| Uno-bericht Zu Kinderrechten in Der Kirche
Spiegel
February 6, 2014
http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/uno-bericht-zu-katholischer-kirche-report-der-doppelmoral-a-951744.html
Die Uno kritisiert die katholische Kirche fur ihren Umgang mit Kindern - insbesondere Missbrauch, Vertuschung, Zuchtigung. Das Fazit: Der Vatikan schutze seinen Ruf, nicht die Rechte Minderjahriger. Der Report ist eine weltliche Abrechnung mit der kirchlichen Doppelmoral.
Hamburg - Es ist ein Aufeinanderprallen zweier Welten: Die Vereinten Nationen, gegrundet, um den Weltfrieden zu sichern - und die Weltkirche, die seit jeher Sonderrechte pflegt und verteidigt, vor allem gegen einen sich wandelnden Zeitgeist. Die Vereinten Nationen haben dem Vatikan in ihrem aktuellen Bericht zu Kinderrechten ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Der Kirchenstaat sei vor allem darauf bedacht, sich selbst zu schutzen - nicht aber die Kinder in seiner Obhut. Schadensbegrenzung hei?t aus Sicht der katholischen Kirche demnach, Schaden von der eigenen Reputation abzuwenden.
Das Uno-Komitee fur die Rechte des Kindes halt der Kirche einen weltlichen Spiegel vor. Sein Bericht leistet nicht weniger, als die Doppelmoral der Kirche zu enttarnen. Er zeigt Punkt fur Punkt auf, wie die Kirche den Schutz der Schwachen versaumt und sich zur Rechtfertigung hinter Glaubensgrundsatzen verschanzt.
Auf die Veroffentlichung folgte prompt die reflexartige Reaktion aus Rom. Der Bericht, der unter anderem den Umgang der katholischen Kirche mit Homosexualitat und Abtreibung anprangert, sei der Versuch eines Eingriffes in die katholische Lehre, hie? es. Tatsachlich legt der Bericht Ma?stabe an, die den katholischen Glaubensgrundsatzen widersprechen. Die Uno setzt die Kinderrechte absolut. Sie sind die Grundlage der Bewertung.
So sehr die katholische Kirche auf ihren Grundsatzen beharrt, so sehr offenbart sich, wie lebensfern einige der Uberzeugungen heute anmuten. Der Report der Vereinten Nationen macht deutlich, zu welchen Mitteln die Kirche greift, um die Diskrepanz zwischen Glaubensgrundsatzen und weltlicher Realitat zu kaschieren.
Welche Punkte prangert der Uno-Bericht an?
1. Die Kirche schutzt Kinder nicht ausreichend vor Diskriminierung.
Im Gegenteil: Allein durch die Bezeichnung 'au?ereheliche Kinder' wurden diese benachteiligt, schreibt die Uno. Zudem diskriminiere die Kirche Homosexuelle und somit auch Jugendliche und Kinder, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften aufwachsen. Die Uno fordert den Vatikan auf, die Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung zu stoppen und in katholischen Schulbuchern auf Geschlechtsstereotype zu verzichten.
2. Die Kirche stellt ihre eigenen Interessen uber die der Kinder. "Das Komitee ist besorgt daruber, dass die Kirche im Umgang mit sexuellem Missbrauch stets den Ruf der Kirche und die Interessen der Tater uber den Schutz der Kinder gestellt hat", hei?t es in dem Bericht. So deutlich wurde der Kirche ihr Versagen selten attestiert. Die Uno rat dem Vatikan, ein Papier zu verteilen, welches darlegt, dass in Missbrauchsfallen das Interesse des Kindes im Vordergrund stehen solle.
3. Die Kirche nimmt Kinder nicht ernst genug.
Katholische Schulen und Einrichtungen der Erwachsenenbildung sollen Madchen und Jungen anhoren, wenn es um ihre Belange geht.
