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Sexualitat Nicht Tabuisieren

Katholisch
June 17, 2015

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Fast tragisch-prophetisch muten seit vergangener Woche einige Satze an, die der Trierer Bischof Stephan Ackermann Anfang des Jahres formulierte. Zur Bilanz von funf Jahren Missbrauchsaufarbeitung in der katholischen Kirche betonte der Bischof, wie wichtig die Praventionsarbeit sei.

Experten mahnten, dass dabei ein Aspekt besonders berucksichtigt werden musse: Die Vorbeugung von Gewalt von Kindern untereinander. Das werde kunftig eine viel starkere Rolle spielen, so der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofe.

Inzwischen ist sein Satz von der Realitat eingeholt worden. Wie in der vergangenen Woche bekannt wurde, kam es in einer katholischen Kindertagesstatte im Mainzer Stadtteil Weisenau uber einen langeren Zeitraum zu sexuellen Ubergriffen, Androhung von Gewalt und Erpressung unter Kindern. Fast alle der 55 Schutzbefohlenen waren betroffen. Die Einrichtung wurde vorubergehend geschlossen, allen Erziehern gekundigt. Generalvikar Dietmar Giebelmann entschuldigte sich bei den Eltern.

Schutzkonzept fur Kitas

Gleichzeitig bat er darum, nun nicht alle Kitas unter Generalverdacht zu stellen. Schlie?lich gebe es Praventionskonzepte. Gegen deren Bestimmungen hatten die Erzieher der betroffenen Kita massiv versto?en und mit dieser "schwersten Aufsichtspflichtverletzung" einen Nahrboden fur die Vorfalle bereitet. Beschwerden von Eltern seien nicht ernst genommen worden.

Dass die Kirche in den vergangenen Jahren viel fur die Praventionsarbeit getan hat, betont im Gesprach mit katholisch.de auch Elisabeth Eicher. Sie ist in der Koordinationsstelle Pravention von sexuellem Missbrauch des Bistums Mainz fur den Bereich Pfarrgemeinden und ihre Einrichtungen zustandig und erlautert das Schutzkonzept fur Kindertagesstatten in der Diozese, das in seiner ersten Form bereits im November 2007 eingefuhrt wurde. Nach ihren Angaben regelt es genau, welche Melde- und Beratungswege bei Kindeswohlgefahrdung zu gehen sind: "Wer ist zu informieren, welche Schritte sind zu befolgen? Solche Informationen finden sich dort. Das Konzept ist ja ein Hilfsangebot an die Einrichtungen", erklart sie.

Zudem gibt es rund 140 Hauptamtliche, die zu Praventionskraften ernannt wurden. Sie engagieren sich im Bistum in ihrer jeweiligen Pfarrei oder dem Dekanat fur die Vorbeugung von Missbrauch. Bistumsweit 50 eigens ausgebildete Referenten bieten verpflichtende Schulungen fur Ehrenamtliche, die mit Kindern und Jugendlichen zusammenarbeiten. Und jeder Haupt- und Ehrenamtliche, der in intensiven Arbeitskontakt mit Jugendlichen kommt, muss ein erweitertes polizeiliches Fuhrungszeugnis vorlegen und eine Selbstverpflichtungserklarung unterschreiben, die einen Verhaltenskodex beinhaltet.

"Wir haben die Pravention vorangebracht"

Derzeit plant die Koordinationsstelle fur alle Kindergarten und Tagesstatten eine zusatzliche verpflichtende Schulung, in der es darum geht, wie Vorbeugung nachhaltig in den padagogischen Alltag integriert werden kann. In der Ausbildung von Erziehern ist das allgemeine Thema Kindeswohlgefahrdung ohnehin bereits Pflicht: "Wir haben die Praventionsarbeit in den vergangen Jahren deutlich vorangebracht", resumiert Eicher.

Doch nicht nur im Bistum Mainz ist seit Bekanntwerden des Missbrauchsskandals einiges passiert. Neben einem Missbrauchsbeauftragten gibt es in jedem einzelnen Bistum auch einen Praventionsbeauftragten. Zudem informieren die Diozesen im Internet ausfuhrlich und transparent uber ihre Arbeit. Auf den jeweiligen Homepages finden sich unter anderem die Kontaktdaten von Ansprechpartnern und Hinweise auf Schulungen und Beratungsangebote. Auch die jeweilige Praventionsordnung ist hinterlegt.

„In dem Fall geht es offensichtlich nicht um das Fehlen eines Konzepts, sondern wir mussen nach den Faktoren fragen, warum es nicht gegriffen hat. “

Elisabeth Eicher

Bei ihrer Arbeit orientieren sich die Bistumer an der sogenannten "Rahmenordnung Pravention", die die Deutsche Bischofskonferenz 2010 veroffentlicht und 2013 uberarbeitet hat. Sie legt zum Beispiel fest, dass in der Kinder- und Jugendarbeit die Pravention gegen sexualisierte Gewalt im Vorstellungsgesprach, wahrend der Einarbeitungszeit und auch in weiterfuhrenden Mitarbeitergesprachen thematisiert werden soll. Au?erdem mussen ein Verhaltenskodex entwickelt und Beschwerdewege beschrieben werden.

Doch trotz aller Bemuhungen: Den mutma?lichen Missbrauch in der Mainzer Kita konnten die Papiere nicht verhindern. Das gibt auch der Praventionsbeauftragten Eicher zu denken: "In dem Fall geht es offensichtlich nicht um das Fehlen eines Konzepts, sondern wir mussen nach den Faktoren fragen, warum es nicht gegriffen hat", erlautert sie. Fur eine genaue Analyse will sie zwar noch die Ergebnisse der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abwarten, die gerade erst begonnen haben. "Wir mussen aber die Kommunikations- und Beschwerdewege in diesem Fall genau prufen und moglicherweise noch verbessern", so ihr Zwischenfazit.

Entwicklung von Sexualitat fur Kinder und Jugendliche wichtiges Thema

Eines darf nach den Worten der Theologin aber keinesfalls die Konsequenz aus den Mainzer Ereignissen und auch dem Missbrauchsskandal vor funf Jahren sein: Dass das Thema Sexualitat im Allgemeinen in der Kirche wieder zu sehr in die Ecke gedrangt wird: "Wir durfen nicht ein neues Tabu aufmachen aus Angst vor Missbrauch", so lautet ihr Appell. Die Entwicklung der eigenen Sexualitat sei fur Kinder und Jugendliche ein wichtiges Thema. "Wir mussen sie als Kirche darin unterstutzen und dafur einen gesicherten und geschutzten Rahmen schaffen".

Wunibald Muller, Theologe und Psychologe am Kloster Munsterschwarzach, warnte schon vor einigen Monaten in einem Interview davor, dass Thema unter den Teppich zu kehren. Die Kirche musse zur Kenntnis nehmen, dass zum Menschen ein Bedurfnis nach Sexualitat gehore. "Er muss dazu befahigt werden, erwachsen damit umzugehen", so Muller. (mit Material von KNA)

 

 

 

 

 




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