| "Ware Zu Verhindern Gewesen"
Kurier
March 27, 2015
http://kurier.at/chronik/oberoesterreich/waere-zu-verhindern-gewesen/121.858.030
[Sexualisierte, psychische und physische Gewalt in Konvikt und Gymnasium des Benediktinerstifts Kremsmunster]
["It would have been prevented". Researchers see institutional deficiencies as a cause of years of abuse at Kremsmunster monastery.].
Auf fahrlassige Weise hat es das Stift uber Jahrzehnte nicht geschafft, die ihm anvertrauten Schuler ausreichend vor padosexuellen und gewaltaffinen Tatern zu schutzen", fasste Sozialforscher Florian Straus am Freitag den Abschlussbericht zur Causa Kremsmunster zusammen. Gemeinsam mit Kollegen des Munchner Instituts fur Praxisforschung und Projektberatung (IPP) prasentierte er im Wintersaal des Stifts eine wissenschaftliche Studie zu den Missbrauchs- und Misshandlungsfallen nach 1945. Sein Fazit: "Mit einer besseren Kommunikationsstruktur hatten sie verhindert werden konnen."
Drei Gewaltformen
Die Forscher sammelten 302 Berichte uber 350 Vorfalle sexueller, korperlicher und psychischer Gewalt. Diese stammen von 94 Zeugen und Opfern. 24 Personen – darunter 20 Patres – wird vorgeworfen, in irgendeiner Form Gewalt auf schutzbefohlene Internatsschuler ausgeubt zu haben. Ein Drittel der Berichte bezog sich auf sexuelle Ubergriffe. 64 Interviews – mit Absolventen, aber auch mit Klosterangehorigen und Erziehern – bildeten den Kern der Untersuchung. Ziel war, die noch im Dunkeln liegenden Teile der Stiftsgeschichte umfassend aufzuarbeiten. "Die Matura war der gro?te Tag meines Lebens – weil ich endlich diesen Wahnsinn loswurde", beschrieb ein Betroffener die qualvollen Umstande.
Die Forscher machten gravierende Defizite bei der Kommunikation aus, die auch dafur verantwortlich gewesen sein sollen, dass die Vorwurfe erst 2010 offentlich wurden. Der Haupttater, ein 81-jahriger Ex-Pater, verbu?t derzeit eine zwolfjahrige Haftstrafe."Es gab Kreise des Schweigens", sagt Straus. Schuler hatten ihren Eltern aus Scham oder Angst nichts erzahlt. Die Eltern waren zu wenig sensibel und die Monche vertrauten auf die kirchliche Hierarchie, die allerdings versagte."Man fuhlt sich schlecht und braucht Zeit, die Studie zu verdauen", sagt Prior Maximilian Bergmayr, der selbst auch Schuler im Stiftgymnasium war. Die Betroffenen seien damals zu wenig gehort worden. "Es ist beschamend und schmerzhaft, sich diesen Erkenntnissen zu stellen." Die ungeschminkte und transparente Darstellung des Geschehenen sei fur die eigene Aufarbeitung und die des Klosters aber hilfreich. Eine Lehre fur die Zukunft musse sein, die Gesprachskultur weiterzuentwickeln und eingefahrene Strukturen zu hinterfragen. Studie in BuchformDer ehemalige Schuler Franz Staudinger legt Wert darauf, dass als Konsequenz der IPP-Studie nicht mehr von Einzeltatern gesprochen werden konne. "Es wurde ein System von sexueller Gewalt und Schwarzer Padagogik installiert." Manche im Stift wurden heute immer noch nicht wissen, welche Verbrecher hier tatig waren. "Ich erwarte mir daher, dass die Studie in Buchform erscheint und im Klosterladen zum Verkauf angeboten wird. Das ware ein sichtbares Zeichen der Aufarbeitung." Fur die Betroffenen verlangt Staudinger Entschadigungszahlungen, die uber die Empfehlungen der Klasnic-Kommission hinausreichen. "Wenn das gelingt, bin ich zuversichtlich, dass eine Versohnung moglich ist."Abt Ambros Ebhart betont, dass bisher alle Forderungen der Klasnic-Kommission – rund 670.000 Euro Entschadigung – vorbehaltlos beglichen worden seien: "Wir werden auch in Zukunft bezahlen, was sie uns vorgibt."
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