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„das Volk Spricht Hier Eine Klare Sprache“

By Arik Platzek
The Diesseits
March 31, 2014

http://www.diesseits.de/menschen/interview/1396216800/volk-spricht-hier-klare-sprache

Die Politik tut nicht genug, um sexualisierte Gewalt an Minderjahrigen zu verhindern, sagt Norbert Denef. Der Grunder von netzwerkB bezeichnet es als „unertraglich“, dass der Unabhangige Beauftragte der Bundesregierung zum Thema im Amt bestatigt wurde. Aus seiner Sicht steht fur den Gesetzgeber weiterhin der Taterschutz im Vordergrund.

Laut Schatzungen gibt es in Deutschland pro Jahr 300.000 Falle von sexuellem Kindesmissbrauch. Nur zwischen 5 und 10 Prozent der Falle werden angezeigt. © fasphotographic - Fotolia.com

Herr Denef, am vergangenen Montag hat die Katholische Kirche ein zweites Forschungsprojekt zum Thema „Sexueller Missbrauch an Minderjahrigen durch katholische Priester, Diakone und mannliche Ordensangehorige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ vorgestellt. Was halten Sie davon?

Ein Narr ist, wer daran glaubt, dass nach vier Jahren Akten-Aufraumzeit wissenschaftliche Forschungsarbeit noch moglich sei.

Sogar Professor Christian Pfeiffer, beauftragter Leiter des gescheiterten ersten Forschungsprojektes, meinte gegenuber der Deutschen Welle, „inzwischen hat die Kirche dazugelernt“. Warum glauben Sie nicht daran?

Christian Pfeiffer hatte sich schon einmal geirrt, als er 2011 mit der katholischen Kirche ein Forschungsprojekt startete, was dann Anfang 2013 gescheitert ist. Woher er seine heutige Erkenntnis nimmt, dass die Kirche dazu gelernt haben soll, ist mir nicht bekannt. Was wir erleben entspricht auch unseren eigenen Erfahrungen: Die Kirche ist noch nicht so weit sich zu offnen. Sie ist noch nicht fahig, mit ihrer eigenen Verantwortung fur die Opfer sexualisierter Gewalt umzugehen.

Es hei?t, es gabe keine Beschrankungen oder Auflagen fur die Forschungsarbeit.

Wenn die Akten aufgeraumt sind, sind Beschrankungen nicht mehr erforderlich. Von Aktenvernichtung berichtete bereits Professor Pfeiffer, Anfang 2013, als es zum Bruch mit der katholischen Kirche kam.

Bei dem Forschungsprojekt sollen auch Missbrauchsbetroffene direkt einbezogen werden. Eine ausfuhrliche Befragung von bis zu 100 Opfern soll dazugehoren. Erwarten Sie, dass man auch auf Sie zukommen wird?

Nein.

Beim Vatikan selbst hat man eine Kommission zum Thema eingesetzt. Marie Collins, ebenfalls Betroffene und Grunderin einer nach ihr benannten britischen Stiftung gegen Kindesmissbrauch, forderte einen echten Wandel statt leerer Versprechen. Sie kritisierte auch die Au?erung von Papst Franziskus, der vor kurzem meinte, niemand habe mehr gegen sexualisierte Gewalt getan, als die Kirche.

Papst Franziskus berief Marie Collins zusammen mit bislang sieben anderen Mitgliedern in die papstliche Kommission zum Schutz von Minderjahrigen, darunter der Bostoner Kardinal Sean O‘Malley und der deutsche Psychologe und Jesuitenpater Hans Zollner. Die heute 67-jahrige Irin wurde mit 13 Jahren von einem Priester sexuell missbraucht. Als streng glaubige Katholikin sieht sie dort in der Kommission nun ihre Aufgabe darin, die Glaubwurdigkeit der kirchlichen Hierarchien wieder zu festigen. Das kann ich sehr gut nachempfinden, denn als ich 1993 mein Schweigen im Beisein der beiden Tater im Familienkreis brach, glaubte ich auch noch fest daran, dass es moglich sei, die Glaubwurdigkeit der kirchlichen Hierarchien wieder zu festigen.

