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Erzbischof
Müller: 'Separatistische Tendenzen' Schaden Der Kirche
Kath.net February 1, 2014
http://www.kath.net/news/44725
[with video]
Summary: Archbishop Gerhard Ludwig Mueller, prefect of
the Congregation for the Doctrine of the Faith, has warned local
church against "separatist tendencies." Episcopal conferences
should never write arbitrary explanations or relativize church
dogmas.
Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre warnt
Ortskirchen vor "separatistischen Tendenzen" und regionalen
Sonderwegen. Bischofskonferenzen könnten niemals eigenmächtige
Erklärungen abfassen, die die Dogmen der Kirche relativieren
Vatikanstadt (kath.net/KNA) Der Präfekt der
vatikanischen Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig
Müller, hat die Ortskirchen vor regionalen Sonderwegen gewarnt.
«Separatistische Tendenzen» nationaler Bischofskonferenzen würden
der Kirche schaden, schreibt Müller in einem Beitrag für die
Vatikanzeitung «Osservatore Romano» (Freitag). Einzelne
Bischofskonferenzen könnten niemals eigenmächtige Erklärungen
abfassen, die die «definitiven Dogmen» der Kirche oder ihre
sakramentalen Strukturen relativierten.
Der Kurienpräfekt, der Ende Februar die Kardinalswürde
erhält, warnte vor einem «Machtkampf» zwischen zentralistischen
und partikularistischen Kräften in der katholischen Kirche: «Am
Ende bliebe eine säkularisierte und politisierte Kirche, die sich
nur wenig von einer Nichtregierungsorganisation unterscheidet.»
In diesem Zusammenhang kritisierte Müller
«oberflächliche Interpretationen» des Lehrschreibens «Evangelii
gaudium» von Papst Franziskus. Deren Verfechter meinten, in
Franziskus' Ausführungen zum Verhältnis zwischen dem Papst und
den Bischöfen der Weltkirche eine Revolution sehen zu können.
Tatsächlich hat der Papst nach Müllers Worten aber nur die
Ergebnisse des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) zur
Kollegialität zwischen beiden bekräftigt. Der Papst und Bischof
von Rom, so Müller, sei mehr als der «Ehrenpräsident» einer
weltweiten Vereinigung.
Elemente wie Sprache, Kultur und Nation sind nach Worten
des Präfekt der Glaubenskongregation zwar Mittel, um die
kirchliche Botschaft zu verbreiten. Sie könnten aber niemals die
Kirche selbst konstituieren;diese bestehe aus der Gemeinschaft
aller Ortskirchen.
Der Beitrag im WORTLAUT
1. Der neue Impuls von Evangelii gaudium
Von der Kirche kann man nur reden aufgrund der Frage
nach Gott und der Erkenntnis seiner menschlichen Präsenz in Jesus
Christus für die Welt.
Angesichts der globalen und alltäglichen Tragödien von
Bürgerkriegen und Terrorismus, Armut und Ausbeutung, von
Flüchtlingselend, von Drogentod, steigender Selbstmordrate und
Pornographiesucht bei 20% der Jugendlichen, der Sinnkrise und der
geistig-moralischen Desorientierung von Millionen, kommt auf die
Kirche Gottes die epochale Aufgabe zu, den Menschen wieder
Hoffnung zu geben. Aber die Kirche ist nicht das Licht, sie kann
nur Zeugnis geben vom Licht, das jeden Menschen erleuchtet, von
Jesus, dem Sohn Gottes und Erlöser aller Menschen. An der
Erkenntnis Gottes entscheidet sich, ob der Mensch sich seiner
göttlichen Berufung bewusst wird und eine Zukunft hat in dieser
Welt und über sie hinaus.
