Irland: Umfassende Untersuchung gefordert nach Fund von Kinderleichen
Radio Vatican
June 10, 2014
http://de.radiovaticana.va/news/2014/06/10/irland:_umfassende_untersuchung_gefordert_nach_fund_von_kinderleichen/ted-805936
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Politiker und Kirchenvertreter in Irland wollen die Geschichte der Heime für ledige Mütter und deren uneheliche Kinder durch eine unabhängige Kommission aufarbeiten lassen. Anlass für den Vorstoß sind jüngste Erkenntnisse zu einem Grab mit 800 Kinderleichen in der zur Grafschaft Galway gehörenden Stadt Tuam. Sie sollen aus einem Mutter-Kind-Heim stammen, das von katholischen Ordensfrauen geführt wurde. Das Massengrab war bereits in den 70er Jahren entdeckt worden. Lange Zeit hieß es, bei den Leichen handle es sich um Opfer der irischen Hungersnot im 19. Jahrhundert. Eine Historikerin deckte dagegen auf, dass es sich bei den Toten aller Wahrscheinlichkeit nach um die sterblichen Überreste von jungen Heimbewohnern handelt, die zwischen 1925 und 1961 ums Leben kamen. Der Erzbischof von Dublin, Diarmuid Martin, sagte im RTE-Radio:
„Die Indizien sagen doch: Wenn das in Tuma passieren konnte, dann ist es vielleicht auch in anderen Mutter-und-Baby-Heimen anderswo im Land passiert. Darum glaube ich, dass wir eine umfassende Untersuchung brauchen. Es bringt nichts, nur das Geschehen in Tuma zu untersuchen und nächstes Jahr dann noch anderes herauszufinden - wir müssen die ganze Kultur der Mutter-und-Baby-Heime durchleuchten.“
Martin brachte für die Mitarbeit in einer möglichen Untersuchungskommission den Namen von Ian Elliott ins Spiel. Als Vorsitzender des von der Kirche eingerichteten „National Board for Safeguarding Children in the Catholic Church in Ireland“ hatte Elliott mehrere Prüfberichte zum Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche Irlands herausgegeben.
„Es ist sehr wichtig, dass eine solche Kommission volle juristische Autorität hat. Sonst verstrickt man sich in alle möglichen juristischen Probleme, z.B. Datenschutzfragen. Wenn man das nicht von Anfang an macht, dann bekommt man eine Kommission, die auf der Stelle tritt.“
„Viel Zeug gelesen“
Nach dem irischen Premierminister Enda Kenny ließ am Montag auch der irische Erziehungsminister Ruairi Quinn in einem Interview mit RTE Zustimmung für die Bildung einer solchen Kommission erkennen. Zuvor jedoch gelte es, möglichst viele Fakten zusammenzutragen, so Quinn weiter. Der Minister prangerte auch eine einseitige Berichterstattung in den Medien an. Er habe „am letzten Wochenende viel Zeug gelesen, das ziemlich verschieden ist von dem, was die Schlagzeilen zunächst suggerierten, als die ganze Geschichte publik wurde“, so Quinn. Sein Kabinettskollege Charles Flanagan, zuständig für Kinder- und Jugendangelegenheiten, soll Vorschläge zum weiteren Vorgehen ausarbeiten. Vor einem früheren Heim für ledige Mütter in Cork trafen sich jetzt Betroffene zum Gedenken.
„All diesen Müttern hat man das Herz gebrochen! Viele von uns, auch ich selbst, suchen das ganze Leben lang irgendetwas, das uns diesen Verlust kompensiert, aber das funktioniert nicht. Wenn dein Baby weg ist, ist auch dein Leben weg.“
„Ich vermute mal“, so eine weitere Frau, „ich bin einige von wenigen Überlebenden, die hier geboren worden sind, aber Hunderte über Hunderte sind hier gestorben. Wir wollen an die Toten erinnern und ihnen die Anerkennung und Würde geben, die sie zu Lebzeiten nicht gehabt haben.“
Die ehemaligen Bewohnerinnen des Bessborough-Heims in Cork fordern eine Inspektion des dortigen Friedhofsgeländes. Dieses Heim war das größte seiner Art und wurde von den Herz-Jesu- und Marien-Schwestern geleitet.
„Wir brauchen eine Untersuchung aller Mütter-und-Baby-Häuser. Es gibt zuviele unbeantwortete Fragen. Wir brauchen die Antworten für alle diese Einrichtungen!“
Die Einrichtung in Tuam war laut Medienberichten eines von zehn Heimen in Irland, in denen insgesamt rund 35.000 ledige Mütter, sogenannte „gefallene Frauen“, untergebracht wurden. Zum Teil mussten sie dort Zwangsarbeit verrichten. Die sogenannten „Magdalene Laundries“ (Wäschereien für Sünderinnen) machten vor einigen Jahren international Schlagzeilen und wurden auch als Filmstoff verarbeitet. Die Kinder „gefallener Frauen“ wurden den Müttern in der Regel weggenommen und an andere Familien weitergegeben. Obwohl die meisten Heime von katholischen Orden geführt wurden, standen sie unter Verantwortung des Staates.
Das irische Justizministerium beauftragte die Polizei damit, Dokumente wie Todesurkunden und Sterberegister aus Tuam zusammenzutragen. Die Sonderprojektleiterin des irischen Nationalarchivs Catriona Crowe plädierte für eine Sammlung aller Dokumente aus sämtlichen Mutter-Kind-Heimen. Viele Quellen befänden sich noch im Privatbesitz der Orden, kritisierte Crowe. In dem seinerzeit von den Bon-Secours-Schwestern geführten Heim in Tuam liegen die relevanten Akten laut Ortsbischof Michael Neary seit 1961 bei der Grafschaft Galway und den Gesundheitsbehörden.
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