Erst viele Jahre spater kam ich auf den Gedanken, dass man seine eigene Geschichte nur wirklich begreifen kann, wenn man diese sich von au?en betrachtet, unabhangig und frei von jeglichen Zwangen. Das war 1996 der Anlass fur mich, aus der Kirche auszutreten. Erst nach meinem Kirchenaustritt, fing ich an zu begreifen und konnte realisieren, wie sehr die papstliche Horigkeit bei mir dazu beigetragen hat, diesen Pfarrer, der mich sechs Jahre lang missbrauchte, zu idealisieren und ihm horig und streng glaubig zu unterwerfen. Die Taterschutzer, in meinem Fall der Bischof von Magdeburg und der Papst, hatte ich ja ebenfalls idealisiert und somit kam ich gar nicht auf den Gedanken, sie anzuklagen. Heute kann ich mit Abstand das System der Taterorganisation wahrnehmen und die Zusammenhange begreifen.

Papst Franziskus hat bisher noch nicht auf meinen „Akt der Versohnung“ reagiert. Diesbezuglich bin ich am 6. November 2013 extra nach Rom gereist, um ihm personlich mein Schreiben zu ubergeben. In dieser Angelegenheit konnte ich mir einen Akt der Versohnung vorstellen. Jedoch nicht, indem wir gemeinsam beten, sondern indem wir auf Augenhohe Gesprache fuhren.

Wie beurteilen Sie die Reaktion der Medien und der Politik auf die Enthullungen und die Entwicklungen der vergangenen Jahre? Haben Sie den Eindruck, dass die Entscheidungstrager ihre Verantwortung hier angemessen wahrnehmen?

Seit Anfang 2010, also seit vier Jahren, ist offentlich bekannt, dass die meisten Falle sexualisierter Gewalt nicht aufgeklart werden konnen, weil das durch die bestehenden Verjahrungsfristen nicht moglich ist. Der Staat betreibt hier Taterschutz. Das betrifft nicht nur die Odenwaldschule und kirchliche Einrichtungen, sondern insbesondere auch den familiaren Bereich.

Die Medien haben sich gro?e Muhe gegeben, den Opfern eine Stimme zu geben. In der Politik ist bisher nicht viel passiert. Bisher wurde lediglich das Alter des Opfers ab dem die Verjahrungsfrist einsetzt von 18 auf 21 Jahre angehoben. Die Koalition plant nun, laut Koalitionsvertrag, dass die strafrechtliche Verjahrung von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche zukunftig nicht vor dem 30. Lebensjahr der Missbrauchsopfer einsetzt.

Heiko Maas ist ein positives Beispiel, denn im Jahr 2010 hat er mit deutlichen Worten sich fur die Interessen der Opfer von sexualisierter Gewalt eingesetzt. Er schrieb mir damals: „Kindesmissbrauch ist fur mich, auch als Vater von zwei Kindern, eines der schlimmsten Vergehen uberhaupt. Es darf einfach nicht sein, dass ein solches widerliches und grausames Verbrechen verjahrt und die Tater ungeschoren davonkommen.“

Nun wird sich zeigen, ob er als Bundesjustizminister zu seinen Worten von damals noch steht und diese auch umsetzt.

Welche Fraktionen sind denn dem Anliegen einer Ausweitung der Verjahrungsfristen gegenuber aufgeschlossen, wo sto?en Sie bei dem Thema auf taube Ohren?

netzwerkB hat kurzlich mit einer Postkartenaktion alle Politiker im Deutschen Bundestag, die Justizminister der Bundeslander, Jugend- und Familienminister der Lander, Mitglieder des Ausschusses fur Recht und Verbraucherschutz, alle Bistumer, so wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz uber das besagte Schreiben von Heiko Maas informiert.

Die Linke hat sich dazu bislang noch nicht geau?ert. Ob die Aufhebung der Verjahrungsfristen mehrheitsfahig sei, wurde in dieser Partei bisher nicht diskutiert, gab uns Dr. Alexander Neu, MdB, in einem Interview bekannt.

Dr. Karl-Heinz Brunner, MdB und Mitglied im Rechtsausschuss, sagte uns, dass Heiko Maas bereits angekundigt hatte, die Verjahrungsfristen zu uberarbeiten. In welchen Bereichen ein endgultiger Wegfall von Verjahrungsfristen zu tragen kommen kann, soll sich angeblich am Ende des parlamentarischen Verfahrens zeigen.

