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"in Meinen Augen Ein Fehlurteil"

Frankenpost
June 22, 2013

http://www.frankenpost.de/regional/oberfranken/laenderspiegel/In-meinen-Augen-ein-Fehlurteil;art2388,2648153

Regionalbischofin Dorothea Greiner kundigt an, weiter konsequent gegen Missbrauch zu kampfen. Fur die Kirche konne es eine Verjahrung in diesen Fallen nicht geben.

Frau Dr. Greiner, innerhalb kurzester Zeit verhandeln die Kirchengerichte wegen Missbrauchs gegen zwei bekannte und einstmals angesehene Pfarrer aus Hof. Wie kommt es zu dieser Haufung?

Es entsteht ein vollig falsches Bild, wenn im Blick auf unsere evangelische Kirche von einer "Haufung" gesprochen wird. Nur der eine Fall, bei dem der Vorwurf distanzlosen Verhaltens im Raum steht, bezieht sich auf einen Pfarrer im aktiven Dienstverhaltnis; der andere, ungleich schwerer gelagerte Fall, betrifft Vorkommnisse, die gro?tenteils fast 50 Jahre zuruck liegen. Damit befasst sich kein staatliches Gericht mehr. Doch unsere Landeskirche geht dem trotzdem nach, weil sexueller Missbrauch in unserem kirchlichen Disziplinarrecht nicht verjahrt. Missbrauchliche Handlungen an Menschen sind in keiner Weise mit dem Amt eines Pfarrers vereinbar, egal ob sie 50 Jahre zuruckliegen oder funf. Dass die Vorkommnisse verfolgt werden, sind wir der Glaubwurdigkeit des kirchlichen Auftrags und nicht zuletzt den Opfern schuldig.

Sind noch weitere Verfahren anhangig?

Meines Wissens und nach Rucksprache mit dem zustandigen Abteilungsleiter Helmut Volkel ist gegenwartig noch ein weiteres Verfahren bei der Disziplinarkammer unserer Kirche gegen einen Ruhestandspfarrer anhangig. Der Ausgang ist offen - das bitte ich bei laufendem Verfahren zu beachten. Hier gilt die Unschuldsvermutung fur den Betroffenen und au?erdem der Opferschutz. Um beider Seiten willen werde ich mich dazu nicht naher au?ern.

In den letzten Jahren stand vor allem die katholische Kirche wegen Missbrauchs-Vorwurfen im Fokus der Aufmerksamkeiten. Braucht auch die evangelische Kirche einen Prozess der Selbstreinigung?

Ohne die Tragik des Einzelfalles auch nur ansatzweise schmalern zu wollen, muss gesagt werden, dass sich die Gesamtzahl der Falle, die im Bereich unserer Kirche zutage traten, sehr in Grenzen hielt. Wir haben uns in unserer Landeskirche schon vor Jahren glasklare Richtlinien gegeben zur ruckhaltlosen Aufklarung aller Falle. Unsere evangelische Jugend war diesbezuglich Vorreiter fur die allgemeine Jugendarbeit. Unsere Ansprechstelle arbeitet hervorragend und vollig unabhangig.

Ist der sexuelle Missbrauch das Kennzeichen einer immer noch von Mannern dominierten Kirche?

Die Verbindung von Sexualitat und Machtausubung ist verheerend in allen Bereichen unserer Gesellschaft. Wir wissen aus Statistiken, dass die Tater bei sexuellem Missbrauch mehrheitlich mannlich sind. Und dass Missbrauch nach wie vor hauptsachlich im Umfeld der Familie geschieht.

Ist die Besetzung von Pfarrstellen mit Ehepaaren das bessere Modell?

Bitte keine Stigmatisierung von alleinstehenden Mannern! Es ware ideal, wenn jede Gemeinde - wenn sie Wahlrecht hat - wahlen konnte zwischen einem Pfarrer, einer Pfarrerin und einem Pfarrehepaar. Die Wahl fiele sicher nicht immer auf das Ehepaar. Schon ist aber, dass wir in unserer Kirche diesen Reichtum im Amt haben. Das ist fur uns das beste Modell.

Im Falle eines 90-jahrigen hochrangigen Theologen aus Hof hat das oberste evangelische Kirchengericht den von der Landeskirche verfugten Hinauswurf kassiert und das Verfahren eingestellt. Hat Sie das uberrascht?

Das war der Kirchengerichtshof in Hannover als Berufungsgericht, nicht die Disziplinarkammer unserer Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Nicht nur ich war uberrascht. Viele - und auch ich - halten diese Entscheidung und ihre Begrundung fur verfehlt - in meinen Augen ein Fehlurteil. Ich bin mir sicher, dass daruber in Fachkreisen noch eine kritische Auseinandersetzung stattfinden wird.

Der bayerischen Landeskirche und speziell dem damaligen Landesbischof Friedrich wurde sogar Verfolgungseifer attestiert....

Das ist volliger Quatsch. Landesbischof Johannes Friedrich hat vorbildlich gehandelt, weil er, anders, als in fruheren Jahrzehnten leider allzu oft in solchen Fallen ublich, nicht bereit war, dass der Mantel des Schweigens um Tater und Opfer gehullt und das Leid unter den Teppich gekehrt wurde. An dem Vorwurf sehen Sie, dass unsere Kirche gewiss nicht vertuschend vorging.

In der Einstellungsbegrundung des EKD-Gerichts finden sich einige bemerkenswerte Passagen. So sprechen die Richter von einer Mitschuld der Kirche, weil ein ehemaliges Opfer des Hofer Oberkirchenrats, seine Sekretarin, sich immer wieder vergeblich an die Kirchenleitung wandte und um Versetzung bat. Gibt es heute Vorkehrungen, um so etwas zu verhindern?

Drei Vorkehrungen nenne ich exemplarisch. Erstens ist die Haltung unserer Kirche glasklar: Keine Vertuschung von sexuellem Missbrauch. Zweitens haben wir eine unabhangige Ansprechstelle, die hervorragend und absolut vertraulich berat. Drittens fordern wir einen unverklemmten und zugleich verantwortungsbewussten Umgang mit der Sexualitat, damit sie bleibt, was sie ist: eine wunderbare Gottesgabe.

Vor allem auf dem Land sind Pfarrstellen auch mit gesellschaftlichem Ansehen und einiger Macht verbunden. Bereitet die Kirche ihre Pfarrer auf die Versuchungen vor, die damit verbunden sind?

Wie gehe ich mit Macht, mit Einsamkeit, mit meinen Bedurfnissen, mit meinen unerfullten Sehnsuchten um? Das sind grundlegende menschliche und geistliche Fragen, deren Reflexion zentral ist fur den Pfarrberuf. Wir haben vor zehn Jahren, zu meiner Zeit als Leiterin der Personalabteilung, ein neues System der studienbegleitenden Beratung und Forderung eingerichtet, die den Zugang zur eigenen Person menschlich und geistlich vertiefen. Da spielen auch solche Aspekte eine wichtige Rolle. Das Gesprach fuhrte Joachim Dankbar

 

 

 

 

 




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