Eine Kirche, die nur um eigene Strukturprobleme kreiste,
wäre erschreckend anachronistisch und weltfremd. Denn in ihrem
Sein und ihrer Sendung ist sie nichts anderes als die Kirche des
dreifaltigen Gottes, dem Ursprung und Ziel jedes Menschen und des
ganzen Kosmos. Eine Neujustierung von Eigenständigkeit und
Zusammenarbeit der Ortskirchen, von bischöflicher Kollegialität
und Primat des Papstes darf die epochale Herausforderung der
Gottesfrage nie aus den Augen lassen. In seinem Apostolischen
Mahnschreiben Evangelii gaudium spricht Papst Franziskus von
einer heilsamen "Dezentralisierung". Das Leben der Kirche kann
nicht derart auf den Papst und seine Kurie konzentriert sein, als
ob sich in den Pfarreien, Gemeinschaften und Diözesen nur etwas
Sekundäres abspiele. Papst und Bischöfe verweisen vielmehr auf
Christus, der allein den Menschen Hoffnung gibt. Der Papst kann
und muss nicht die vielfältigen Lebensbedingungen, die für die
Kirche in den einzelnen Nationen und Kulturen sich zeigen,
zentral von Rom aus erfassen und jedes Problem vor Ort selbst
lösen. Eine übertriebene Zentralisierung der Verwaltung würde der
Kirche nicht helfen, sondern vielmehr ihre missionarische Dynamik
behindern (EG 32). Deshalb gehört zur Neuevangelisierung, wie sie
Thema der letzen Bischofssynode war (7.-28.10. 2012), auch eine
reformierte Primatsausübung. Dies betrifft die Einrichtungen der
universalen Leitung der Kirche, also besonders die Dikasterien
der Römischen Kurie, deren sich der Papst bei der Ausübung der
höchsten, vollen und unmittelbaren Gewalt über die Gesamtkirche
bedient. "Diese versehen folglich ihr Amt in seinem Namen und mit
seiner Vollmacht zum Wohle der Kirche und als Dienst, den sie den
geweihten Hirten leisten" (CD 9).
Im Sinne der Neuevangelisierung müssen auch die
Bischöfe, die Synoden und Bischofskonferenzen eine größere
Verantwortung wahrnehmen inklusive "einer gewissen lehramtlichen
Kompetenz". Denn diese kommt ihnen zu durch Weihe und kanonische
Sendung und nicht erst durch eine spezielle päpstliche
Bevollmächtigung. "Die Bischöfe, die in Gemeinschaft mit dem
römischen Bischof lehren, sind von allen als Zeugen der
göttlichen und katholischen Wahrheit zu verehren" (LG 25). Das
päpstliche Lehramt ersetzt nicht das Lehramt der Bischöfe und ihr
gemeinsames Wirken auf der nationalen oder auch kontinentalen
Ebene (z.B. der Dokumente der CELAM: Puebla, Medellin, Santo
Domingo, Aparecida), sondern setzt es voraus und fördert es in
der Verantwortung für die ganze Kirche (EG 16). Der Papst beruft
sich ausdrücklich auf das Motu proprio Apostolos suos ( 1998), in
dem Johannes Paul II. auf der Grundlage des II. Vatikanischen
Konzils die Aufgaben der Bischofskonferenzen näher umschrieben
hat. Im Gegensatz zu oberflächlichen Interpretationen ist damit
nicht das Signal für einen Richtungswechsel oder eine "Revolution
im Vatikan" gegeben. Machtkämpfe und Kompetenzstreitigkeiten
könnte sich die Kirche nur unter Verlust ihrer missionarischen
Aufgabe leisten. Nach der ekklesiologischen Synthese des II.
Vatikanums ist eine antagonistische oder dialektische
Interpretation der Beziehung von Universalkirche und Ortskirchen
ausgeschlossen. Die historischen Extreme von Papalismus
/Kurialismus einerseits und von Episkopalismus/(Konziliarismus/
Gallikanismus/ Febronianismus/ Altkatholizismus) andererseits
können uns nur zeigen, wie es nicht geht, und dass die
Verabsolutierung eines konstitutiven Elementes zu Lasten des
anderen dem Bekenntnis zur Ecclesia una sancta catholica et
apostolica widerspricht. Die brüderliche Einheit der Bischöfe der
universalen Kirche cum et sub Petro ist in der Sakramentalität
der Kirche begründet und somit göttlichen Rechtes. Nur um den
Preis einer Entsakramentalisierung der Kirche könnte ein
Machtkampf zwischen zentralistischen und partikularistischen
Kräften geführt werden. Am Ende bliebe eine säkularisierte und
politisierte Kirche zurück, die sich von einer NGO nur noch
graduell unterschiede. Das wäre der komplette Kontrast zu dem
Apostolischen Mahnschreiben Evangelii gaudium.
Dem literarischen Genus nach ist dieses Schreiben kein
dogmatischer, sondern ein paräntischer Text. Als seine
dogmatische Basis ist die mit höchster lehramtlicher
Verbindlichkeit dargelegte Lehre über die Kirche in Lumen gentium
voraussetzt (EG 17). Es geht dem Papst um eine Überwindung der
Lethargie und Resignation angesichts der extremen Säkularisierung
und um ein Ende der lähmenden innerkirchlichen
Auseinandersetzungen zwischen traditionalistischen und
modernistischen Ideologien. Trotz aller Stürme und Gegenwinde
soll das Schifflein Petri wieder die Segel der Freude über Jesus,
der bei uns ist, aufziehen. Und die Jünger sollen ohne Angst in
die Ruder greifen, um die Mission der Kirche kraftvoll
voranzubringen.
