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Pfeiffer:
" Die Sünden Der Vergangenheit Müssen Offengelegt
Werden"
Deutsche Welle February 5, 2014
http://www.dw.de/pfeiffer-die-s%C3%BCnden-der-vergangenheit-m%C3%BCssen-offengelegt-werden/a-17410074
[Summary: Christian Pfeiffer, director of the
Criminological Research Institute of Lower Saxony, once headed a
research project on behalf of the Catholic Church to examine
cases of abuse by priests. He called for more transparency in
handling the files and then his contract for the research was
ended by the church in early 2013. Pfeiffer said the United
Nations is correct in its criticism of the church. In the 1950s
through 1970s priests were allowed to continue to work and were
not punished.]
Christian Pfeiffer ist Direktor des
Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. Er war im
Auftrag der Katholischen Kirche Leiter eines
Forschungsprojektes, das die Missbrauchsfälle durch Priester
untersuchen sollte. Nachdem er mehr Transparenz in der
Aktenbearbeitung gefordert hatte, löste die Katholische Kirche
den Vertrag Anfang 2013 auf.
DW: Herr Pfeiffer, die Vereinten Nationen haben
den Vatikan wegen Tausender Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch
aufgefordert,
sich von überführten oder verdächtigen Priestern zu trennen. Was
halten Sie von dieser Initiative der UN und wie realistisch ist
es, dass sie Erfolg hat?
Christian Pfeiffer: Ich denke, die Vereinten Nationen
haben recht. Wir konnten bei der von uns begonnenen und dann
später abgebrochenen Forschung klar feststellen, dass in früheren
Jahren, also in den 1950er, 60er, 70er Jahren offenkundig viele
Priester weiter arbeiten durften mit veränderten Arbeitsinhalten.
Sie wurden versetzt, aber sie wurden nicht unbedingt immer
bestraft. In der Gegenwart sieht das anders aus. Wenn heute ein
Priester einen sexuellen Missbrauch verübt, dann verliert er
seinen Job und dann wird er kirchenrechtlich bestraft und vor
allem bekommt er auch seine staatliche Strafe. Da hat es einen
Wandel gegeben, aber im Hinblick auf die Altfälle mag es noch
viel aufzuarbeiten geben. Von daher ist es absolut berechtigt,
wenn die Vereinten Nationen die Kirche auffordern, weltweit hier
mit klaren Regeln zu arbeiten.
Es gab in den vergangenen Jahren ein großes
Medienecho auf diese Missbrauchsfälle, aber so, wie Sie es
beschreiben, gab es anscheinend bei weitem nicht genug, um
diesen Skandal in seiner Größe zu zeigen.
Die Kirche hatte die löbliche Absicht, das zu tun. Das
mit uns angelegte Forschungsprojekt sollte sämtliche Fälle des
Missbrauchs von 1945 bis zur Gegenwart analysieren. Aber dann
mussten wir selber bald feststellen, dass dem schon dadurch
Grenzen gesetzt waren, dass in vielen Fällen die Akten gar nicht
mehr die unzerstörten ursprünglichen Inhalte hatten. Da war viel
vernichtet worden und es gab leider keine Transparenz, in welchem
Ausmaß uns denn überhaupt noch Akten für die Forschung zur
Verfügung stehen werden, die eine lückenlose Aufklärung
ermöglichen.
Als wir das dann angemahnt haben, kam die Kündigung.
Inzwischen hat die Kirche dazugelernt. Sie ist jetzt dabei, einen
neuen Forschungsantrag auszuhandeln mit Kollegen. Es ist noch
nicht öffentlich, wer das sein wird. Aber sie hat auf jeden Fall
einen Beirat eingesetzt, der mit renommierten Kollegen besetzt
ist, die der Kirche auf die Finger schauen. Also das, was uns
damals geschehen war, Androhung von Zensur und Ähnliches, das
wird es in Zukunft nicht mehr geben. Von daher stimme ich der
Tendenz des UN-Berichtes zu: dass die Kirche dabei ist, aus
Fehlern zu lernen, auch in Deutschland.
