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Muss Der Bischof Mit Seinem Priester Sprechen?

Kirchenrecht
July 30, 2015

http://kirchenrecht.blogspot.de/2015/07/muss-der-bischof-mit-seinem-priester.html

"Ich habe immer Zeit fur sie!" Dieser Satz fallt vermutlich auf jeder Begegnung eines Bischofs mit "seinen" Priestern, und er soll - so vermute ich - deutlich werden lassen, dass sich der Bischof auch als Seelsorger versteht, und dazu gehort auch die Seelsorge an seinen Priestern.

Dies ist eine lobenswerte Grundhaltung, und sie findet ihre theologische Begrundung in der Aussage, dass die Priester "die Sorgen und Aufgaben der Bischofe ubernehmen und in taglicher Muhewaltung so eifrig verwirklichen", weswegen die Bischofe sie bereitwillig anhoren sollen (vgl. CD 16). Auch sind die Bischofe nicht nur gehalten, fur eine gediegene Aus- und Fortbildung ihrer Priester Sorge zu tragen, sie sollen denen "mit tatkraftiger Sorge [...] nachgehen, die irgendwie in Gefahr schweben oder sich in bestimmten Punkten verfehlt haben" (CD 16).

Gesetzlichen Niederschlag hat diese Aussage im can. 384 CIC gefunden, in dem dem Bischof die Pflicht auferlegt wird, die Priester mit besonderer Fursorge zu begleiten.

Und dennoch taucht in fast jedem Verfahren gegen einen Kleriker und in beinahe jeder Beratung eines Priesters irgendwann einmal der Wunsch des Mandanten auf, mit "seinem" Bischof zu sprechen. Und die Trauer, die Verbitterung daruber, dass ihm ein solches Gesprach verwehrt werde.

Mittlerweile scheint fast jeder Bischof ein oder mehrere Gesprache mit den Opfern sexuellen Missbrauchs gefuhrt zu haben, wohingegen es fast kein Gesprach mit den Tatern gab. Ausdrucklich betone ich das fast, denn es gab solche Gesprache dann vereinzelt doch.

Innerhalb meiner Tatigkeit als Anwalt und Strafverteidiger kommt mir die Aufgabe zum, mit den Angeklagten zu reden, und ich gestehe gerne, dass es angenehmere und leichtere Gesprache gibt als diese, vor allem dann, wenn es Tater sind. Dabei sind die Gesprache mit den einsichtigen und gestandigen Tatern nicht wirklich einfacher als die mit jenen, die die ihnen zur Last gelegten Taten bestreiten, die Beweislage jedoch recht eindeutig scheint. In beiden Situationen gibt es mehr oder minder deutliche und erfolgreiche Versuche, das Geschehene zu erklaren, zu relativieren oder auch nur kleiner zu reden. Dies sind Momente, in denen ich mich eher als Seelsorger denn als Anwalt fuhle, und ich muss aufpassen, dass ich die Distanz wahre: Ich bin und bleibe juristischer Berater und Prozessvertreter des Beschuldigten und ich habe dafur zu sorgen, dass die Rechte des Beschuldigten gewahrt werden. Dabei bleibt ein Verstandnis fur manche Note des Beschuldigten, auch der Taters, nicht aus - ein Verstandnis fur die Taten schliesst es jedoch keineswegs ein.

Im Unterschied zu Bischof und Generalvikar jedoch kann ich ein Verstandnis fur das vorkommende Versagen der kirchlichen Obrigkeit im Vorfeld von Taten nicht nur entwickeln, sondern auch aussern. Alle mir bislang begegneten Taterbiographien beinhalten viel Frustration, Ohnmachtsgefuhle und den Eindruck, verheizt zu werden oder verheizt worden zu sein. Nochmals - damit hier kein falscher Eindruck aufkommt - das rechtfertigt die Taten nicht. Aber dennoch ware es gut und ist es gut, sich auch mit den strukturellen Voraussetzungen des Tater-Werdens auseinanderzusetzen. Pravention besteht nicht nur im Einholen von Fuhrungszeugnissen und in der Schulung von Mitarbeitern, es besteht auch darin, tatbegunstigende Rahmenbedingungen zu vermeiden.

Hier ware es gut, wenn sich einige Bischofe auf ihren seelsorgerischen Auftrag ihren Priestern gegenuber auch dann besinnen wurden, wenn das Gesprach schmerzhaft und unangenehm zu werden droht. Denn die Antwort auf meine eingangs gestellte Frage ist zwiespaltig: Der Bischof sollte mit seinem Priester sprechen - notigen kann man ihn nicht.

 

 

 

 

 




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