Wenn die Kirche nach außen hin ein Bild der
Zerrissenheit und Feindseligkeit bietet, kann man von niemandem
erwarten, dass er die Kirche als glaubwürdige Zeugin der Liebe
Gottes wahrnimmt und die Kirche als seine Mutter lieben lernt.
2. Ursprung der Einheit in Jesus Christus
Das II. Vatikanische Konzil setzt in der dogmatischen
Konstitution über die Kirche Lumen gentium nicht bei einer
soziologisch-immanentistischen Bestimmung der Kirche an, so als
ob die Kirche aus dem Vergemeinschaftungswillen von Angehörigen
einer gleichen religiös-sittlichen Überzeugung heraus
konstituiert würde.
Die Kirche hat vielmehr ihren innersten Ursprung im
innergöttlichen Hervorgang des Sohnes aus dem Vater. Im Sohn sind
seit Ewigkeit alle Menschen schon zur Anteilhabe am göttlichen
Leben berufen. Die Gemeinschaft der Menschen mit Gott ist schon
vom Anfang der Menschheitsgeschichte an in Christus präfiguriert.
Sie wird heilsgeschichtlich im Volk des Alten Bundes vorbereitet,
schließlich im Kommen des Herrn und in der Ausgießung des
Heiligen Geistes konstituiert und dann in der Kirche des neuen
und endgültigen Bundes offenbar (LG 2).
Da die Kirche nicht eine rein menschliche Organisation
ist, ist die Frage nach ihrer vereinsrechtlichen Gründung durch
den "historischen" Jesus sachlich verfehlt und im Sinne
theologischer Hermeneutik der geschichtlichen Offenbarung
anachronistisch. Vielmehr gründet die Kirche als
Lebensgemeinschaft mit Jesus in seiner göttlichen Natur und
seiner Sohnesrelation zum Vater und wird geschichtlich offenbart
in seinem Wirken als Mensch. Denn in seiner Person ist das Reich
Gottes gekommen. Dazu gehört die Sammlung der Jünger, denen er
Anteil an seiner Vollmacht und Sendung gibt. Jesus hat als der
endzeitliche Mittler der Gottesherrschaft (1.) durch seine
Verkündigung wie auch durch seine Heilstaten und vor allem durch
sein Geschick in Kreuz und Auferstehung das endzeitliche
Bundesvolk begründet als Communio der Menschen mit Gott, und er
hat (2.) der Gemeinschaft der an ihn Glaubenden Anteil an seiner
Mission gegeben.
Es sind also die beiden Elemente der Communio und der
Missio, die die Jüngergemeinde Jesu als Zeichen und Werkzeug der
Einheit der Menschen mit Gott und untereinander konstituieren.
Die Kirche ist also als Dienerin und Mittlerin dieser Union
wesentlich eine einzige. Die Kirche ist nicht die nachträglich
Summe der Einzelnen in ihrem autonomen unmittelbaren
Gottesverhältnis. Die Kirche ist mit Christus schon organisch
vereint wie der Leib mit dem Haupt. Christus bildet als Haupt das
Prinzip der Einheit aller Glieder des Leibes. Nur so können alle
sich freuen und mitleiden, wenn ein Anderer sich freut und
leidet. Die Vielheit der Glieder des Leibes sind in Bezug auf das
Haupt unus (Gal 3,28): totus Christus – caput et corpus. Als der
eine und einzige Mittler ist Christus der eschatologische Mensch,
der neue Adam. Alle Glieder sind hineingenommen in seine
Sohnesbeziehung zum Vater im Heiligen Geist (Gal 4,4-6). Das Wort
„Kirche“, das schon in der LXX als griechische Übersetzung für
die Versammlung des Gottesvolkes erscheint, begegnet uns darum in
Bezug auf Gott, den Vater, Christus, den Sohn, und den Heiligen
Geist stets in der Einzahl: als das eine und einzige Volk Gottes,
der eine und einzige Leib Christi, der die Kirche ist, und der
eine und einzige Tempel des Heiligen Geistes. Diese eine Kirche,
die in der katholischen Kirche subsistiert (LG 8, Antworten der
Kongregation für die Glaubenskongregation auf Fragen zu einigen
Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche, 2, 2007), steht
ganz im Dienste der einen und universalen/katholischen
Heilsmittlerschaft Christi und ist deshalb in ihrem Wesen und
ihrer Sendung notwendig universal, d.h. katholisch. Denn allen
Menschen verkündet die Kirche das Heil. Das Evangelium Christi
befreit die Menschen aus der babylonischen Zerstreuung und ruft
sie hinein in die pfingstliche Einheit des einen Gottesvolkes aus
den vielen Völkern und Sprachen. Diese eine Kirche ist präsent in
den vielen Völkern und Kulturen und formt sie zur einen
Menschheit in Christus, dem Haupt der ganzen Schöpfung.
