| Manipulation, Medien Und Die Zentrale Frage Fur Katholiken
Kath.net
June 21, 2013
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Eine toxische Mixtur aus Polemik, Verzerrung und Aggression wird vor allem gegen die katholische Kirche versprüht. Warum? –
Ein kath.net-Gastkommentar von Gernot Facius
Bonn (kath.net) Erzbischof Robert Zollitsch (Freiburg), der Vorsitzende des deutschen Episkopats, har Medienmacher zu mehr Sorgfalt aufgerufen. „Der Wettlauf um Quoten und Auflagen führt, ja verführt nicht selten zu Oberflächlichkeit, Falschinformationen und Fehlinterpretationen“, sagte Zollitsch während einer Begegnung mit Freiburger Professoren. Man mag Zollitschs Einlassung als banal abtun. Aber ist sie, man denke an Vorgänge der vergangenen Monate, nicht doch aktuell und somit angebracht? Die Welt braucht nun mal Anker der Verlässlichkeit: Medien, die sauber recherchieren und Fakten seriös gewichten. Die Orientierung geben. Die Bausteine für eine unabhängige Meinungsbildung liefern. Die einen geistigen Mehrwert schaffen. Kommunikationsmittel dieser Güte können zu sozialen „Lebensmitteln“ bei der Bewältigung des Alltags werden.
Die Wirklichkeit, wer wollte das bestreiten, sieht anders aus. Manchem medialen Produkt im Deutschland der „Berliner Republik“ ist eine kräftige Dosis Gift beigemischt.
Eine toxische Mixtur aus Polemik, Verzerrung und Aggression wird vor allem gegen die katholische Kirche versprüht. Warum?
Die katholische Kirche gilt, nachdem der landeskirchliche Protestantismus sich sogar vom tradierten Familien-Leitbild verabschiedet und das biblische Scheidungsverbot infrage stellt, als die letzte Bastion, die den Ideologen der Gleichmacherei und des Relativismus, wie sie in meinungsbildenden Redaktionen anzutreffen sind, noch trotzt. Sie wirkt mit ihren entschiedenen Positionen zum Lebensschutz, zu Ehe und Familie wie aus der Zeit gefallen. Katholische Kirche, das lässt sich Tag für Tag beobachten, wird fast nur unter dem Gesichtspunkt der Sexualmoral und eines „Reformstaus“ medial wahrgenommen. Sie polarisiert in einer Gesellschaft, in der Anpassung an den aktuellen Mainstream als höchste Form der Humanität gepredigt wird. Und wer sich nicht anpasst, den trifft die „Fundamentalismus“-Keule.
„Wer für den Katholizismus eintritt, der begeht öffentlich Selbstmord“, hat Matthias Matussek vom „Spiegel“ formuliert. Ein, zugegeben, harsches Urteil eines zu Zuspitzungen neigenden Autors. Doch ist er bei weitem nicht der einzige, der eine verschärfte antikatholische Gangart in den Medien moniert.
Der Berliner Medienphilosoph Norbert Bolz stuft sich selbst als „religiös unmusikalisch“ ein. Aber sein Befund ist bedenkenswert: „In der unendlichen Geschichte der Polemik gegen die katholische Kirche kann man eine wichtige Akzentverschiebung beobachten, nämlich von der Dämonisierung der Macht zur Skandalisierung der Unzeitgemäßheit. Dass der Papst gegen die Pille ist; dass Frauen keinen Zugang zu Priesterämtern haben; dass die lateinische Liturgie wieder zugelassen ist - all das erregt gerade diejenigen, die sich für Christentum und Kirche gar nicht interessieren.“ Gut beobachtet!
Kirche, die katholische zumal, ist für viele Medienmacher ein exotisches Thema, mit dem sich Aufmerksamkeit (und Auflage) erzielen lässt. „Aufklärung“ dient als Tarnmäntelchen für Skandalisierung und Sensationshascherei.
