| Un-bericht Zum Kinderschutz: „ansporn“, Aber Mit Blinden Flecken
Radio Vatikan
February 7, 2014
http://de.radiovaticana.va/news/2014/02/06/un-bericht_zum_kinderschutz:_%E2%80%9Eansporn%E2%80%9C,_aber_mit_blinden_flecken/ted-770697
[Fr Hans Zollner: The Church is committed to safeguarding children]
Als zusatzlichen „Ansporn“ fur die Arbeit des Heiligen Stuhles im Bereich Kinderschutz wertet der Vizerektor der Papstlichen Universitat Gregoriana die Empfehlungen des UN-Kinderrechtskomitees (UNCRC). Das Expertengremium ist in seinem Bericht am Mittwoch mit dem Heiligen Stuhl hart ins Gericht gegangen und hat ihm Mangel im Bereich des Kinderschutzes vorgeworfen. Es war das erste Mal, dass sich der Heilige Stuhl der turnusma?igen Evaluierung durch das UNCRC stellte. Das wurde auch hochste Zeit, halt Jesuitenpater Hans Zollner im Interview mit Radio Vatikan zunachst fest. Zollner ist mit dem Zentrum fur Kinderschutz der Gregoriana, das die papstliche Uni in Zusammenarbeit mit dem Erzbistum Munchen und Freising und der Klinik fur Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uni Ulm auf die Beine stellte, seit Jahren in der Praventionsarbeit der katholischen Weltkirche aktiv.
„Ich habe den Eindruck, dass sich der Heilige Stuhl keinen Gefallen damit getan hat, dass er vierzehn Jahre lang nicht die entsprechenden Berichte, die eingefordert wurden, lieferte und sich erst jetzt entschlossen hat, nach Genf zu gehen, um sich dem zu erwartenden Fegefeuer auszusetzen. Das war fur die Leute – ich habe mit jemandem gesprochen, der dort prasent war – hochst schwierig und unangenehm. Naturlich mussten da die Vertreter des Heiligen Stuhls alles auf sich nehmen, was sich an Wut, Enttauschung und auch berechtigtem Arger uber sie ergoss.“
Doch auch wenn das Genfer Urteil streng ausfiel – stehen geblieben war Rom in punkto Kinderschutz freilich nicht. Insbesondere im Kampf gegen sexuellen Missbrauch hat der Vatikan laut Zollner „in den letzten dreizehn Jahren“ eine Null-Toleranz-Politik eingeleitet, die im Vergleich zu anderen Staaten in einigen Punkten zeitweise beispiellos war. Diese Anstrengungen wurden in dem immerhin 16-seitigen UN-Bericht wenig berucksichtigt, so Zollner:
„Ich habe den Eindruck, dass es in dem Bericht um viele Dinge geht, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten falsch gelaufen sind, wo es auch tatsachlich viel gab, was die Kirche nicht umgesetzt hat. Aber die jungsten Bemuhungen des Heiligen Stuhls scheinen mir nicht in genugendem Ma? widergespiegelt zu sein: die Bemuhungen um mehr Transparenz, den Versuch, das Kirchenrecht neu zu definieren und neue Normen einzufuhren.“
Schlechtes Zeugnis fur den Heiligen Stuhl
Lobend anerkannt wird im Bericht zwar die geplante Einrichtung einer vatikanischen Kinderschutzkommission, welche die Glaubenskongregation unterstutzen soll. Auch hebt die Kommission die weltweite Basisarbeit der katholischen Kirche im Bereich Kinderschutz hervor. Insgesamt stellt die UNO dem Heiligen Stuhl in ihrem Bericht aber ein schlechtes Zeugnis aus: Die Kinderschutzarbeit werde in der Praxis nicht systematisch genug weltweit umgesetzt, auch das Kirchenrecht musse hier nachgebessert werden. Zum Thema sexueller Missbrauch zahlt der Bericht eine ganze Reihe Verfehlungen auf, die sich auf die katholische Weltkirche beziehen: Missbrauchsfalle seien auf hochster Ebene vertuscht worden, Tater lediglich versetzt worden und straflos geblieben, und zivile Behorden seien nicht informiert worden. Stimmt ja alles, urteilt Zollner - wenn auch eben heute nicht mehr unbedingt. Zu den zitierten Fallen habe der Heilige Stuhl im ubrigen klar Stellung bezogen.