3. Die eine Kirche in ihrer universalen Sendung und
ihrer örtlichen Konkretisierung
Die Sakramentalität der Kirche gründet in der
Inkarnation. In Analogie zur gott-menschlichen Einheit Christi
besteht die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche
als geistlich-unsichtbare Lebensgemeinschaft mit Gott und als
sichtbare, hierarchisch verfasste Gesellschaft. Die sichtbare
Einheit zeigt sich in der gemeinsamen apostolischen Lehre, dem
sakramentalen Leben und der hierarchischen Verfassung. Somit kann
sie nicht bloß die Veranschaulichung einer völkerverbindenden
überzeitlichen Idee, einer civitas platonica sein. Als Kirche für
den Menschen in seiner geist-leiblichen Verfasstheit und seiner
historischen und sozialen Existenzform konkretisiert sie sich
gemäß den kulturellen Lebensbedingungen des Menschen in den
Koordinaten von Raum und Zeit. Die Kirche des in Raum und Zeit
eingetretenen Wortes Gottes verwirklicht sich zugleich universal
und lokal. Die eine und universale Kirche, die vom Papst und den
Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird, besteht in und
aus den Ortskirchen. Dies ist der Sinn der Formel" in quibus et
ex quibus una et unica Ecclesia catholica existit" (LG 23). Die
Sendung Christi betrifft alle Menschen an allen Orten und zu
allen Zeiten. Und doch lebte er selbst an einem von vielen Orten
der Erde und zu einem winzig kleinen Zeitabschnitt in der
Menschheitsgeschichte. Aber sie realisierte sich historisch
einmalig in dem Menschen Jesus von Nazaret, der zu einer
bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort der Welt gelebt und
gewirkt hat. Schon vorösterlich begegnet uns die Spannung von
universaler Sendung und örtlicher Präsenz. Jesus erwählt sich die
Apostel, um sie in die Orte zu senden, in die er nicht selbst
kommen konnte. Nach Ostern sendet er die Apostel in die ganze
Welt und verheißt ihnen allen zusammen und jedem einzelnen seine
Gegenwart, so dass der eine Christus in der Vermittlung der
vielen Apostel an jedem Ort der Welt heilsvermittelnd und die
Menschheit einigend präsent ist.
In diesem Sinn kann der Begriff "Kirche" auch für die
Ortskirchen verwendet werden. Die eine und einzige Kirche Gottes
ist als universale Kirche präsent in den Kirchen Gottes zu
Korinth, Rom, Thessalonich etc. Und vor Ort haben es die
Glaubenden mit nichts anderem zu tun als mit der einen Kirche
Christi, in der der Heilige Geist alle Getauften untereinander
verbindet und sie in die Einheit des Leibes Christi einfügt, so
dass alle einer sind in Christus und als Söhne und Töchter Gottes
in Christus die eine familia Dei bilden.
Es geht also nicht um eine schwebende geistliche
Vollmacht, die nach Erwägungen politischer und strategischer
Zweckmäßigkeit zwischen dem Papst und den Bischöfen, der
Universalkirche und den Ortskirchen aufgeteilt würde. Vielmehr
hat Christus die Apostel insgesamt – als Kollegium – berufen. Er
selbst hat ihnen den Apostel Petrus vorangestellt als Grundlage
und Prinzip der Einheit der einen apostolischen Vollmacht und
Sendung für die gesamte Kirche. Die Bischofsweihe zeigt die
kollegiale Natur des Bischofsamtes in der Zuordnung des einzelnen
Bischofs zum Gesamtkollegium mit dem Papst als dem Haupt, ohne
den das Kollegium keine universale Vollmacht in Lehr- und
Hirtenamt ausüben kann. "Die kollegiale Einheit tritt auch in den
wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Bischöfe zu den
Teilkirchen wie zur Gesamtkirche in Erscheinung. Der Bischof von
Rom ist als Nachfolger Petri das immerwährende, sichtbare Prinzip
und Fundament für die Einheit der Vielheit der Bischöfe und
Gläubigen. Die Einzelbischöfe hinwiederum sind sichtbares Prinzip
und Fundament der Einheit in ihren Teilkirchen, die nach dem Bild
der Gesamtkirche gestaltet sind. In ihnen uns aus ihnen besteht
die eine und einzige katholische Kirche. Daher stellen die
Einzelbischöfe je ihre Kirche, alle zusammen aber in der Einheit
mit dem Papst die ganze Kirche im Band des Friedens, der Liebe
und der Einheit dar" (LG 23).
