| Studie Zu Missbrauch in Kremsmunster: Ubergriffe Mit System
der Standard
March 27, 2015
http://derstandard.at/2000013557687/Studie-zu-Missbrauchsaffaere-Kremsmuenster-Systemversagen
[Sexualisierte, psychische und physische Gewalt in Konvikt und Gymnasium des Benediktinerstifts Kremsmunster]
[Study on abuse in Kremsmuenster.]
Stift habe "uber Jahrzehnte hinweg fahrlassig die ihm anvertrauten Schuler nicht ausreichend vor padosexuellen und gewaltaffinen Tatern geschutzt"
Kremsmunster/Munchen – Zwei Jahre blickte das Munchner Institut fur Praxisforschung und Projektberatung (IPP) hinter die Klostermauern des altehrwurdigen Benediktinerstiftes Kremsmunster. Mit einem Ziel: Licht auf die dunkle Klosterseite – gepragt von Macht, Gewalt und Missbrauch – zu werfen.
350 Falle, 24 Beschuldigte
Den Forschern, die bereits eine ahnliche Studie zu den Missbrauchsfallen im oberbayrischen Kloster Ettal durchgefuhrt haben, dienten 64 Interviews mit ehemaligen Schulern, Angehorigen, Patres, Stiftsangestellten, Gerichtsgutachtern und Ombudsleuten der Diozese Linz als Basis fur die sozialwissenschaftliche Expertise. Dabei wurden 350 Falle sexueller, korperlicher oder psychischer Gewalt ausgemacht, 24 Personen wurden beschuldigt. Einzig ein wegen sexueller und gewalttatiger Ubergriffe rechtskraftig zu zwolf Jahren Haft verurteilte Ex-Pater, der jungst seine Haft in der Strafanstalt Stein antreten musste, verweigerte das Gesprach.
"Uber Jahrzehnte fahrlassig"
Doch auch ohne die Ausfuhrungen des als "Pumpgun-Pater" in die Kriminalgeschichte eingegangen Ex-Bruders fiel das am Freitag im Stift prasentierte Ergebnis – untersucht wurde ab den 1950er-Jahren bis zum Auffliegen des Missbrauchsskandals im Jahr 2010 – der Studie erschreckend aus. Demnach habe Kremsmunster "uber Jahrzehnte hinweg fahrlassig die ihm anvertrauten Schuler nicht ausreichend vor padosexuellen und gewaltaffinen Tatern geschutzt". Vorhandene Andeutungen und offene Geheimnisse seien nicht richtig gedeutet worden und "selbst nach expliziten Aufdeckungen vor allem bei sexuellen Missbrauchshandlungen durch Patres wurden keine entsprechenden Konsequenzen gezogen, die Schuler nachhaltig vor padosexuellen Tatern geschutzt hatten".
Die Studienautoren Heiner Keupp, Florian Straus und Peter Mosser beschreiben das Stiftsinternat als einen Ort mit einem eigenstandigen Rechtssystem und mit einem "institutionellen Narzissmus". Straus: "Also der Wunsch, dass die eigene Einrichtung immer gut dasteht – und das stete Bestreben, Probleme diskret versanden zu lassen."
Systemprobleme
Faktoren, die das Geschehene moglich gemacht haben, sind fur die Sozialforscher einerseits der kirchlich-institutionelle Rahmen und samt strenger Hierarchie. Aber auch mangelnde padagogische Qualifikation, fehlende interne Kommunikation, Tabuisierung des Themas Sexualitat sowie ein Elitedenken.
Vom Tisch ist nun auch eine Einzeltatertheorie. Keupp: "Es lassen sich zwar keine dokumentierten Absprachen oder Hinweise auf gemeinsame Gewaltaktionen finden, jedoch gibt es eine Gruppe von sieben Patres, die alle zur Gruppe der beschuldigten Tater gehoren und zwischen 1970 und 1990 parallel ihren Dienst ausgeubt haben. In dieser Zeit gab es gehauft Gewalttaten. Vonseiten der Stiftsleitung zeigte man sich am Freitag tief betroffen. Fur Prior Maximilian Bergmayr ist die Studie eine "ungeschminkte und transparente Darstellung", die dem Kloster einen Spiegel vorhalte: "Ja, es hat uns doch ziemlich geschleudert." Abt Ambros Ebhart betont, man werde sich weiter der Auseinandersetzung stellen – und externe Hilfe fur die Pravention in Anspruch nehmen. (Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 27.03.2015)
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