Katja Keul, MdB, Sprecherin im Rechtsausschuss von Bundnis 90/Die Grunen ist der Meinung, dass wir da etwas breiter diskutieren sollten, „da musste man gucken was fur Taten sind es, wo wir als Gesellschaft sagen, wo konnen wir, ahnlich wie bei Mord, gar keine Verjahrung ertragen“.

Die rechts- und verbraucherpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker, hat uns kurzlich personlich mitgeteilt, dass sie sich auf den Koalitionsvertrag berufen wurde und zu dem Thema alles gesagt sei. Daru?ber hinaus sehe sie keine Veranlassung zu einem Interview. Des Weiteren bittet sie uns, von weiteren Zusendungen jeglicher Art abzusehen. „Ich werde sie ku?nftig weder annehmen noch aufbewahren“, schrieb sie uns.

Haben Sie sich seit 2010 nochmals personlich an Bundesjustizminister Heiko Maas, der ja selbst ein Mitglied der Katholischen Kirche ist, gewandt und falls ja, wie hat er reagiert?

Das haben wir mehrfach getan. Bundesminister Heiko Maas hat mir kurzlich mitteilen lassen, dass die Vorgabe im Koalitionsvertrag, die strafrechtliche Verjahrung von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche zukunftig nicht vor dem 30. Lebensjahr der Missbrauchsopfer einsetzen zu lassen, vom Bundesministerium der Justiz und fur Verbraucherschutz in einem weiten Sinne verstanden wird und soll auch angeblich in einem solchen Sinne umgesetzt werden. Wortlich hei?t es in dem Schreiben: „Es geht danach nicht etwa nur darum, dass die Verjahrung zukunftig nicht vor Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers eintreten soll. Vielmehr soll zukunftig die – je nach Schwere des Delikts geltende – Verjahrungsfrist nicht vor Vollendung des 30. Lebensjahrs des Opfers zu laufen beginnen.“

Vor kurzem hat netzwerkB eine Umfrage vom Meinungsforschungsinstituts infratest dimap durchfuhren lassen. Die Frage war, ob die Verjahrungsfristen fur Sexualstraftaten an Minderjahrigen abgeschafft werden sollen. Mit dieser Aufhebung wurde sexualisierte Gewalt gegenuber Kindern und Minderjahrigen strafrechtlich auf Ebene mit Mord gestellt. Wie wollen Sie das begrunden?

Wir ko?nnen es in einem Gedankenexperiment verdeutlichen: Wenn ein Opfer von einem Mann fu?r 50 Jahre ins Koma gepru?gelt wird. Warum soll das Opfer nach 50 Jahren, wenn es erwacht, nicht mehr das Recht haben, diese Tatsache zur Anzeige zu bringen?

Nach Auffassung von netzwerkB zeigt sich klar, dass bei sexualisierter Gewalt das Nicht-Erinnern Teil des Verbrechens ist. Auch wenn der Ta?ter diese Verja?hrung nicht intentional erzwingen wollte, so war die Verdra?ngung des Betroffenen aufgrund der schweren Scha?digung doch Teil seiner Tat. Zu deutsch: Er wusste bei der Straftat, dass er den Betroffenen in seiner prinzipiellen Freiheit bescha?digt.

Laut der Umfrage von infratest dimap sind derzeit 86 Prozent der Deutschen der Meinung, strafrechtliche Verjahrungsfristen fur Sexualstraftaten an Minderjahrigen sollten generell aufgehoben werden. Das Volk spricht hier eine klare Sprache – die Politik hinkt da noch etwas hinterher.

Download: Klicken Sie auf die Grafik, um die vollstandigen Umfrageergebnisse aufzurufen.

Eine Aufhebung der strafrechtlichen Verjahrungsfristen wurde „ex nunc“ wirken, also nicht fur die Vergangenheit. Menschen, die in der Vergangenheit Tater geworden sind, wurde eine Aufhebung nicht betreffen.

