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Mit John Wayne gegen Missbrauchsopfer

By Stefan Aigner
Regensburg-Digital
January 08, 2015

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Vergleicht sich gern mit John Wayne und Jean Luc Picard: Rechtsanwalt Geedo Paprotta.

Geht gern kreativ mit den Fakten um: Bistumssprecher Clemens Neck.

Der Sprecher des Bistums erklärt sexuellen Missbrauch mit dem „Zeitgeist“, der eigens engagierte Rechtsanwalt will/ kann/ darf nichts sagen. Das hat Gründe. Die ARD-Doku zu den Regensburger Domspatzen offenbart: Aufklärung ist weiter nicht erwünscht.

„Ich sage zu meinen Mandanten immer: ‘Wir sind die Guten!’ – und das meine ich ernst.“ Ein Interview, in dem Geedo Paprotta diesen und andere bemerkenswerte Sätze von sich gibt, hatte der Nürnberger Rechtsanwalt bis vor kurzem auf seiner Homepage stehen. Doch seit dem gestrigen Mittwoch ist das Interview gelöscht und Paprottas Seite ist „vorübergehend nicht erreichbar“ (hier das Interview im Google Cache). Es ist dem Advokaten offenbar peinlich, dass seit gestern einem Millionenpublikum bekannt ist, wie er seit ein paar Jahren im Auftrag der Diözese Regensburg dazu beiträgt, Missbrauchsopfern mit hanebüchenen Begründungen die Anerkennung zu verweigern.

„Wenn es heiß wird, bin ich auch zielsicher aus der Hüfte und sitze notfalls auch rückwärts fest im Sattel bei zweihundert bis an die Zähne bewaffneten Viehdieben. Für John Wayne und mich und sind stählerne Nerven das oberste Gebot.“ Geedo Paprotta

Am späten Mittwochabend strahlte die ARD die Dokumentation „Sünden an den Sängerknaben – die Akte Regensburger Domspatzen“ aus (hier in der Mediathek abrufbar). Filmemacherin Mona Botros zeichnet darin das Schicksal drei ehemaliger Domspatzen nach, über die auch Regensburg Digital schon mehrfach berichtet hat. Und stellenweise sind starke Nerven nötig, um die sehenswerten 45 Minuten durchzuhalten.

Szenen, die nahe gehen und solche, die wütend machen

Einerseits, weil es einem nahegeht, wenn etwa Georg Auer mit tränenerstickter Stimme von dem an ihm begangenen sexuellem Missbrauch in der Domspatzen-Vorschule in Ettertzhausen und den Gefühlen und Ängsten, die ihn über Jahrzehnte verfolgt haben, berichtet.

Andererseits, weil es nur schwer zu ertragen ist, dass das Bistum Regensburg diesen drei Männern bislang jedwede Anerkennung verweigert. Weil es nur schwer zu ertragen ist, wenn Bistumssprecher Clemens Neck – bekannt dafür, die Wahrheit recht flexibel auszulegen – versucht, den Missbrauch in den Einrichtungen der Domspatzen, mit dem damaligen „Zeitgeist“ zu rechtfertigen. Weil es wütend macht, wenn Geedo „Wir sind die Guten“ Paprotta in der Dokumentation auf praktisch jede Frage von Botros mit „Ich möchte dazu nichts sagen.“ „Ich werde mich dazu nicht äußern.“ „Ich kann und darf dazu nichts sagen.“ antwortet. Immerhin zu einer halbwegs konkreten Aussage lässt Paprotta sich hinreißen: „Jeder Fall, den ich bearbeite, wird so intensiv wie möglich bearbeitet und ich komme zeitnah im Rahmen dessen, was ich verantworten kann, zu einer Empfehlung.“

Mit stählernen Nerven, scham- und skrupellos

Was liegt nun „im Rahmen dessen“, was Paprotta, der sich ob seiner „stählernen Nerven“ auf seiner Homepage mit John Wayne (!) verglich, „verantworten kann“? Zum Beispiel – wir haben darüber berichtet – Folgendes: Wenn ein erwachsener Mann den Kopf eines Kindes zwischen die Beine nimmt, stöhnend seinen Penis am Genick und Hinterkopf des Kindes reibt, während er ihm gleichzeitig auf den nackten Hintern schlägt, dann ist das kein sexueller Missbrauch. Das Stöhnen kann nämlich von der Anstrengung beim Verprügeln kommen. Mit dieser Begründung ließ Paprotta den ehemaligen Domspatzen Udo Kaiser laut dessen Schilderungen abblitzen. Dazu braucht es sicher – da ist Paprotta ganz John Wayne – stählerne Nerven, neben einer gehörigen Portion Skrupellosigkeit, Schamfreiheit und Zynismus. Wen wundert es da, dass er sich dazu vor der Kamera nicht äußern „kann“?

„Aber es gibt auch wirklich kuriose Fälle, in denen man, um mit Captain Jean-Luc Picard zu sprechen ‘in Galaxien vordringt, die nie zuvor ein Mensch gesehen hat’. Gerade die Vielfalt meiner Tätigkeit bringt mich auf die besten Ideen. Als Generalist finde ich oft ganz ausgefallene, neue Wege in scheinbar aussichtslosen Fällen – weil ich die Parallelen zu anderen Rechtsgebieten kenne. Und weil mir meine Arbeit am Herzen liegt, suche ich so lange, bis ich einen Weg gefunden habe. Es gibt fast immer einen Weg!“ Geedo Paprotta

Auch fünf Jahre nach dem Bekanntwerden der Missbrauchsfälle bei den Domspatzen bleibt nach der Dokumentation der Eindruck: Aufklärung ist in Regensburg nicht nur nicht erwünscht, sie wird aktiv verhindert.

Das Bistum kommt mit seinen Zahlen durcheinander

Was leider fehlt, aber das Bild noch abrunden würde: Die Diözese hat sich bei ihren geheimnisvollen Zahlenspielen zu Missbrauchsfällen etwas verheddert. Während in einem „Zwischenbericht“ der Diözese 2011 noch von zehn Tätern und 78 Opfern zwischen 1945 und 2010 die Rede ist, sind es laut dem aktuellen Bericht 2014 nur noch 77 Opfer und 13 Täter. Entschädigt wurden laut diesem Bericht ohnehin nur 30 Betroffene. Wer die Begründung Paprottas für die Ablehnung im Fall Udo Kaiser kennt, der ahnt, warum.

„Mir macht meine Arbeit wahnsinnig viel Spaß, gerade weil es hier so menschlich zugeht.“ Geedo Paprotta

 




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