| Spanien: Papstlicher Weckruf Gegen Sexuellen Missbrauch
kathweb
November 30, 2014
http://www.kathpress.co.at/site/nachrichten/database/66384.html
Madrid, 30.11.2014 (KAP) Selten wurde in Spanien so offen und laut uber Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche gesprochen. Nachdem Papst Franziskus personlich zum Telefon griff, um sich bei einem heute 24-Jahrigen zu entschuldigen, der nach eigenen Angaben als Messdiener von Geistlichen in Granada sexuell missbraucht worden war, hat sich viel geandert. Der junge Mann hatte dem Papst einen funf Seiten langen Brief geschrieben, in dem er die mutma?lichen Tater beim Namen nannte. Schon im August antwortete der Papst telefonisch, um sich im Namen der Kirche zu entschuldigen. Er versprach, personlich Kontakt mit der Erzdiozese aufzunehmen, um kircheninterne Ermittlungen einzuleiten.
Wochen spater rief Franziskus offenbar ein zweites Mal bei dem jungen Mann an. Er soll unzufrieden mit der Reaktion der Erzdiozese gewesen sein. Spanische Medien berichteten, diese habe zwar vorsorglich die drei hauptverdachtigen Priester von ihren Aufgaben entbunden, aber zahlreiche Mitwisser aus dem sogenannten Clan der Romanones, einer als sektenahnlich beschriebenen Gruppe von Geistlichen, verschont. Laut der katholischen Online-Zeitung "Religion Digital", die den Fall bekanntmachte, ermutigte der Papst den Mann sogar, Anzeige bei der Polizei zu erstatten.
Zudem scheint sich Franziskus erneut mit dem Erzbischof von Granada, Francisco Javier Martinez, in Verbindung gesetzt zu haben. Wenige Tage spater warf dieser sich in der Sonntagsmesse in der Kathedrale in einer Demutsgeste fur mehrere Minuten vor dem Altar zu Boden und bat um Vergebung. In dieser Woche nun bestatigte Franziskus selbst, er habe den Bischof aufgefordert, sofort mit der Untersuchung zu beginnen: "Die Affare verursacht gro?en Schmerz. Aber wir durfen die Wahrheit nicht verstecken", so der Papst. An diesem Sonntag nun soll Martinez vor der Glaubenskongregation im Vatikan erscheinen.
Auch die Spanische Bischofskonferenz reagierte ungewohnt offensiv. "Null Toleranz gegen Kindesmissbrauch", stellte Sprecher Jose Maria Gil Tamayo vor der Presse klar. Er versicherte, die Bischofskonferenz habe erst aus den Medien von dem Fall erfahren, und forderte "Gerechtigkeit fur die Opfer". Man biete der Justiz eine "umfassende Zusammenarbeit" zur Klarung der Vorfalle in Granada an. Mittlerweile hat auch ein zweiter fruherer Ministrant Anzeige erstattet.
"Normalerweise versucht die Kirche, solche Probleme intern zu losen, ohne Offentlichkeit oder gar ohne die Justiz einzuschalten", sagt der Sprecher der Organisation "Kollektiv fur eine Kirche ohne Missbrauch", Carlos Sanchez Mato. Dennoch hofft er darauf, dass der mediale Druck und vor allem das Beharren des Papstes nun ein "Nachdenken" unter den spanischen Bischofen auslost.
In den vergangenen Jahren gab es in Spanien wiederholt Enthullungen uber sexuellen Missbrauch durch katholische Geistliche. Seit 2010 untersucht der Vatikan in Spanien 14 solcher Vorwurfe. Drei Priester sitzen bereits im Gefangnis. Mit dem Fall in Granada ist die Aufmerksamkeit der Medien und der Offentlichkeit allerdings enorm gestiegen.
In dieser Woche erregte ein weiterer Fall die Gemuter: Mitte des Monats hatte der Papst den Amtsverzicht des erst 69-jahrigen Erzbischofs von Saragossa, Manuel Urena Pastor, angenommen. Der offizielle Paragraf des Kirchenrechts fur einen vorzeitigen Rucktritt lautet auf "gesundheitliche oder andere schwerwiegende Grunde". Allerdings deutet einiges auf Druck aus Rom hin. Die katholische Wochenzeitung "Vida Nueva" berichtete, Vatikan-Untersuchungen hatten ergeben, dass die Erzdiozese einem ehemaligen Diakon ungewohnlich hohe Gehaltszahlungen uberwiesen habe.
Insgesamt 105.000 Euro soll er auf diese Weise erhalten haben - als eine Art Schweigegeld, damit er nicht mit sexuellen Bedrangungen eines Priesters an die Offentlichkeit gehe oder sogar Anzeige erstatte. Bei dem betreffenden Geistlichen soll es sich um einen engen Freund des Erzbischofs handeln.
"Der Fall in Saragossa ist ein gutes Zeichen", sagte der Theologe Evaristo Villar, Sprecher des "Christlichen Netzwerks", einer Vereinigung von 150 katholischen Basisgruppen in Spanien, der deutschen katholischen Nachrichtenagentur KNA. "Denn durch solche Untersuchungen wird vielen Klerikern klar, dass sie auch in Spanien nicht mehr einfach Missbrauchsfalle anderer Priester vertuschen oder decken konnen."
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