| Taterschutz Von Ganz Oben
The Taz
February 6, 2014
http://www.taz.de/Kommentar-UNO-kritisiert-Vatikan/!132441/
Bei oberflachlichem Hinsehen mochte man meinen: Alles wie gehabt. Der Vatikan steckt Prugel ein, muss sich erneut nicht blo? den massenhaften Missbrauch von Kindern durch Angehorige des Klerus, sondern obendrein auch die flachendeckende Vertuschung dieser Verbrechen vorwerfen lassen – und hat als Reaktion auf die Vorwurfe wieder einmal die gut eingeubte Beleidigte-Leberwurst-Nummer zu bieten.
Den Aufschlag machte diesmal die UNO-Kinderrechtskommission. In einem Report, der auf die der Kirche so lieben diplomatischen Relativierungen vollig verzichtet, liefert die Kommission eine gnadenlose Abrechnung.
Da geht es nicht blo? um die zehntausenden Missbrauchsfalle der vergangenen Jahrzehnte, sondern auch um den Umgang der Kirche mit ihnen: um das jahrzehntelange Herunterspielen, um den Eifer, mit dem der Vatikan den Deckel draufhielt, um die Sorge, ja blo? nichts nach au?en dringen zu lassen; um eine Politik, die den Opferschutz hintanstellte und sich vor allem dem Taterschutz widmete, per Schweigegebot bei Exkommunikationsandrohung fur alle, die von den Fallen wussten; um „Losungen“, die in der puren Versetzung der Tater von einer Pfarrei zur andren bestanden – wo sie dann frohlich weitermachen konnten; um den Verzicht der kirchlichen Hierarchien darauf, die weltlichen Strafverfolgungsbehorden einzuschalten.
All dies sind Fakten, die nach der Welle der Missbrauchsskandale in der Kirche nur allzu bekannt sind – wenigstens denen, die sie zur Kenntnis nehmen wollten. Und doch ist durchaus nicht alles wie gehabt. Denn diesmal ist es ein UN-Organ, das ganz offiziell mit dem Vatikan abrechnet. Mehr noch: das dem Vatikan Vertragsbruch vorwirft. „Einmischung“ ist das nicht – schlie?lich hat auch der Heilige Stuhl die UN-Kinderrechtskonvention unterzeichnet und sich damit ganz offiziell der Beobachtung durch die Kommission unterworfen.
Zweifel an der These sind erlaubt
Und die Kirche? Sie reagiert, wieder einmal, tief beleidigt. Da ist zum einen das Argument, unter Benedikt XVI. seien doch immerhin in den Jahren 2011-2012 stolze 400 Priester zwangsweise in den Laienstand versetzt worden, weil sie sich Ubergriffe gegen Kinder zuschulde kommen lie?en. Die Botschaft ist klar: Die Wende ist doch schon vollzogen, und zwar durchaus nicht erst unter Franziskus, sondern schon unter seinen Vorgangern Wojtyla und Ratzinger. Zweifel an dieser These sind erlaubt.
Gewiss, Padophile haben es heute schwerer in der romisch-katholischen Kirche – und doch wird man den Eindruck nicht los, dass bislang weiterhin ein Kriterium ungebrochen gilt: dass der Ruf der Institution wichtiger sei als das Schicksal der Opfer.
Denn – und auch dies moniert der Report – der Vatikan hat bisher nie wirklich reinen Tisch gemacht und seine eigenen Archive geoffnet. Auch jetzt wieder erfahren wir, das gehe nicht; schlie?lich musse der „Zeugen- und Opferschutz“ gewahrt bleiben. Wie immer schon werden mithin die Opfer am besten dadurch geschutzt, dass die Falle unter der Decke und die Tater anonym bleiben.
Das Fleisch ist eben schwach
Und da ist zum anderen das routiniert abgespulte Argument – diesmal geboten vom Vatikan-Nuntius in Genf, Silvano Tomasi – die ganze Missbrauchsdiskussion gehe recht eigentlich gar nicht in besonderer Weise den Klerus an. Schlie?lich gebe es padophile Ubergriffe uberall, selbst in den am meisten geachteten Berufsgruppen der Welt – da ist es dann in dieser Logik gleichsam unvermeidlich, dass auch immer mal wieder ein Priester unter den Tatern auftaucht.
Dieses Argument hat einen schonen Vorteil: Es beendet die Diskussion statt sie zu eroffnen, mit einem albern-verniedlichenden Verweis darauf, dass das Fleisch eben schwach und Sunder uberall sind. Ganz so einfach ist es nicht, und sei es blo?, weil Priester ganz andere Moglichkeiten haben, zum padophilen Missbrauch zu schreiten als, sagen wir einmal, ein Rechtsanwalt.
Doch unter Franziskus soll alles ja ganz anders werden. Eine neue Vatikan-Kommission ist eingesetzt, die sich dem Umgang der katholischen Kirche mit den Missbrauchsfallen widmen soll. Wie auf so vielen anderen Fallen auch hat Papst Bergoglio sich allein mit dieser Ankundigung als kraftvoller Neuerer inszeniert. Auch zu diesem Thema allerdings stehen die Taten noch aus.
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