4. Die Kirche verwehrt Kindern das Recht auf Herkunft.
Vor allem die Kinder von Priestern erfahren oft nicht, wer ihr leiblicher Vater ist - die Kirche schutzt die Vertuschung, statt Konzepte zu entwickeln, die der Vaterschaft von Geistlichen gerecht werden. Explizit prangert der Bericht an, dass Frauen, die ein Kind von einem Priester erwarten, durch Zahlungen der Kirche dazu bewegt werden sollen, zu schweigen. Durch das Geld erkauft sich die Kirche Verschwiegenheit, statt die Situation der Kinder zu verbessern. Auch durch Baby-Klappen wird Kindern aus Sicht der Uno ihr Recht auf Herkunft verwehrt. Vielmehr musse die Kirche Hilfestellungen bieten, um Schwangere zu unterstutzen und uber Verhutungsmoglichkeiten aufzuklaren.
5. Die Kirche bietet Kindern keinen ausreichenden Schutz vor korperlicher Gewalt.
Als besonders grausames Beispiel nennt der Bericht die Magdalenen-Heime in Irland. Junge Frauen wurden dort bis zum Jahr 1996 gezwungen, ohne Entlohnung korperlich harte Arbeit zu verrichten. Es kam dort auch zu korperlichen Misshandlungen. Die Uno kritisiert: "Es wurde nichts unternommen, um das Verhalten der Ordensschwestern, die die Waschereien betrieben, zu untersuchen, und es wurde nicht mit staatlichen Ermittlern kooperiert, um die fur den Missbrauch Verantwortlichen und diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die von der Arbeit der Madchen profitierten." Die Uno mahnt au?erdem Ausgleichszahlungen und eine intensive Aufarbeitung an.
6. Die Kirche tut zu wenig, um korperliche Zuchtigung zu verbieten.
Die Uno fordert vom Vatikan, Schlage in allen katholischen Schulen zu verbieten und zu ahnden.
7. Die Kirche schutzt Kinder nicht ausreichend vor sexuellem Missbrauch.
Die Uno attestiert der Kirche Nachlassigkeit im Umgang mit den Tatern: Diese wurden durch interne Versetzungen geschutzt - dadurch wurden immer neue Kinder gefahrdet. Die Kirche schutzt laut Uno die Tater au?erdem vor einer Strafverfolgung durch die staatlichen Behorden und sichert ihnen Stillschweigen zu. Die Vereinten Nationen nennen den Fall des kolumbianischen Kardinals Hojos, der 2001 einem Bischof dazu gratulierte, des Missbrauchs verdachtige Geistliche nicht mit Namen zu nennen. Die Uno rat der Kirche, den Dialog mit Opferorganisationen zu suchen, mit staatlichen Ermittlungsbehorden zusammenzuarbeiten und den Missbrauch ernst zu nehmen.
8. Die Kirche entzweit Kinder und ihre Eltern.
Organisationen wie die Legionare Christi sorgen laut Uno dafur, dass sich Kinder und Jugendliche von ihren Familien entfremden. Die Uno spricht von einer Manipulation durch Gruppen, die der Kirche nahestehen. Vergleichbares schildern auch Eltern, die ihre Kinder an das Engelwerk verloren haben.
9. Die Kirche schutzt die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen nicht ausreichend.
Die Uno kritisiert das grundsatzliche Verbot von Verhutung und Abtreibung. Benannt werden sexuell ubertragbare Krankheiten sowie HIV. Au?erdem weist die Uno auf die hohe Muttersterblichkeit in einigen Landern hin. Explizit verweist der Bericht auf einen Fall aus dem Jahr 2009. Eine neunjahrige Brasilianerin war damals mutma?lich von ihrem Stiefvater vergewaltigt worden und schwanger. Ein Arzt nahm eine Abtreibung vor. Als Reaktion wurden der Mediziner und die Mutter des Madchens exkommuniziert.
10. Die Kirche tut zu wenig fur den Opferschutz.
Der Report bemerkt, dass Familien, deren Kinder in katholischen Einrichtungen misshandelt wurden, durch religiose Autoritaten eingeschuchtert worden sind. Ziel sei es gewesen, die Opfer kleinzuhalten. Stattdessen mussten die Opfer bestarkt und unterstutzt werden, schreibt die Uno.
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