| „es Fehlt Eine Umfassende Aufarbeitung“
Tagesspiegel
February 7, 2014
http://www.tagesspiegel.de/politik/nach-un-bericht-zu-missbrauch-es-fehlt-eine-umfassende-aufarbeitung/9444078.html
Das UN-Kinderschutzkomitee hat ein hartes Urteil gefallt: Die katholische Kirche gehe mit den Missbrauchsfallen fahrlassig um, wolle sich der weltlichen Justiz entziehen und befordere sogar noch die Fortsetzung des Missbrauchs. Sind die Vorwurfe gerechtfertigt?
Die UN schauen auf die Kirche weltweit. Da kann ich mir kein Urteil bilden. In Deutschland hat die Kirche ernsthafte Anstrengungen unternommen, um die Falle aufzuarbeiten. Aber es fehlt eine umfassende Aufarbeitung. Die Zusammenarbeit mit dem Kriminologen Christian Pfeiffer scheiterte vor einem Jahr.
Ein Nachfolger ist noch nicht bekannt.
Der UN-Kinderrechtsausschuss prangert auch Missstande in Deutschland an. Kinder seien in Schulen nicht ausreichend vor sexuellen Ubergriffen geschutzt, und es mangele an Beratungsstellen.
Da spricht mir das Komitee aus der Seele. Besonders in landlichen Gebieten und fur Jungen und Menschen mit Migrationshintergrund fehlt es an spezialisierten Beratungsstellen. Vielen Einrichtungen fehlt es an Geld und Personal.
|
Johannes-Wilhelm Rorig. - FOTO: THILO RUCKEIS
|
Auch Ihre Funktion wird in dem Bericht angesprochen. Es wird bemangelt, dass die Stelle des Unabhangigen Missbrauchsbeauftragten nicht gesetzlich und somit auf Dauer verankert ist. Sie verhandeln daruber seit Monaten mit der neuen Bundesregierung. Haben Sie Hoffnung?
An der Bereitschaft, das Amt eines Missbrauchsbeauftragten und die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs gesetzlich zu verankern, wird sich zeigen, wie ernst es der Koalition mit der Bekampfung von Missbrauch ist.
Die UN fordern auch, dass die Bundesregierung die Aufklarung der Missbrauchsfalle nicht den einzelnen Institutionen uberlassen soll. Was konnte sie tun?
Sie sollte eine unabhangige Kommission zur Aufarbeitung einsetzen. Das Gremium sollte beim Missbrauchsbeauftragen angesiedelt sein und von funf, sechs Wissenschaftlern unterschiedlicher Richtungen getragen werden. Auch hier mussten Datenschutzrichtlinien und Kirchenrecht berucksichtigt werden. Fur all das braucht es eine gesetzliche Grundlage. Bei der vorhergehenden Regierung hatte ich oft das Gefuhl, gegen Wande anzurennen. Jetzt steht immerhin im Koalitionsvertrag, dass die unabhangige Aufarbeitung gesichert werden soll.
Der UN-Bericht fordert Kirche und Staat auf, Opfer angemessen zu entschadigen. 2011 hatten Bund und Lander zugesagt, einen Fonds zu errichten, aus dem Betroffene Sachleistungen bis zu 10 000 Euro beantragen konnen. Doch nur die Bundesregierung hat bislang 50 Millionen eingezahlt. Was ist mit den Landern?
Bisher hat nur Mecklenburg-Vorpommern eingezahlt, Bayern hat eine Zahlung verbindlich zugesagt. Das ist ein Hohn fur die Betroffenen – zumal die damaligen Justiz-, Familien- und Forschungsministerinnen 2011 versprachen, dass „unburokratisch und schnell“ gehandelt werde. Der Fonds ist fur Menschen, die in der Familie missbraucht wurden. Auch mit den Kirchen wurde eine Regelung getroffen. Aber es ist noch nicht klar, welche Hilfen es fur Menschen geben soll, die zum Beispiel in offentlichen Einrichtungen geschadigt wurden oder in Sportvereinen und Institutionen der Wohlfahrtspflege.
|