Die Bestimmung der Beziehung zwischen Universalität und
Partikularität gelingt nur in einer konsequent christologischen
und ekklesiologischen Perspektive. Sie ist im Vergleich zu
staatlichen und nichtstaatlichen Organisationsformen von
menschlichen Gesellschaften und Unternehmen analogielos. In der
Tat verwirklicht sich die Einheit der Kirche in ortskirchlicher
Konkretheit, weshalb eine Personalgemeinschaft nie Ortskirche im
eigentlichen Sinn sein kann, ebenso wie jede Ortskirche ihrer
Natur nichts anderes ist als die Universalkirche vor Ort. Dieses
wechselseitige Innesein ist die katholische Communio der Kirche,
die sich als communio ecclesiarum konstituiert. Dabei ist
freilich zu beachten, dass die Gesamtkirche nicht bloß als die
Summe der Teilkirchen verstanden werden kann, sondern diesen
ontologisch und zeitlich vorausgeht. Das Schreiben Communionis
notio, das die Kongregation für die Glaubenslehre 1992
veröffentlicht hat, begründet dies folgendermaßen: "In der Tat
geht nach den Vätern die Kirche, die eine und einzige Kirche, in
ihrem Geheimnischarakter ontologisch der Schöpfung voraus, und
sie gebiert die Teilkirchen gleichsam als Töchter; sie bringt
sich in ihnen zum Ausdruck, ist Mutter und nicht Produkt der
Teilkirchen. In der Zeit tritt die Kirche am Pfingsttag
öffentlich in Erscheinung, in der Gemeinschaft der
hundertzwanzig, die um Maria und die zwölf Apostel versammelt
waren. Die Apostel waren die Vertreter der einzigen Kirche und
die zukünftigen Gründer der Ortskirchen, Träger einer an die Welt
gerichteten Sendung. Schon damals spricht die Kirche alle
Sprachen. Aus ihr, die universal entstand und offenbar wurde,
sind die verschiedenen Ortskirchen als jeweilige konkrete
Verwirklichungen der einen und einzigen Kirche Jesu Christi
hervorgegangen. Da sie in und aus der Universalkirche geboren
werden, haben sie ihre Kirchlichkeit in ihr und aus ihr. Daher
ist die Formel des Zweiten Vatikanischen Konzils: die Kirche in
und aus den Kirchen (Ecclesia in et ex Ecclesiis) untrennbar
verbunden mit dieser anderen: die Kirchen in und aus der Kirche
(Ecclesiae in et ex Ecclesia). Der Geheimnischarakter dieser
Beziehung zwischen Gesamtkirche und Teilkirchen, die keinen
Vergleich verträgt mit jener zwischen dem Ganzen und den Teilen
in gleich welcher rein menschlichen Gruppe oder Gesellschaft, ist
offensichtlich" (Nr. 9).
4. Die Einheit von Primat und Episkopat
Im 3. Kapitel von Lumen gentium wird die Einheit von
Universalität und Partikularität beschrieben. Vorausgesetzt ist
dabei die apostolische Konstitution der Ortskirche. Das bedeutet,
dass die Ortskirche ebenso wenig wie die Kirche Christi überhaupt
sich durch den Assoziationswillen von einzelnen Christen
konstituiert. Vielmehr ist es Christus selbst, der durch seine
Apostel und ihre Nachfolger (im munus predicandi, sanctificandi
et gubernandi) die Universalkirche in und aus den Ortskirchen als
communio ecclesiarum begründet. Von einer Ortskirche kann man nur
reden, wenn sie im Bischof, dem Nachfolger der Apostel, sichtbar
die Einheit mit den anderen Ortskirchen und die Einheit mit dem
Ursprung der Kirche in Christus und den Aposteln verwirklicht.