Die ruckwirkende Abschaffung von Verjahrungsfristen bei sexueller Gewalt gegen Kinder lehnt der Gesetzgeber mit der Begrundung ab, dass sich die Tater/innen auf das Gesetz verlassen konnen sollen. Die Tater/innen also, die bereits zum Zeitpunkt der Ausubung ihrer Straftaten wussten, dass sie das Gesetz brechen – dieses also bewusst taten –, die sich dadurch aber in den meisten Fallen nicht von Wiederholungen abhalten lie?en, notorische Gesetzesbrecher also, sollen darauf vertrauen konnen, dass der Rechtsstaat ein Rechtsstaat ist und sie nicht ruckwirkend fur ihre Straftaten zur Rechenschaft zieht.

Den Betroffenen dagegen, deren Grundrechte durch diese Straftaten massiv verletzt wurden und die haufig fur ihr ganzes weiteres Leben schwer beeintrachtigt sind, kann offenbar zugemutet werden, dass der Rechtsstaat die gegen sie verubten schweren Straftaten ab einem gewissen Zeitpunkt als nicht geschehen betrachtet bzw. „die Rechtsgemeinschaft an deren Ahndung nur noch ein untergeordnetes Interesse hat“, das ist der sogenannte Rechtsfrieden.

Es wird also deutlich: Verjahrungsfristen bei sexueller Gewalt gegen Kinder nutzen nicht den Betroffenen, sondern den Tater/innen. Warum steht der Taterschutz noch immer im Vordergrund dieser Gesetzgebung?

Ergebnisse aus dem Ersten Forschungsbericht zur Reprasentativbefragung Sexueller Missbrauch 2011 des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen.

Am vergangenen Mittwoch ist der Unabhangige Beauftragte fur Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rorig, mit Kabinettsbeschluss fur weitere funf Jahre in seinem Amt bestatigt worden. Wie bewerten Sie diese Entscheidung?

Diese Entscheidung dient aus unserer Sicht nur dazu, der Gesellschaft erneut zu suggerieren: schaut her, wir tun was. Die vergangenen vier Jahre sprechen jedoch eine klare Sprache, namlich dass die Opfer auf die angeblich schnelle Hilfe bis heute immer noch warten. Leere Worte und ein paar Plakate, sowie freiwillige Selbstverpflichtungen hat Herr Rorig in seiner Zeit eingebracht. Das Thema Aufhebung der Verjahrungsfristen hat er von netzwerkB ubernommen und das auch nur halb, denn er setzt sich nicht fur die komplette Aufhebung ein. Dieses verordnete funfjahrige Nichtstun der Politik ist fur uns unertraglich.

Aus unserer Erfahrung heraus dient die Stelle des Bundesmissbrauchsbeauftragten nur dem Hinhalten der Betroffenenverbande, damit am Runden Tisch die gro?en Taterorganisationen ihre Vorstellungen von einer taterfreundlichen Welt weiterhin durchsetzen konnen.

Der Missbrauchsbeauftragte war in den vergangenen Jahren der Verwalter des Versagens der Politik – geplant sind nun weitere funf Jahre.

Weshalb bezeichnen Sie den Missbrauchsbeauftragten als Verwalter des Versagens der Politik?

Wir halten die Ergebnisse des Runden Tischs fur komplett unbrauchbar. Hier nur ein Beispiel: Auf Druck der am Runden Tisch beteiligten Organisationen hin wurde im Sommer 2013 von der Offentlichkeit unbemerkt die Meldepflicht fur Arzte und Therapeuten abgeschafft, Hinweise auf drittverursachte Gesundheitsschaden, einschlie?lich der Angaben der Ursachen und dem moglichen Verursacher, den Krankenkassen mitzuteilen, gema? § 294a Sozialgesetzbuch V. Die Tater bleiben nunmehr von Regressforderungen verschont. Die Kosten werden auf die Allgemeinheit umgelegt. Die Chance auf Beweissicherung wird auch hier unterlassen. Damit wurde der Taterschutz komplettiert.

Sie sprachen eben davon, dass die „gro?en Taterorganisationen“ ihre Vorstellungen von einer „taterfreundlichen Welt“ durchsetzen wollen. Das richtet sich an die Kirchen, oder?

Nicht nur an die Kirchen, sondern u.a. auch an das Schulsystem der Odenwaldschule.

Glauben Sie denn wirklich, dass die vielen katholischen Eltern in Deutschland eine „taterfreundliche Welt“ wollen?

