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Immer Prugel Fur Die Kirche

Die Tagespost
April 2, 2014

http://www.die-tagespost.de/Immer-Pruegel-fuer-die-Kirche;art456,150904

Die Annahme, dass die katholische Kirche bei deutschen Journalisten besonders schlecht wegkommt und vielfach unfair behandelt wird, trifft zu – Schuld daran sind nicht immer nur die Medien. Von Klaus Kelle

Warum wird eigentlich uber die katholische Kirche meistens negativ berichtet, wahrend die Frohe Botschaft Jesu keinen Raum findet? Die Frage ist so simpel wie auch die Antwort: Weil das Mediengeschaft nun einmal so lauft. Medien sind kommerzielle Unternehmen, sie haben keinen Bildungs- und schon gar keinen Missionsauftrag. Jede Zeitung braucht Kaufer und jeder Sender – auch der offentlich-rechtliche Staatsfunk – schielt auf gute Quoten. Das ist die Ausgangslage, oder salopp gesagt: sie geben ihren Kunden, was sie wollen, und verdienen damit Geld. Jeder Redaktionsvolontar lernt bereits in der ersten Ausbildungswoche den Grundsatz „Bad News are good News“. Ubersetzt bedeutet das: Schlechte Nachrichten bringen Aufmerksamkeit, sie bringen ein Prickeln in das Leben der Medien-Konsumenten, und sie sind Erfolgsgaranten.

Orientierung am Mainstream

Niemand will nur gute Nachrichten lesen. Es gab Zeitungen in den USA, die es versucht haben und jammerlich gescheitert sind. Alle Passagierflugzeuge sind heute auf der Welt sicher gelandet. 25 Millionen deutsche Autofahrer sind gestern ohne Unfall sicher wieder vor dem Haus abgestellt worden. Nein, viel Aufmerksamkeit erlangen Flugzeuge, die – wie jungst – verschollen sind. Oder Autounfalle. So einfach ist das.

Der Journalist unserer Tage sucht das Exzentrische, das au?erhalb der Norm liegende, den Skandal. Und gibt es gerade keinen, dann schafft er sich einen. Das gehort zu den Spielregeln der modernen Emporungs-Gesellschaft. Als der fruhere schleswig-holsteinische Ministerprasident Uwe Barschel in einem Genfer Hotel unter bis heute ungeklarten Umstanden starb, schlichen zwei Reporter des Magazins „Stern“ in sein Hotelzimmer und fotografierten den Toten in der Badewanne. Kaum war das bekannt, schwappte eine Welle der Emporung durch Deutschland. Eine reprasentative Meinungsumfrage ergab, dass 77 Prozent der Bundesburger nicht wollten, dass diese Bilder veroffentlicht werden. Totenruhe und so. Der „Stern“ druckte die Fotos naturlich und erschien dafur sogar einen Tag fruher als ublich. In wenigen Stunden war die komplette Auflage ausverkauft. Die Medien-Nutzer wollen es so, wie es ist. Nur, dass dabei eben auch die Kirche, insbesondere die katholische Kirche, nicht ausgenommen wird.

Wird sie von Medien schlechter behandelt als andere vergleichbare Gro?organisationen? Ja, das wird sie. Als im Sommer 2012 der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Muller vom Papst zum Prafekten der Glaubenskongregation berufen wurde, meldeten das die „heute“-Nachrichten im ZDF und lieferten gleich mit, wie der Zuschauer daruber zu denken hat. Der erste Satz der „Nachricht“ stimmte ein: „Die neue Personalie im Vatikan erregt Aufsehen und lost Kritik aus.“ Ein „erzkonservativer Hardliner“ sei Muller und „umstritten“. Und au?erdem sei die Glaubenskongregation die Nachfolgerin der Inquisition. Es fehlte als Illustration nur noch ein Hintergrundbild mit Scheiterhaufen.