Die Kirche lernt aus Fehlern, aber das, was Sie
vorhin beschrieben haben, bedeutet ja, dass der ursprünglichen
Straftat später weitere folgten, dann wohl von Mittätern, die
diese Akten vernichtet haben?
Von Mittätern nein. Das ist Kirchenrecht, und diese
kirchenrechtliche Bestimmung ist problematisch. Die Kirche muss
danach bei gestorbenen Priestern und bei solchen, deren Tat mehr
als zehn Jahre zurückliegt, den Teil der Akte vernichten, der
detailliert beschreibt, was da alles vorgefallen ist. Da sollte
sie heute endlich für Klarheit sorgen und sich auch darum
bemühen, diese Vorschrift ihren guten Absichten anzupassen, damit
überhaupt Chancen bestehen, rückwärts aufzuklären, wie man in den
50er, 60er, 70er Jahren mit solchen Tätern umgegangen ist.
Aber das bedeutet doch, dass man das
unterschiedlich handhaben kann. Es werden doch nicht automatisch
alle Akten vernichtet worden sein von Priestern, die Straftaten
begangen haben und gestorben sind, oder doch?
Nein, sie sind hoffentlich zum großen Teil nicht
vernichtet worden. Wir haben nie Transparenz darüber bekommen, in
welchem Ausmaß das stattgefunden hat, welche Chancen
Forschungsaufklärung noch hat. Ich bin sicher, unsere Nachfolger
werden das einfordern und auch erhalten und erst dann wird es
möglich sein, zu sagen: Wir sind in der Lage lückenlos rückwärts
aufzuklären. Erst dann ließe sich feststellen, wieviele Priester,
obwohl sie eine massive Straftat begangen hatten, im Amt bleiben
konnten und oft dann an einem anderen Ort, falls man sie versetzt
hat, erneut Missbräuche begangen haben.
All diese Sünden der Vergangenheit sollten ja
offenkundig werden. Jetzt ist das nur noch eingeschränkt möglich.
Aber was überhaupt geht, das wird erst klar, wenn der neue
Forschungsantrag öffentlich wird und man sehen kann, in welchem
Ausmaß Akten bereits so vernichtet sind, dass man mit ihnen nicht
mehr vernünftig forschen kann.
Gibt es denn keine rechtliche Handhabe, dass
die Kirche diese Akten herausgeben muss?
Hätte sich die Kirche vertraglich gegenüber
Wissenschaftlern verpflichtet, das zu tun, dann hätte es eine
rechtliche Verpflichtung gegeben. Uns gegenüber war das nicht
geschehen. Es wird jetzt entscheidend darauf ankommen, wie der
neue Vertrag aussieht, und ob die Nachfolger das dann notfalls
einklagen können, die Akten zu erhalten. Auf diesem Weg wäre es
machbar. Ansonsten bliebe das alles Kirchenrecht. Und niemand
kann die Kirche zwingen, bestimmte Dinge zu tun oder zu
unterlassen.
Auch die Bundesanwaltschaft nicht?
Nein. Solange die Kirche ihre Verpflichtungen erfüllt,
die von ihr vor zwölf Jahren glaubhaft eingegangen wurden, dass
sie alles meldet an die Staatsanwaltschaft, was ihr zum
Missbrauch von Priestern bekannt wird, dann können ja die
Staatsanwälte ihrerseits ihre Ermittlungen durchführen und
brauchen die kirchlichen Akten nicht. Das läuft schon alles
korrekt. Für die Forschung ist allerdings entscheidend, was mit
den Akten von 1945 bis in die Gegenwart geschehen ist. Wie weit
stehen die noch vollständig zur Verfügung. Zu welchem Anteil ist
ihr Kernbestand über das jeweilige Missbrauchsgeschehen zerstört
worden? Das alles kann aber ich nicht beurteilen, weil man uns
diese Auskunft im Herbst 2012 verweigert hatte und wir die
Kündigung erhielten.
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