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Jesuit Hans Zollner zu sexuellem Missbrauch von Kindern

Weser Kurier
February 17, 2014

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Pater Hans Zollner

[Father Hans Zollner, Jesuit and psychology professor at the Pontifical Gregorian University in Rome, coordinates the Center for Child Protection at the university. Zollner said the Holy See has not delivered 14 years of the required reports to the United Nations so he knew the UN report would be unpleasant. He said Pope Benedict XVI tightened the rules of how abuse cases are handled.]

Die Ermittlungen gegen den SPD–Politiker Edathy bestimmen seit Tagen die Schlagzeilen. Aus der Affäre ist längst eine Krise der Regierungskoalition geworden. Über diese Vorgänge scheinen die Missbrauchsfälle in der Katholischen Kirche aus dem Blickfeld geraten zu sein. Hans Zollner, 1966 in Regensburg geboren, Jesuit und Ordinarius für Psychologie an der päpstlichen Gregoriana-Universität in Rom, wehrt sich gegen den Vorwurf, die Kirche vertusche Missbrauch weiterhin. Zollner koordiniert das Zentrum für Kinderschutz der Gregoriana, das sich unter anderem in Afrika und Asien Prävention und Sensibilisierung im Kampf gegen sexuellen Missbrauch von Kindern zum Ziel gemacht hat. Mit ihm sprach unser Italien-Korrespondent Julius Müller-Meiningen.

„Kirche hält Fälle nicht geheim“

Herr Zollner, sind Sie von der Schärfe des UN-Berichts überrascht, der dem Heiligen Stuhl weiterhin schwere Versäumnisse im Hinblick auf sexuellen Missbrauch von Kindern attestiert?

Hans Zollner: Der Heilige Stuhl hat 14 Jahre nicht die geforderten Berichte geliefert, insofern wussten alle, dass es unangenehm werden würde. Auch mit Enttäuschungen und berechtigtem Ärger wurde gerechnet. Am Anfang des Berichts ist der Ton: Ihr habt eure Hausaufgaben nicht gemacht, aber ihr gebt euch Mühe. Dann folgen allerdings schwere Vorwürfe.

Trifft der Vorwurf zu, die Kirche sei mehr an der Wahrung des eigenen Rufs interessiert, als die Interessen der Opfer zu verfolgen?

Auf die Vergangenheit bezogen stimmt das. Aber heute ist das anders. Der Heilige Stuhl hat sich erstmals dem UN-Komitee gestellt. Benedikt XVI. hat die kirchliche Gesetzgebung verschärft, immer wieder Missbrauchsopfer getroffen und um Verzeihung gebeten. Franziskus hat eine Kommission zu diesem Thema angekündigt. Die Glaubenskongregation hat eindeutig gesagt, dass die Gesetze in dem jeweiligen Land eingehalten werden müssen, ohne Wenn und Aber.

Das Komitee fordert, die Täter müssten angezeigt und den staatlichen Stellen übergeben werden. Warum geschieht das nicht?

Ich bin sehr verwundert, denn die UN müssten eigentlich wissen, dass es in den 190 Ländern, in denen die katholische Kirche aktiv ist, ganz unterschiedliche Gesetze gibt. In Deutschland beispielsweise gibt es keine Anzeigepflicht - auch auf Wunsch von Opferverbänden.

Aber hat nicht gerade die Kirche eine moralische Pflicht zur Anzeige?

Es ist gar keine Frage, dass bei sexuellem Missbrauch von Kindern sofort eingegriffen werden muss. Jeder Fall ist zu viel. Aber dass nicht überall Anzeigepflicht herrscht, hat seine Gründe. So sollen Opfer geschützt werden, die gar keinen Prozess wollen. Eine Person, die vor Jahren sexuell missbraucht wurde, kann bei einer Anzeige, die ohne ihre Zustimmung erfolgt, erneut schwere Schäden davontragen.

Was halten Sie von der Forderung, der Vatikan solle die Missbrauchsfälle öffentlich machen?

Die Akten für jedermann sichtbar zu machen, wäre ein Verstoß gegen die Menschenrechte. Kann ein Unrecht anderes Unrecht rechtfertigen? Welcher Staat überstellt denn seine Akten diesbezüglich den UN?

Im UN-Bericht wird ein Fall als Beispiel zitiert, in dem ein hoher Kurienmitarbeiter, Kardinal Darío Castríllon Hoyos, einen französischen Bischof lobt, der einen Täter nicht angezeigt hat.

Das war im Jahr 2001. 2010 hat Vatikansprecher Lombardi dies als inakzeptabel bezeichnet. Mir kommt vor, als wollte das Komitee solche Fakten gar nicht registrieren. Auch im Fall der irischen „Magdalene laundries“, in denen Mädchen wie „Sklaven“ behandelt wurden, wie der Bericht schreibt. Die Institute wurden zwar von Ordensschwestern geführt, standen aber unter staatlicher Aufsicht. Dies wird ignoriert.

Ein weiterer Vorwurf lautet, die Kirche vertusche Missbrauch weiterhin. Trifft das zu?

Dass die Kirche die Fälle weiterhin geheim hält, ist ein Mythos. Solange jemand nicht strafrechtlich verurteilt ist, kann man bestimmte Informationen nicht öffentlich machen. Die Folgen könnten für Opfer wie mutmaßliche Täter schrecklich sein.

Wo sehen Sie die Defizite der katholischen Kirche beim Umgang mit sexuellem Missbrauch?

Die innerkirchlichen Verfahren sind zu wenig transparent. Die Opfer müssen wissen, an welchem Punkt der kanonische Prozess gegen einen Täter steht. Das ist bisher nicht leicht möglich. Auch die Frage der Mitverantwortung ist noch nicht ausreichend geklärt. Welche Verantwortung hat ein Bischof, der die jeweiligen staatlichen und kirchlichen Rechtsvorschriften nicht befolgt? Wir müssen aber auch besser kommunizieren, dass die katholische Kirche in Afrika, Asien und Lateinamerika die Institution ist, die etwa mit Schulen am meisten für Kinderrechte tut.

Fehlt es in Rom auch an Personal, das die Aufarbeitung der Fälle voranbringt?

In der Disziplinarabteilung der Glaubenskongregation beschäftigen sich etwa 10 Personen mit den Fällen. Es wären dringend mehr Ressourcen für die Aufarbeitung notwendig. Die Vatikanbürokratie ist da allerdings nicht besonders flexibel.

Teilen Sie die Einschätzung, die Kommission mische sich in einigen Punkten in kirchliche Angelegenheiten ein?

Es ist schon gewagt, wenn die UNO fordert, die katholische Kirche müsse ihre Sexualmoral umstellen. Oder wenn insinuiert wird, diese Moral führe zu sexuellem Missbrauch oder zur Beschneidung von Kinderrechten. Das ist falsch.




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