Dies zeigt sich in der Einheit des apostolischen Bekenntnisses
und der sakramental-liturgischen Vergegenwärtigung des Heils in
Christus. Die Lehre von den Bischöfen als Nachfolger der Apostel,
ihrer kollegialen Einheit miteinander und ihrer Einheit mit dem
Nachfolger Petri als dem sichtbaren Haupt der ganzen Kirche und
des Bischofskollegiums ist also für den katholischen Begriff von
Kirche konstitutiv.
Nur unter dieser Voraussetzung kann man die folgende
Beschreibung von Universalität und Partikularität als
Verwirklichung der Einheit und Einzigkeit der Kirche Christi
richtig würdigen: "Wie nach der Verfügung des Herrn der heilige
Petrus und die übrigen Apostel ein einziges apostolisches
Kollegium bilden, so sind in entsprechender Weise der Bischof von
Rom, der Nachfolger Petri, und die Bischöfe, die Nachfolger der
Apostel, untereinander verbunden.... Das Kollegium oder die
Körperschaft der Bischöfe hat aber nur Autorität, wenn das
Kollegium verstanden wird in Gemeinschaft mit dem Bischof von
Rom, dem Nachfolger Petri, als seinem Haupt, und unbeschadet
dessen primatialer Gewalt über alle Hirten und Gläubigen....
Insofern dieses Kollegium aus vielen zusammengesetzt ist, stellt
es die Vielheit und Universalität des Gottesvolkes, insofern es
unter einem Haupt versammelt ist, die Einheit der Herde Christi
dar. In diesem Kollegium wirken die Bischöfe, unter treuer
Wahrung des primatialen Vorranges ihres Hauptes in eigener
Vollmacht zum Besten ihrer Gläubigen, ja der ganzen Kirche, deren
organische Struktur und Eintracht der Heilige Geist immerfort
stärkt. Die höchste Gewalt über die ganze Kirche, die dieses
Kollegium besitzt, wird in feierlicher Weise im ökumenischen
Konzil ausgeübt.
... Die gleiche kollegiale Gewalt kann gemeinsam mit dem
Papst von den in aller Welt lebenden Bischöfen ausgeübt werden,
wofern nur das Haupt des Kollegiums sie zu einer kollegialen
Handlung ruft oder wenigstens die gemeinsame Handlung räumlich
getrennter Bischöfe billigt oder frei annimmt, so dass ein
eigentlich kollegialer Akt zustande kommt"(LG 2).
In und aus den einzelnen Ortskirchen besteht die
katholische Kirche. Jede Ortskirche hat Anteil an der
Gesamtkirche durch die Einheit mit ihr und ihrem apostolischen
Ursprung, durch die Einheit des Glaubensbekenntnisses, ihrer
liturgisch-sakramentalen Formen der Heilsvermittlung und der
apostolischen Autorität, die vom Bischof in der Sukzession, die
auf die Apostel zurückreicht, verkörpert und garantiert wird.
Diese hindert nicht, sondern fördert ihren Reichtum, der
durch die Inkulturation in die Völker und Geschichtsepochen
zutage tritt. Die Ortskirche von Rom ist eine unter vielen
Ortskirchen, aber mit der Besonderheit, dass ihre apostolische
Grundlegung durch das Martyrium verbi et sanguinis der Apostel
Petrus und Paulus ihr einen Primat im Gesamtzeugnis und in der
Lebenseinheit der catholica communio verleiht. Wegen dieser
potentior principalitas muss jede andere Ortskirche mit ihr
übereinstimmen (vgl. Irenäus, haer II, 3, 2). Mehr ist, der
Glaubenssubstanz nach, auch in den beiden Vatikanischen Konzilien
über die Katholizität und Partikularität, über die Kollegialität
der Bischöfe und die Orientierung an der Cathedra Petri in Lehre
und Disziplin nicht zu sagen gewesen.
Die Erwägungen der Kongregation für die Glaubenslehre
über den Primat des Nachfolgers Petri im Geheimnis der Kirche
(1998) stellen deshalb zusammenfassend fest: "Die
charakteristischen Züge der Primatsausübung müssen vor allem von
zwei grundlegenden Voraussetzungen her verstanden werden, nämlich
von der Einheit des Episkopats und vom bischöflichen Charakter
des Primats selbst her. Der Episkopat stellt eine Wirklichkeit
dar, die una et indivisa ist.
Der Primat des Papstes beinhaltet die Befugnis, der
Einheit aller Bischöfe und aller Gläubigen wirksam zu dienen. Er
wird auf verschiedenen Ebenen ausgeübt; sie betreffen die
wachsame Aufsicht über die Weitergabe des Wortes, über die Feier
der Sakramente und der Liturgie, über die Mission, über die
Disziplin und über das christliche Leben. Auf diesen Ebenen
schulden nach dem Willen Christi alle in der Kirche – die
Bischöfe und die anderen Gläubigen – dem Nachfolger Petri
Gehorsam.
