument, das vielleicht noch vor Ostern herauskommen wird, wird all das aufnehmen, was die Synode uber die Konflikte und die verwundeten Familien gesagt hat, uber die Seelsorge fur diese verwundeten Familien“, antwortete der Papst. Er ging ausfuhrlich auf die Ehevorbereitung als ein Problem ein, diese werde noch nicht wichtig genug genommen; auch sprach er davon, dass zu viele Ehen zu schnell geschlossen wurden und nicht ganz aus freien Stucken. Au?erdem sei es wichtig, auf die Kinder zu schauen: Diese seien die ersten Opfer von Konflikten und Uberbelastung der Eltern. Auf die Frage bezogen sprach er das wiederverheiratete Paar an, das er in Tuxtla Gutierrez getroffen hatte. „Sie sind in der Seelsorge der Kirche integriert. Das ist das Schlusselwort der Synode, und das werde ich auch wieder aufgreifen: in das Leben der Kirche die verwundeten Familien, die Familien der Wiederverheirateten, integrieren.“ Das sei aber nicht gleichbedeutend mit der Zulassung zu den Sakramenten, fugte Papst Franziskus an.

Kyrill, Russland und die Ukraine

Wahrend fast die gesamte Welt das Treffen mit dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill vor der Ankunft in Mexiko gelobt habe, gebe es in der Ukraine bei vielen griechisch-katholischen Christen das Gefuhl, verraten worden zu sein, fuhrte eine weitere Journalistenfrage aus. Sie sprachen von einem „politischen Dokument“, das unterzeichnet worden sei; es stutze die Politik Russlands. Uber den Krieg und die Propaganda verliere es kein Wort. Ob er daran denke, nach Moskau zu fahren, oder vielleicht in Kreta das panorthodoxe Konzil [das dort fur Juni geplant ist] besuchen wolle, wollte ein Journalist wissen.

Er wunsche sich schon, dorthin zu fahren und die Glaubensbruder zu gru?en, aber er wolle das panorthodoxe Konzil als solches auch respektieren, antwortete der Papst. Dass die auf Kreta zusammentretenden orthodoxen Kirchenfuhrer auch katholische Beobachter einladen wollten, das sei schon eine gute Brucke.

Mit Patriarch Kyrill habe er zwei Stunden gesprochen. Was nun in der Ukraine gesagt werde, bereite ihm durchaus Sorgen. Den derzeitigen Gro?erzbischof der griechisch-katholischen Christen, Svjatoslav Sevcuk, kenne er noch aus Buenos Aires, wo er vier Jahre lang mit ihm zusammengearbeitet habe. Um eine Erklarung verstehen zu konnen, brauche man eine Hermeneutik, ging Papst Franziskus auf die Sorgen um das Dokument ein. Bischof Svjatoslav habe wie alle anderen auch ein Recht auf seine eigene Meinung. „Das Dokument kann man diskutieren, und man muss hinzufugen, dass sich die Ukraine im Krieg befindet, in Leiden, die verschieden ausgelegt werden… Wenn Bischof Svjatoslav sagt, dass viele Glaubige ihn angerufen und ihm geschrieben hatten und gesagt hatten, dass sie tief enttauscht sind und sich von Rom verraten fuhlen, dann ist das in einem Volk in dieser Situation verstandlich, nicht wahr?“ Aber das Dokument spreche davon, dass die Situation enden musse und dass es Abkommen brauche. Als Papst habe er immer zum Frieden aufgerufen.

Alles, was er mit Patriarch Kyrill in den zwei Stunden besprochen habe, bleibe vertraulich, fugte der Papst noch an.

Europa und der Karlspreis

Von einem deutschsprachigen Journalisten im Flugzeug kam die Frage, ob er als jemand, der demnachst den Karlspreis entgegennehme, zu Europa etwas zu sagen habe, das erst durch die Euro-Krise und nun durch die Fluchtlingskrise Gefahr laufe, zu zerbrechen.

„Ich habe eigentlich nicht die Angewohnheit, Ehrungen oder Doktorate anzunehmen, immer schon. Nicht weil ich demutig ware, sondern weil mir das nicht gefallt“, ging der Papst zuerst auf den Preis ein, den er im Mai im Vatikan entgegennehmen wird. „Ein wenig Verrucktheit ist ganz gut, aber das mag ich nicht. In diesem Fall bin ich nicht gezwungen, aber uberzeugt worden, und zwar von der theologischen Dickkopfigkeit Kardinal Kaspers“, so der Papst lachend.

Er habe in einer Zeitung neulich ein Wort gelesen, das ihm zu Europa sehr gut gefalle, namlich die „Neugrundung der Europaischen Union“. „Aber wo sind heute ein Schumann und ein Adenauer?“, schloss er an. Europa habe eine Kraft, eine Kultur, eine Geschichte, die man nicht vergeuden durfe.

Die Verschwundenen

Aus Mexiko kam eine Frage nach den verschwundenen Menschen; es sind Tausende, von denen die Verwandten nicht wussten, wohin sie verschleppt worden seien. Notorisch ist der Fall der Stadt Ayotzinapa, wo 43 Menschen vermisst wurden. Warum habe er die Angehorigen nicht getroffen, wollte die Journalistin wissen.

