BERLIN. (hpd) Gestern hat das katholische Erzbistum Berlin einen Zwischenbericht zu Verdachtsfällen sexuellen Missbrauchs vorgelegt. Danach gab es 31 Anzeigen wegen sexuellem Missbrauch an Minderjährigen im Erzbistum Berlin.
Der gestern veröffentlichte “Zwischenbericht Verdachtsfälle sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen und erwachsenen Schutzbefohlenen durch Kleriker, Ordensangehörige oder andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst” führt auf, dass bis zum 31. Dezember 2014 im Erzbistum Berlin insgesamt 31 Kleriker, darunter vom Erzbischof beauftragte Ordensangehörige sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst, des sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen und erwachsenen Schutzbefohlenen beschuldigt wurden.
In dem Bericht sind allerdings die Verdachtsfälle, die bei Orden im Bereich des Erzbistums Berlin eingegangen sind, nicht erfasst. Das betrifft zum Beispiel auch die zahlreichen Missbrauchsfälle aus den Siebziger- und Achtzigerjahren am Berliner Jesuiten-Kolleg Canisius, deren Bekanntwerden im Jahr 2010 die Missbrauchsdebatte in Deutschland auslöste. Der Brief des damaligen Rektors, Pater Klaus Mertes, und der erste Artikel darüber in der Berliner Morgenpost brachten eine öffentliche Debatte ins Rollen, der sich die katholische Kirche bis heute nur sehr ungern stellt.
In der Pressemitteilung des Erzbistums Berlin heißt es weiter: “Im Jahr 2014 wurden drei neue Vorwürfe erhoben. Insgesamt gehen die Vorwürfe bis auf das Jahr 1947 zurück, die Beschuldigten sind zum Teil verstorben.”
Drei Verfahren abgeschlossen, eines aufgenommenVerdachtsfälle des sexuellen Missbrauchs werden im Erzbistum seit dem Jahr 2002 systematisch erfasst. In fünf Fällen läuft danach derzeit ein staatliches bzw. kirchliches Ermittlungsverfahren. Eine genauere Aufstellung, in wie vielen Fällen staatliches und in wie vielen kirchliches Recht angewandt wird, ist nicht erwähnt.
Danach wurden im Jahr 2014 drei Verfahren abgeschlossen und ein neues aufgenommen: “Es wurden im Jahr 2014 drei weitere Anträge gestellt auf Leistungen in Anerkennung des Leids, das Opfern sexuellen Missbrauchs zugefügt wurde.”
Das Erzbistum teilt mit, dass insgesamt 17 Anträge auf Entschädigung gestellt worden sind und 16 davon bereits bewilligt wurden. Dabei wurden insgesamt 77.000 Euro Entschädigung an die Opfer gezahlt. Zusätzlich sei eine Erstattungssumme für psychotherapeutische Leistungen in Höhe von 13.099 Euro gezahlt worden.
Das spezifisch KatholischeProf. Hans Zollner ist Präsident des “Zentrums für Kinderschutz” und des Instituts für Psychologie der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. In einem Interview mit Deutschlandradio Kultur weist er auf die Besonderheiten hin, die den Missbrauch durch katholische Priester oder Bischöfe auszeichnen. “Das hängt zusammen mit einer klerikalen Kultur, die geherrscht hat und die in den Ländern unter Umständen bis heute vorherrscht… , die aber in unseren Breiten mittlerweile zusammenbricht oder zusammengebrochen ist, wo es um Vertuschen und Verschweigen ging, wo man die eigene Institution deshalb nicht bloßstellen wollte, weil man Angst hatte, dass dann das Bild der Kirche, das Bild Gottes sozusagen beschmutzt wird. Dass man halt diese religiöse Komponente noch hineingebracht hat, sowohl, wenn Missbrauchstäter Opfer missbraucht haben und sie das sozusagen auch durch die Religion noch sanktioniert haben.”
Er weist darauf hin, dass es insbesondere das Vertrauensverhältnis zwischen dem Kind bzw. Jugendlichen und dem katholischen Würdenträger sei, dass die psychischen Schäden so gravierend mache: “Was das für eine unglaubliche, tiefe Wunde in die Seele von Kindern geschlagen hat. Meinem Eindruck nach und auch nach den Gesprächen mit Betroffenen, ist das für viele jedenfalls von diesen Betroffenen, die größte Wunde. Und das ist das spezifisch Katholische.”