Was ware, wenn eine Meldung dieser Bauart zum Beispiel uber die Partei Die Linke uber den Ather ginge? „Die erneute Wahl des ehemaligen SED-Politikers Gregor Gysi zum Fraktionsvorsitzenden der extremistischen Partei Die Linke lost Kritik aus. Der umstrittene Politiker gilt als sozialistischer Hardliner. Die Linke besteht zu einem betrachtlichen Teil aus Mitgliedern der Staatspartei der fruheren DDR-Diktatur...“. Kein Redakteur oder Moderator von ARD, ZDF & Co. wurde so etwas in den Nachrichten formulieren.

Die Kirche kommt in den gro?en Medien nicht gut weg – die evangelische etwas besser, weil sie sich in vielen Fragen dem gesellschaftlichen Mainstream angepasst hat. Die katholische Kirche ist in ethischen Themen, aber auch bei Familie, bei Traditionen ein Fels in der Brandung, der oft dem Mainstream entgegensteht. Das gefallt nicht jedem, schon gar nicht jedem Journalisten. Bevor Kolns Erzbischof Joachim Kardinal Meisner kurzlich in den wohlverdienten Ruhestand ging, meldete er sich im Februar dieses Jahres noch einmal kraftvoll zu Wort. In einem Brief an alle Priester, Diakone und Laien im Kirchendienst des gro?ten deutschen Bistum schrieb er zu Recht von „Vertrauensverlust“ und von „Hame“ gegenuber der Kirche. „Franzosische Wissenschaftler“, so der Kardinal weiter, „betrachten dieses Phanomen inzwischen als ,Katholikenphobie‘ und weisen darauf hin, dass keine Religion oder Konfession so gezielt offentlich angegriffen wird wie die katholische Kirche.“

Dies wurde besonders deutlich bei der Berichterstattung uber die schlimmen Missbrauchsfalle an Schutzbefohlenen, die ab 2010 einem gro?en Publikum bekannt wurden. Sexueller Missbrauch an Kindern – etwas Widerwartigeres ist kaum vorstellbar. Und naturlich mussten die Medien breit und ausfuhrlich daruber berichten. Doch die Berichterstattung entwickelte sich so, als sei Missbrauch ein ganz besonders bei katholischen Geistlichen gepflegtes Feld der Kriminalitat. Doch das ist keineswegs so – und nochmal: es geht hier nicht darum, irgendetwas zu verharmlosen. Aber Missbrauch an Schutzbefohlenen findet in mehr als 90 Prozent der Falle im Familien- und Bekanntenkreis statt. Missbrauch findet in Sportvereinen, Privatinternaten, der evangelischen Kirche und an vielen anderen Orten statt. Die Berichterstattung spiegelte das nicht wider.

Kirche und Politik werden nicht gleich kritisch gesehen

Und wahrend die katholische Kirche wenigstens den Versuch machte, sich den schlimmen Verbrechen zu stellen – Runde Tische, Opfer-Hotline, Treffen des Papstes mit Opfern, Entschadigungszahlungen – fragte niemand, was eigentlich anderswo getan wird.

Die offentlichen Vorwurfe und Appelle nahmen teils groteske Zuge an, etwa als die „Suddeutsche Zeitung“ offentlich gei?elte, der Papst schweige immer noch zu den Missbrauchsfallen an der Odenwaldschule, die – wie die meisten anderen Menschen wussten – mit der Kirche uberhaupt nichts zu tun hat. Oder der absurde Versuch, den Missbrauch als eine logische Folge des Zolibats darzustellen. Es wird mit zweierlei Ma? gemessen, und die Katholiken bekommen immer die meisten Prugel ab. Dieselben Leute, die ubrigens zu den Missbrauchsfallen in der Kirche die schneidigsten Stellungnahmen abgaben, waren dann ubrigens alle verschwunden, als der Padophilie-Skandal bei den Grunen bekannt wurde. Welches Medium fragte da mal nach Runden Tischen, Opfer-Hotline und Entschadigung fur die Opfer?

