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Der Schatten des Saubermanns

By Von Michael Meier
Tages Anzeiger
June 02, 2015

http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/europa/Der-Schatten-des-Saubermanns/story/13539371

«Kalt und hartherzig»: Kardinal George Pell.

Papst Franziskus stellt die von ihm initiierte Kurienreform unter das Leitwort «Absolute Transparenz». Jetzt scheint sich das Ideal gegen einen der prominentesten Reformkardinäle zu kehren: gegen George Pell, 73 Jahre alt, ehedem Erzbischof von Sydney, seit Februar 2014 Chef des neuen vatikanischen Wirtschaftssekretariats und damit Finanzminister des Vatikans. Pell ist einer der neun Kardinäle des von Franziskus geschaffenen K9-Rates, der die Kurie transparent und effizient reformieren soll.

Zum Reformprojekt gehört auch die neu eingerichtete Kinderschutzkommission mit der Aufgabe, den Missbrauch Minderjähriger in der Kirche effektiver zu verhindern und die Aufklärung von Delikten zu beschleunigen. Zwei der siebzehn Mitglieder sind selber Missbrauchsopfer. Eines von ihnen, der Brite Peter Saunders, hat nun Pell im australischen Fernsehen bezichtigt, dieser habe als früherer Erzbischof von Melbourne und Sydney zu Fällen von sexuellem Missbrauch durch Priester geschwiegen und Täter gedeckt. Pell sei «kalt, hartherzig, fast soziopathisch» und wegen seiner Rolle im australischen Missbrauchsskandal unhaltbar. Kurzum: Papst Franziskus solle den Kardinal, der stets als Saubermann in Sachen Kirchenmoral auftritt, aus dem Vatikan entfernen.

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Schon vor Jahren hatten in Australien Opfer sexuellen Missbrauchs Pell vorgeworfen, ihre Fälle vertuscht zu haben. Heute konzentrieren sich die Vorwürfe auf den Fall von David Ridsdale, der in den 90er-Jahren von seinem pädophilen Onkel Gerald Ridsdale, einem Priester, missbraucht worden war. Der Onkel wurde später verurteilt. Wobei Erzbischof Pell zuvor versucht haben soll, den missbrauchten Neffen mit Geld von seinen Anschuldigungen abzubringen.

Der Kardinal, seit Jahren von der Causa Ridsdale belastet, dementierte letzte Woche abermals. Und bot sogar an, sich vor einer australischen Missbrauchskommission gegen den Vorwurf der Schweigegeldzahlung zu verteidigen. Zugleich stellte er in Aussicht, rechtliche Hilfe gegen Saunders einzuholen. Dessen Behauptungen seien «falsch und irreführend», so sein Sprecher. Als Erzbischof von Sydney sei Pell energisch gegen Kindsmissbrauch vorgegangen.

Peter Saunders spreche nicht im Namen der Kinderschutzkommission, eilte auch Vatikan-Sprecher Federico Lombardi dem Kardinal zu Hilfe. Es sei nicht Aufgabe der Kommission, Nachforschungen anzustellen und in einzelnen Fällen zu urteilen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Lombardi den Kardinal in Schutz nehmen muss. Finanzminister Pell wird vorgehalten, er wolle sein Wirtschaftssekretariat zu einer Superbehörde auf Kosten anderer ausbauen. Und ausgerechnet er, der den Kirchenstaat auf Sparkurs trimmen solle, liebe den Luxus, fliege Businessclass und statte seine Privatgemächer aufwendig aus, mit einem Spülbecken für 4600 Euro zum Beispiel.

Alles erstunken und erlogen, lamentieren rechtskatholische Kreise. Für sie sind die Vorwürfe Teil einer kirchenpolitischen Intrige, um den ultrakonservativen Pell mundtot zu machen. Im Umkreis der Familiensynode hat er sich stets gegen jede Änderung an der katholischen Familien- und Sexualmoral verwahrt.




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