Er ist auch Garant für die rechtmäßige Verschiedenheit,
die zwischen Riten, Disziplinen und kirchlichen Strukturen des
Ostens und des Westens besteht" (Nr. 8).
5. Papst und Bischöfe im Dienst an der einen Kirche
Es ist aber wichtig, den bischöflichen Dienst selber als
sakramentale Wirklichkeit in der sakramentalen Kirche aufzufassen
und ihn nicht mit dem eines Moderators von rein menschlichen
Vereinigungen zu verwechseln.
Denn der Episkopat ist ein von Gott der Kirche für immer
eingestiftetes Amt (LG 18). Die "Bischöfe, vom Heiligen Geist
eingesetzt" (Apg 20,28), stehen an Gottes Stelle der Herde
Christi vor (LG 19). In der sakramentalen Weihe bewirkt der
Geist, „dass die Bischöfe in hervorragender und sichtbarer Weise
die Aufgaben Christi selbst, des Lehrers, Hirten und Priesters
innehaben und in seiner Person handeln" (LG 21). Sie sind
"Stellvertreter und Gesandte Christi in der Ausübung ihres
Dienstes" (LG 27).
Schon die Tatsache, dass bei der sakramentalen
Bestellung des Nachfolgers auf die Weihe durch "benachbarte
Bischöfe anderer Kirchen" verwiesen wird, zeigt die kollegiale
und universalkirchliche Dimension des Bischofsamtes. Nicht eine
einzelne Gemeinde konstituiert sich selbst und ihr Amt. Die
Bischofsweihe gliedert den Bischof zeichenhaft ein in das
Kollegium der Bischöfe und überträgt ihm eine Verantwortung für
die weltweit eine katholische Kirche, die in der communio
ecclesiarum besteht.
In seiner Ortskirche ist der Bischof "sichtbares Prinzip
und Fundament der Einheit" (LG 23). Dies betrifft die Communio
aller Gläubigen und das Kollegium der Amtsträger von Presbytern,
Diakonen und weiteren Kirchenämtern. Das eine Bischofsamt
absorbiert nicht die Vielfalt der Sendungen und Dienste. Durch
das Bischofsamt wird nicht nur ein Auseinanderfallen der
einzelnen Dienste verhindert, sondern auch die Vielheit der
Dienste in den einzelnen Gliedern gefördert und die Einheit der
Sendung der einen Kirche in Martyria, Diakonia und Leiturgia
gewährleistet.
Da das Bischofskollegium der Einheit der Kirche dient,
muss es selbst das Prinzip seiner Einheit in sich tragen. Dies
kann nur der Bischof einer Ortskirche sein und nicht der
Präsident einer Föderation von regionalen und kontinentalen
Kirchenbünden. Dies kann auch nicht nur ein rein sachliches
Prinzip sein (Mehrheitsentscheidung, Delegation von Rechten an
ein gewähltes Leitungsgremium etc.). Da das innere Wesen des
Bischofsamtes eine personale Zeugenschaft ist, verkörpert sich
das Prinzip der Einheit des Episkopates selbst in einer Person.
Nach katholischer Auffassung ist das personale Prinzip der
Einheit im Ursprung wie im gegenwärtigen Vollzug im römischen
Bischof gegeben. Er ist als Bischof Nachfolger Petri, der selbst
die Einheit des Apostelkollegiums verkörpert hat.
Entscheidend für eine Theologie des Primates ist die
Charakterisierung des Petrusdienstes als bischöfliche Sendung wie
auch die Erkenntnis, dass dieses Amt nicht menschlichen, sondern
göttlichen Rechtes ist, insofern es nur in der Vollmacht Christi
kraft eines dem Träger persönlich gegebenen Charismas im Heiligen
Geist ausgeübt werden kann. "Damit aber der Episkopat selbst
einer und ungeteilt sei, ... hat (der ewige Hirt Jesus Christus)
den heiligen Petrus an die Spitze der übrigen Apostel gestellt
und in ihm ein immerwährendes und sichtbares Prinzip und
Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft eingesetzt"
(LG 18; DH 3051).
Dem Papst schwebt in Evangelii gaudium eine verbesserte,
der globalen und digitalisierten Zivilisation von heute
entsprechende Praxis vor. Obwohl Primat und Episkopat zum Wesen
der Kirche gehören, sind die Formen der Verwirklichung in der
Geschichte notwendig verschieden.