Es sei quasi unmoglich, alle Gruppen und alle Vertreter von Opfern zu treffen, vor allem auch, weil sie untereinander nicht immer einig seien. Deswegen habe er vorgezogen, offentlich und in Botschaften und Predigten immer wieder auf die Probleme der Gewalt hinzuweisen. „Das ist eine schwer zu verstehende Situation“, so der Papst. „vor allem fur mich, der ich hier ein Fremder bin, nicht wahr? Aber ich glaube, dass die gesamte Gesellschaft Mexikos Opfer von all dem ist, Opfer der Verbrechen, dieses Verschleppens von Menschen, dieses Wegwerfens von Menschen.“ Davon habe er offentlich gesprochen.

Gleichgeschlechtliche Partnerschaften

Auf dem Weg zuruck nach Italien gab es naturlich auch eine italienische Frage; sie bezog sich auf eines der meistdebattierten Themen zur Zeit, namlich auf die gesetzliche Regelung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, die im Parlament diskutiert wird. Was er zum Thema Adoption durch solche Paare denke, wollte der Journalist wissen.

Als Papst mische er sich nicht in italienische Politik ein, begann der Papst seine Antwort. Den Bischofen Italiens habe er gesagt, sie sollten das unter sich ausmachen, wie damit umzugehen sei. Er selber denke zum Thema, das ja kein nur italienisches sei, das, was die Kirche insgesamt dazu denke, schloss der Papst seine Antwort. Auf eine Nachfrage hin erinnerte er daran, Politiker - zumal katholische Politiker - sollten ihrem Gewissen entsprechend abstimmen; das Gewissen musse naturlich gut gebildet sein.

Abtreibung

Sehr klar fiel die Antwort des Papstes auf die Frage aus, ob nicht im Fall einer Infektion durch den Zika-Virus bei einer Schwangeren eine Abtreibung in Frage komme, ob das nicht das kleinere Ubel sei. „Abtreibung ist kein kleineres Ubel“, so der Papst. „Es ist ein Verbrechen! Das hei?t jemanden umzubringen, um jemand anderen zu retten. Das macht die Mafia, das ist ein Verbrechen! Das ist ein absolutes Ubel.“

Johannes Paul II. und seine Freundin

Franziskus au?erte sich auf die Frage eines Journalisten hin auch zur Freundschaft des heiligen Papstes Johannes Paul II. zur US-Philosophin Anna Tymieniecka; eine BBC-Dokumentation hat unlangst Auszuge aus dem Briefwechsel der beiden veroffentlicht. Er habe von dieser Freundschaft schon zu seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires gewu?t, versetzte der Papst: „Das war eine Sache, die bekannt war.“ Johannes Paul sei ein „unruhiger Mann“ gewesen, und Mannern, die keine „gute Freundschaft zu einer Frau“ unterhielten, fehle doch etwas.

„Die Freundschaft zu einer Frau ist keine Sunde! Eine Liebesbeziehung zu einer Frau, die nicht deine Ehefrau ist – das ist Sunde. Der Papst ist ein Mann, er braucht auch das Denken von Frauen. Und auch der Papst hat ein Herz, das zu einer gesunden, heiligen Freundschaft zu einer Frau imstande ist. Es gibt heilige Freunde, etwa Franziskus und Klara, oder Teresia von Avila und Johannes vom Kreuz – also, erschreckt nicht!“

Ende der „Eiszeit“ zwischen Vatikan und Azhar-Universitat?

Der Papst lie? erkennen, dass er gerne den Gro?imam der agyptischen al-Azhar-Universitat treffen wurde. Auch dieser sei zu einer Begegnung bereit, das habe der Besuch eines Vertreters des papstlichen Dialogrates in Kairo letzte Woche ergeben. „Wir denken noch uber die Art und Weise (eines Treffens) nach“, erganzte Franziskus; „wir werden das hinkriegen“. Die al-Azhar-Universitat hatte wahrend des Pontifikats von Benedikt XVI. 2011 einen theologischen Dialog mit dem Vatikan auf Eis gelegt; in jungster Zeit gibt es aber Hinweise, dass Kairo wieder auf den Vatikan zugeht.

Staunen uber Vielfalt Mexikos

Voller Begeisterung sprach der Papst von der kulturellen Vielfalt, die er in den letzten Tagen in Mexiko vorgefunden habe: „Wu?tet ihr, dass in Mexiko heute 65 Sprachen gesprochen werden?“ Mit Bedauern vermerkte er, dass rivalisierende Drogenbanden wegen seines Besuchs in Ciudad Juarez lediglich einen „Stillhaltepakt von zwolf Stunden“ abgeschlossen hatten, „danach werden sie wieder untereinander kampfen“.

Dass Mexiko trotz all seiner Probleme noch so „vital“ sei, lasse sich nur mit den Marienerscheinungen von Guadalupe erklaren. Vor dem Gnadenbild Mariens habe er fur die Kirche und fur Mexiko gebetet. „Aber was ein Sohn der Mamma sonst noch so sagt, ist ein bisschen geheim...“

Zum Schluss der fliegenden Pressekonferenz verabschiedeten sich Franziskus und die Journalisten mit einer Torte und Geschenken von Alberto Gasbarri, der elf Jahre lang der Hauptverantwortliche fur die Organisation von Papstreisen gewesen ist und jetzt in den Ruhestand wechselt. Eine Journalistin wurdigte Gasbarri, der auch Radio-Vatikan-Personalchef war, als „Gentleman alter Schule“.

 

 

 

 

 




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