BishopAccountability.org

Die Kirche Und DAS Recht

By Daniel Deckers
The Frankfurter Allgemeine
October 23, 2013

http://www.faz.net/aktuell/politik/bistum-limburg-die-kirche-und-das-recht-12630908.html

Bischof Tebartz-van Elst und Stadtdekan Rosch im vergangenen Mai

23.10.2013 ·  Dass Papst Franziskus den Kommissionsbericht abwarten will, bevor er den Limburger Bischof Tebartz-van Elst womoglich absetzt, ist ein Fortschritt. Doch wie viel Zeit lasst die Kirche vergehen, bevor sie aus Schaden klug wird und ihr Verwaltungsrecht reformiert?

Es ist Zeit vergangen, bis Papst Franziskus und seine Berater erkannten, dass Franz-Peter Tebartz-van Elst sein Amt als Bischof von Limburg nicht mehr ausuben kann. Der materielle Schaden in der Amtszeit des Bischofs mag zu verkraften sein. Schwerer wiegt der immaterielle, um nicht zu sagen geistliche Schaden, der eingetreten ist.

Im Fruhjahr vergangenen Jahres beklagte eine Gruppe von Priestern die „Atmosphare lahmender Furcht“, die sich im Bistum Limburg ausgebreitet habe. Die Geistlichen werden bis heute als Quertreiber gegen einen rechtglaubigen und romtreuen Bischof dargestellt. Im Fruhsommer dieses Jahres brach der Schutzwall aus Dementis und Halbwahrheiten zusammen, den Bischof und Generalvikar um die Baustelle des Bischofshauses errichtet hatten. Doch noch zwei Monate spater versicherte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Zollitsch seinen Limburger Amtsbruder der „kollegialen Solidaritat“. Der Munchner Kardinal Marx, der Anfang September offentlich Zweifel an der rechten Amtsfuhrung des Limburger Bischofs erkennen liess, musste sich der Ahnungslosigkeit zeihen lassen – Grabenkampfe, bei denen es auch um den demnachst vakanten Vorsitz der Bischofskonferenz geht. Weh dem, der solche Mitbruder hat - und wohl denen, die trotz solcher Kabalen in ihrem Glauben nicht irre werden.

Es geht auch um Barmherzigkeit und Fairness

Nach dem Wortlaut der jungsten vatikanischen Verlautbarung ist es nicht ausgeschlossen, dass Bischof Tebartz-van Elst dereinst wieder in seine Rechte als Bischof von Limburg eingesetzt werden konnte – auch wenn dies kaum vorstellbar ist. Ein grosser Teil der Glaubigen einschliesslich der Priester und der Mitarbeiter in der Bistumsverwaltung sieht einen wirklichen Neuanfang nur mit einem neuen Bischof. Sogar das Domkapitel hat sich in diesem Sinn offentlich festgelegt. Andererseits lasst das Vorgehen des Papstes erkennen, dass es auch um Barmherzigkeit und Fairness geht.

Um einen Bischof seines Amtes zu entheben, fehlt es im Kirchenrecht bis heute an einem Verfahren, das elementaren rechtsstaatlichen Grundsatzen genugte. Zwar kennt die Kirchengeschichte Situationen, in denen ein Bischof vollstandig gehindert ist, seinen Dienst auszuuben. Fur den Fall von Gefangenschaft, Ausweisung oder Exil hat das Kirchenrecht vorgesorgt. Vorgesehen ist auch der Fall, dass ein Bischof wegen Krankheit oder aus einem schwerwiegenden Grund nicht mehr in der Lage ist, seine Amtsgeschafte wahrzunehmen. Dann ist er „nachdrucklich gebeten, den Amtsverzicht anzubieten“. Was aber, wenn ein Bischof – wie im Fall Tebartz-van Elst - glaubt, seine Amtsgeschafte wahrnehmen zu konnen, andere ihn in dieser Ansicht bestarken und wieder andere die Zeit fur gekommen halten, dass er sein Amt aufgibt? Fur diesen Fall hat das zuletzt im Jahr 1983 grundlegend erneuerte Kirchenrecht keine Vorkehrungen getroffen – was sich seither mehrfach geracht hat.

Offentlich wehren konnten sie sich nicht

Der katholischen Kirche fehlt es nicht nur im Fall von Theologen, die von der Kongregation fur die Glaubenslehre einem Lehrbeanstandungsverfahren unterzogen werden, an einem rechtsstaatlich gestalteten Prozessrecht. Noch immer auf schwankendem Grund bewegen sich mitunter auch Verfahren gegen Geistliche, die im Verdacht stehen, Minderjahrigen oder Schutzbefohlenen sexuelle Gewalt angetan zu haben. Bischofen geht es im Grunde nicht anders, geschweige denn besser. So konnte Papst Johannes Paul II. im Jahr 1995 den franzosischen Bischof Gaillot ohne Begrundung seines Amtes entheben. Auch Papst Benedikt sah sich mehrfach veranlasst, Bischofe abzusetzen, zumeist in Afrika, aber auch in Australien und der Slowakei. Was die Geistlichen sich hatten zuschulden kommen lassen, erfuhr die offentlichkeit nie – und mit ihr auch nicht die Glaubigen oder der Klerus. Dieses Verfahren gibt jedes Mal dem Verdacht Nahrung, dem Papst und seinen Beratern sei nur daran gelegen, die Institution Kirche zu schutzen, koste es, was es wolle.

Papst Franziskus schien anfangs weiterzumachen, wie sein Vorganger Benedikt aufgehort hatte. Noch im Juli wurden die beiden Erzbischofe in Slowenien zum Amtsverzicht gezwungen, ohne dass die offentlichkeit erfahren hatte, was man ihnen zum Vorwurf machte; offentlich wehren konnten sie sich nicht. Nun heisst es im Fall Tebartz, der Papst wolle vor einer endgultigen Entscheidung uber die Zukunft des Bischofs den Bericht einer Kommission abwarten, die das Finanzgebaren des Bischofs auf seine Vereinbarkeit mit dem Kirchenrecht untersucht. Sollte das der Versuch sein, einen Angeschuldigten nicht der Willkur Roms oder auch dem Furor der offentlichen Meinung zu uberantworten, dann ware das mangels eines kodifizierten Rechtsweges oder eines Instanzenzuges ein Fortschritt. Doch wie viel Zeit vergehen wird, ehe die Kirche aus Schaden klug wird und ihr Verwaltungsrecht elementaren Erfordernissen der Gerechtigkeit offnet, wird sich erst danach zeigen.




.


Any original material on these pages is copyright © BishopAccountability.org 2004. Reproduce freely with attribution.