Der Aufruf des Papstes zu einer erneuerten Wahrnehmung
der Kollegialität der Bischöfe ist das Gegenteil zu einer
Relativierung des ihm selbst und unmittelbar von Christus
aufgetragenen Dienstes an der Einheit aller Bischöfe und
Gläubigen im geoffenbarten Glauben, dem gemeinsamen Leben aus der
sakramentalen Gnade und der Sendung, die Einheit der Menschen in
Gott zu vermitteln (LG 1). Da das Bischofsamt kollegialer Natur
ist, ist dem Bischof kraft der Weihe und der kanonischen Sendung
auch die Mit-Sorge und Mit-Verantwortung für das Wohl der
universalen Kirche übertragen: "Die Sorge, das Evangelium überall
auf Erden zu verkündigen, geht die ganze Körperschaft der Hirten
an. Deshalb sind die einzelnen Bischöfe gehalten, soweit die
Verwaltung ihres eigenen Amtes es zulässt, in Arbeitsgemeinschaft
zu treten untereinander und mit dem Nachfolger Petri, dem das
hohe Amt, den christlichen Namen auszubreiten, in besonderer
Weise übertragen ist" (LG 23).
Unter Anerkennung des fruchtbaren Apostolates, die die
bis dahin schon bestehenden Bischofskonferenzen erbracht haben
und dem Wunsch, dass diese Gremien überall errichtet werden, gibt
das II. Vatikanische Konzil gleichsam eine Kurzdefinition: "Die
Bischofskonferenz ist gleichsam ein Zusammenschluss, in dem die
Bischöfe eines bestimmten Landes oder Gebietes ihren Hirtendienst
gemeinsam ausüben, um das höhere Gut, das die Kirche den Menschen
bietet, zu fördern, besonders durch Formen und Methoden des
Apostolates, die auf die gegebenen Zeitumstände in geeigneter
Weise abgestimmt sind" (CD 38,1) Die theologische und praktische
Umsetzung des Dienstes der Bischofskonferenzen an der
Gesamtkirche und an den in ihnen zusammengeschlossenen
Teilkirchen ist im Motu proprio Apostolos suos weiter entfaltet
und konkretisiert worden. Dazu gehört auch eine lehramtliche
Kompetenz der Bischöfe insgesamt, die einer Konferenz angehören
(vgl. AS 21; CIC can. 753). Diese steht im Dienst der Einheit des
Glaubens und der konkreten Umsetzung in einem Kulturraum. Der
Bezug zum Nachfolger Petri, dem sichtbarem Prinzip der Einheit
der Kirche, ist für jedes ökumenische Konzil, jede
Partikularsynode und für jede Bischofskonferenz konstitutiv und
göttlichen Rechtes, das allem kodikarischen Recht zugrundeliegen
muss. Eine Bischofskonferenz kann niemals separate verbindliche
dogmatische Erklärung abgeben oder gar definierte Dogmen und
konstitutive sakramentale Strukturen relativieren (z.B. das
eigene Lehr- und Hirtenamt abhängig machen von Gremien rein
kirchlichen Rechtes).
Separatistische Tendenzen und präpotentes Verhalten
würden der Kirche nur schaden. Die Offenbarung ist der einen und
universalen Kirche zur treuen Verwahrung übergeben worden, die
vom Papst und den Bischöfen in Einheit mit ihm geleitet wird (LG
8; DV 10).
Die katholische Kirche ist communio ecclesiarum und
nicht eine Föderation von Landeskirchen oder ein Weltbund von
konfessionsverwandten kirchlichen Gemeinschaften, die aus
menschlicher Tradition den römischen Bischof als
Ehrenvorsitzenden respektieren. Denn Nation, Sprache, Kultur sind
nicht konstitutive Prinzipien für die Kirche, die in Christus die
Einheit der Völker bezeugt und realisiert; sie sind jedoch
unentbehrliche Medien, durch die sich das ganze Reichtum und die
Fülle Christi in den Erlösten entfaltet.
Evangelii gaudium will die Kirche innerlich
zusammenführen, damit das Gottesvolk in seinem missionarischen
Dienst an einer Heil und Hilfe bedürftigen Menschheit sich nicht
selbst im Wege steht. Papst Franziskus zeichnet in seinem
Apostolischen Schreiben "einige Linien, die in der gesamten
Kirche einer neuen Etappe der Evangelisierung voller Eifer und
Dynamik Mut und Orientierung verleihen können" (EG 17).
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