Dabei bietet dieser ganze Vorgang mit den Missbrauchsfallen durchaus einigen Anlass zur Selbstkritik. Jeder Medienberater wei?: Kommt so etwas heraus, gibt es nur eins: absolute Offenheit und Transparenz. Letztlich, das zeigen viele Beispiele, kommt sowieso immer alles heraus. Jahrzehntelang wurde von Seiten der Kirche beim Thema Missbrauch gemauert, verharmlost und vertuscht. Tater wurden versetzt und konnte weiter Verbrechen begehen. Wenn Medien dann berichten, sind nicht sie die Bosen, sondern die Tater. Und nach der ersten Veroffentlichung beginnt das immer gleiche Ritual: Man habe nichts gewusst, werde die Vorwurfe aber intern prufen (kann naturlich ein wenig dauern). Kommen dann weitere Dinge ans Tageslicht, bittet man um Verstandnis, dass erst das Ergebnis der internen Prufung (das man nicht beeinflussen mochte) abgewartet werden soll. Kommen dann neue Dinge ans Tageslicht, setzt man eine Kommission ein, die prufen und Konsequenzen entwickeln soll. Sollte etwas vorgefallen sein, werde man ruckhaltlos aufklaren und sich entschuldigen. Und so weiter... In welcher Gemutsverfassung schreibt ein Journalist seinen Artikel, der immer wieder den gleichen Schmonzes zu horen bekommt? Das Beschriebene gilt ubrigens nicht nur in Bezug auf die Kirche. Der Steuersunder Hoene? oder der Plagiator zu Guttenberg konnten das bestatigen. Und der ehemalige Bischof von Limburg Franz-Peter Tebartz-van Elst wohl auch.

Es ist nicht immer alles Schuld der Medien. Bischof Tebartz-van Elst ist von manchen Medien ubel mitgespielt worden, das ist wahr. Und von einigen geistlichen Herren auch. Aber, er tragt auch eine Mitverantwortung. Viele gutwillige Glaubige sind nach der Lekture des Prufberichtes nicht damit einverstanden, wie dort mit Geld umgegangen wurde. Die Jagd indes, die medial gestartet wurde – insbesondere von einer gro?en Qualitatszeitung – lie? jedes Ma? vermissen.

Eine Kirche ist kein Konzern und keine politische Partei. Sie lebt mehr als alles andere von ihrer Glaubwurdigkeit. Und da ist in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten manches kaputt gegangen. Und gerade deshalb muss sie gegenuber den Glaubigen und der Gesellschaft besonders sensibel sein. Auch im Umgang mit den Medien.

Der Zustand der katholischen Kirche in Deutschland ist kein Nebenaspekt, wenn man ihre mediale Wirkung beurteilen will. Gerade, wenn man einer in Teilen feindseligen Presse gegenubersteht. Doch warum sind eigentlich so viele Journalisten gegenuber der Kirche beinahe feindselig eingestellt? Da kommt manches zusammen.

In den Medien nur wenig engagierte Christen

Zum einen gibt es wenige engagierte Christen, die den Beruf eines Redakteurs erlernen und ausuben wollen. Das ist bei sogenannten Burgerlichen generell feststellbar. Die Prioritaten liegen woanders. Der Journalistenberuf hat ein mieses Ansehen, unterboten in der Regel nur durch unsere Politiker. Lebensweise und Arbeitszeiten zumindest der aktuellen Berichterstatter sind unattraktiv, ja bisweilen ungesund. Ein Burgerlicher studiert oder lernt einen „anstandigen Beruf“, grundet eine Familie, spart fur ein Hauschen. Aber Journalist werden? Viele sind alleinstehend und kinderlos. Auf sie wirken der Glaube an Gott und die Existenz der Kirche wie ein Anachronismus. Manche verstehen sie als eine Kritik am eigenen Leben. Da ist kaum Sympathie zu erwarten.

Hinzu kommen die politischen Praferenzen. Deutschlands Journalisten ticken links, das ist wissenschaftlich in einer gro? angelegten Untersuchung des Instituts fur Publizistik der Universitat Mainz nachgewiesen worden. Ganze neun Prozent der deutschen Journalisten bekunden, dass sie der CDU/CSU nahestehen. Bei der FDP sind es sechs Prozent. Gut, Letzteres ist heutzutage da schon ein guter Wert. Wenn sich drei Viertel der Journalisten aber selbst als links verorten, wird die katholische Kirche mit ihren Grundhaltungen auch in dieser Beziehung wenig Verbundete finden.

 

 

 

 

 




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