„Das ist alles unumwunden auch mehrfach schon gesagt worden: Es ist ohne Umschweife gesagt worden, dass es da gro?es Unrecht und Verbrechen gegeben hat. Insofern sind die Punkte, die im UN-Bericht genannt werden, keine neuen Sachen.“
Nachbesserungsbedarf fur den Heiligen Stuhl sieht der Jesuit beim Tempo der Bearbeitung von Missbrauchsfallen an der Glaubenskongregation – diese sei durch die Zahl der Falle teilweise uberfordert gewesen – und bei der Prozessordnung. Diese muse transparenter werden, so Zollner. Auch musse dringend die Frage der Mitverantwortung der Bischofe und Ordensoberen bei Missbrauchsfallen in den jeweiligen Ortskirchen geklart werden, um Vertuschung und Straflosigkeit in Zukunft unterbinden zu konnen:
„Welche Mitverantwortung haben die Bischofe oder die hoheren Ordensverantwortlichen, wenn sie wussten von einem Missbrauch, der durch einen Prietser o.a. geschehen ist, und die nicht entsprechend den kirchlichen und staatlichen Normen gehandelt haben? Das ist einer der wichtigsten Punkte, die unbedingt gelost werden mussen, weil das ein standiger Skandal ist und vor allem auch in den USA eine gro?e straf- u zivilrechtliche Implikation hat.“
„Wenn man in Rom auf den Knopf druckt...“
Einige Forderungen des UN-Kinderrechtskomitees findet der Jesuit aus verschiedenen Grunden nur schwer zu verwirklichen. Etwa die nach einem „Mechanismus auf hoher Ebene“, der den Schutz der Kinderrechte weltweit in allen Einheiten – vom Papstlichen Rat bis hin zum jeweiligen Ortspfarrer – garantieren soll (vgl. Punkt 16 und 20 im Bericht). Das UN-Komitee gehe wohl vom Trugschluss aus, dass die katholische Kirche problemlos „in allem durchregieren und durchgreifen“ konne, so Zollner:
„Wenn man also in Rom auf den Knopf druckt, dann soll das so auch in Kongo und Brasilien funktionieren. So kann es aber nicht funktionieren, weil wir in der internationalen Perspektive sehen mussen, dass es ganz unterschiedliche Rechtskulturen gibt, dass es auch Rechtsvorschriften gibt, die unterschiedlich sind, und dass die katholische Kirche nur das tun kann, was der jeweilige Staat fordert.“
Nach Ma?gabe der Glaubenskongregation sind die Verantwortungstrager der Ortskirchen dazu angehalten, mit den zivilen Behorden des jeweiligen Landes zusammenzuarbeiten und sich an das dort jeweils gultige Strafrecht zu halten. Dieses variiert aber von Staat zu Staat: So gibt es in einigen Landern eine Anzeigepflicht, in anderen aber nicht, so etwa in Deutschland oder Italien.
Ein zweiter Punkt: Kinderschutz sei in den Landern der Welt, in denen die katholische Kirche aktiv sei, teilweise ein Fremdwort, erinnert Zollner. Von einem wirksamen einheitlichen Vorgehen konne hier also keine Rede sein. In vielen Landern – vor allem Afrikas und Asiens – leiste gerade die katholische Kirche in diesem Bereich Pionierarbeit. Zollner:
„Die katholische Kirche bemuht sich und ist in vielen Landern dieser Welt vielleicht die einzige Gro?organisation, die in diesen Landern uberhaupt etwas zum Schutz von Kindern tut. Denken wir nur an viele Teile Afrikas, Asiens oder Lateinamerikas, wo vielleicht Kinderrechtskonventionen bestehen oder wo in der Verfassung steht, dass meinetwegen Eheschlie?ung erst mit 18 moglich ist, de facto aber Kinder mit zwolf, dreizehn, vierzehn schon verheiratet werden.“
Zollner, der mit seinen Mitarbeitern u.a. in Landern Afrikas und Asiens Pravention und Sensibilisierung im Kampf gegen sexuellen Missbrauch leistet, kennt solche Diskrepanzen aus erster Hand. Auch die Ungereimtheiten der Statistik:
„Wenn man sich die horrenden Zahlen anschaut von Missbrauch in manchen asiatischen Landern – ich wundere mich da, dass zum Beispiel auch in den offiziellen Statistiken der UNO Zahlen genannt werden von sexuellem Missbrauch an Kindern, die weit unter dem liegen, was offizielle Staatsstatistiken zum Beispiel aus Indien schon vor Jahren haben erkennen lassen.“
Wahrend der UN-Bericht auf der einen Seite vom Heiligen Stuhl ein weltweit griffiges Vorgehen fur den Kinderschutz einfordert, bleibt das Papier fur Zollner im weltweiten Blick auf sexuellen Missbrauch zuruck:
„Es werden Einzelfalle genannt, meines Erachtens sehr zufallig. Denn wenn man die weltweite Situation ansieht, konnte man noch sehr viele andere Falle nennen. Es werden einzelne Lander herausgegriffen, etwa Irland, wo es einen Riesenskandal gegeben hat. Aber andere Lander etwa in Afrika oder Asien kommen uberhaupt nicht vor. Da sieht man, wie auch so eine UN-Kommission ihre eigenen Grenzen hat.“
Insgesamt nimmt der Jesuit den UN-Bericht als konstruktive Kritik auf. Er pladiert dafur, entschieden auf dem Weg der Missbrauchsbekampfung weiterzugehen. Die Konfrontation mit dem Urteil des UN-Komitees, das empfehlenden Charakter hat, sieht der Jesuit als einen notwendigen Schritt in diesem Prozess. Insgesamt musse es um einen offensiven Umgang mit dem Thema gehen, um glaubwurdig zu sein. Zollner:
„Wir mussen uns daruber im Klaren sein, dass wir uns nicht weiter verstecken konnen. Wir mussen das, was wir wollen, auch sagen, und mussen das, was wir tun, auch kommunizieren! Ich glaube, dann kann man ein Vertrauen wiedergewinnen, das schwer erschuttert wurde oder verloren gegangen ist.“
|