Nein, es ist das gesamte System, welches immer noch den Eltern vermittelt, moglichst nichts zu merken. Mit dem vierten Gebot, „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren“, wird uber die Gewalt innerhalb der Familie nach wie vor ein Deckmantel des Schweigens ausgebreitet. Erst wenn hier das Schweigen ein Ende hat und die Kinder ihre Rechte einfordern konnen, wird die Gewaltspirale innerhalb der Familie durchbrochen.

Medizinische Experten sagen dazu, dass Padophilie eine sexuelle Praferenz ist, die nicht heilbar ist. Es geht hier also um den Umgang mit kranken Personen.

Sie sagen aber auch, dass die Ursachen noch nicht erforscht sind und es steht auch fest, dass man nicht als Verbrecher geboren wird.

Wenn jemand in eine Bank einbricht, oder nur solche Gedanken hat, da kame niemand auf die Idee von einer Krankheit zu sprechen. Kindern Leid zuzufugen ist ein Verbrechen und dann muss man es auch so benennen. Dem Tater, oder auch nur dem, der solche Gedanken hat, hilft man nicht wirklich, wenn man ihm sagt, er sei krank und das bis zu seinem Lebensende.

Norbert Denef bei der Ubergabe von Postkarten mit der Forderung nach der Abschaffung von Verjahrungsfristen bei sexualisierter Gewalt an Minderjahrigen am 20. Februar 2014 in Berlin.

Was halten Sie von Praventionsprojekten, die sich auf – potentielle – Tater fokussieren? Sind die kein Ansatzpunkt?

Doch, ja, die sind schon lange uberfallig und es gab schon immer Therapeuten, die mit ihnen arbeiten, um an die Ursachen ihrer kriminellen Gedanken zu kommen. Bereits 2006 habe ich in der Sendung „Menschen bei Maischberger“ gesagt, dass es wichtig und uberfallig sei, den Tatern zu helfen. Nur wie die Charite es macht, sei falsch, in dem sie von „Liebe und Zuneigung“ spricht.

Meinen Sie die Berliner Charite? Inwiefern spricht man dort falschlicherweise von „Liebe und Zuneigung?“

Mit Liebe und Zuneigung hat sexualisierte Gewalt nichts zu tun, dennoch benutzt die Charite und nicht nur die, sondern ein gesamtes Netzwerk diese Tatersprache. Warum sie sich nicht davon abbringen lassen, trotz jahrelanger Kritik von Opferverbanden, konnen wir nicht verstehen. Wir sind sehr besorgt daruber, dass diese opferfeindliche Sprache in der Gesellschaft seine Wirkung zeigt. Namlich, dass die Tater als bedauernswerte Opfer dargestellt werden.

Und wie wollen Sie nun begrunden, dass kranke Menschen, die hier zum Tater geworden sind, in einer aufgeklarten Gesellschaft wie Morder – also wie jemand, der aus Habgier oder heimtuckisch einen anderen Menschen getotet hat – verfolgt werden sollten?

Wenn ein Kind vergewaltigt wird, sprechen wir von Seelenmord – der, der es tut, ist ein Morder. Es ware wichtig, dass wir als Gesellschaft nach den Ursachen fragen, warum ein Mensch zum Morder wird, und das wird in der Regel leider nicht getan.

Ich stehe in Kontakt mit einem Morder, der lebenslanglich im Gefangnis einsitzt. Er hat seine Eltern getotet. Bei der Verurteilung hat sich niemand fur die Ursachen interessiert. Er wurde als Kind sexuell missbraucht. Er steht zu seiner Tat und erwartet keine Schuldmilderung. Es ware jedoch menschlich, wenn wir als Gesellschaft uns mit den Ursachen beschaftigen, warum es zu solchen Taten kommt. Jeder Mensch hat ein Recht darauf, menschlich behandelt zu werden.

Zuletzt: Was verlangen Sie von der Politik neben der Aufhebung der Verjahrungsfristen im Strafrecht? Wie musste daruber hinaus die Situation von jetzt und in Zukunft betroffenen Menschen konkret verbessert werden?

Es sollte zukunftig moglich sein, dass ein Bundestagsabgeordneter offentlich sagen kann: „Ich wurde sexuell missbraucht.“ Ohne, dass er ausgegrenzt wird. Wenn das moglich sein wird, hat sich in unserer Gesellschaft viel geandert. Die Politik sollte hier eine Vorreiterrolle einnehmen.

 

 

 

 

 




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