In jüngster Zeit scheinen wieder Dämme gebrochen zu sein. Die Schlagzeile „Junta-Kumpel löst Hitler-Junge ab“, mit der die linksalternative „tageszeitung“, kurz „taz“, in geschmackloser Weise über die Papst-Wahl berichtete, steht stellvertretend für eine neue, aggressive Schmähkritik: „Der neue Papst ist, den bislang vorliegenden Informationen nach zu urteilen, ein reaktionärer alter Sack wie sein Vorgänger, der seinerseits einem reaktionären alten Sack gefolgt war, der wiederum einen reaktionären alten Sack beerbt hatte.“ Mit dem Text wurde nicht nur ein (vorläufiger) Gipfel der Verunglimpfung erreicht, er offenbarte auch ein merkwürdiges Verständnis von Meinungsstärke und Satire. Das haben auch viele Leser so gesehen, wie taz-Chefredakteurin Ines Pohl zugeben musste. Beim Deutschen Presserat, dem Presse-Selbstkontrollorgan, häuften sich die Beschwerden. Zwar rügte das Gremium das Blatt nur wegen der Überschrift, der religiöse Gefühle verletzende Text blieb unbeanstandet, aber es gibt nach wie vor einen Funken Hoffnung, dass dieser Fall eine Diskussion über journalistische Qualitätsstandards befeuert.
Dass diese Standards unterlaufen werden, so es um die katholische Kirche geht, bekam im Februar der Präfekt der Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, zu spüren. In einem „Welt“-Interview hatte Müller gesagt: „Gezielte Diskreditierungskampagnen gegen die katholische Kirche in Nordamerika und auch bei uns in Europa haben erreicht, dass Geistliche in manchen Bereichen schon jetzt ganz öffentlich angepöbelt werden. Die daraus entstandene Stimmung sieht man in vielen Blogs. Auch im Fernsehen werden Attacken gegen die katholische Kirche geritten, deren Rüstzeug zurückgeht auf den Kampf der totalitären Ideologien gegen das Christentum. Hier wächst eine künstlich erzeugte Wut, die gelegentlich schon heute an eine Pogromstimmung erinnert“.
Es hagelte Proteste: „Absolut inakzeptabel und gefährlich geschichtsvergessen“. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger erklärte: „Vergleiche mit dem Holocaust sind geschmacklos.“ Ein signifikantes Beispiel für selektive Wahrnehmung. Der Erzbischof hatte den Holocaust weder begrifflich noch der Sache erwähnt, er sprach auch nicht von „Pogrom“, wie ihm selbst in Qualitätsblättern unterstellt wurde, sondern von „Pogromstimmung“. Zudem ist das Wort keinesfalls durch den Holocaust „besetzt“, wie einige Müller-Kritiker meinten. Der Ausdruck gilt weltweit als Begriff für Ausschreitungen aufgehetzter Gruppen, meist gegen Minderheiten gerichtet. Hingegen war der Holocaust ein staatlich organisierter Völkermord. Wer das vermengt, relativiert die Verbrechen an den Juden.
Oberrabbiner David Rosen aus Jerusalem, internationaler Direktor des amerikanisch-jüdischen Komitees für interreligiöse Angelegenheiten, hat das richtig eingeordnet: „Kein Vergleich mit den Grausamkeiten der Schoah ist je angemessen“, sagte Rosen der „Welt“. Und er fügte hinzu: „Ebenso klar ist für jeden vernünftigen Menschen, der die Worte Erzbischof Müllers nachliest, aber auch, dass ein solcher Vergleich keineswegs in dessen Absicht war. Dies dem Interview zu entnehmen, kann nur das Ergebnis einer böswilligen Absicht sein.“ Wie wurde dieses Statement in den Medien rezipiert? Meist versteckt in Nachrichtenkästen. Chronistenpflicht erfüllt? Halbwegs, ja. Doch der Leser musste die Verteidigung des Erzbischofs quasi mit der Lupe suchen.
Fakten, die nicht ins Bild passen, das sich Teile der veröffentlichten Meinung von der katholischen Kirche machen, werden ignoriert - oder bewusst klein gehalten.
Zum Beispiel in der Affäre um die Piusbrüder. „Papst macht Holocaust-Leugner zum Bischof“ lautete vor drei Jahren eine Schlagzeile der „Süddeutschen“. Der wahre Sachverhalt: Benedikt XVI hatte lediglich die Exkommunikation der vier Traditionalistenbischöfe, unter ihnen der mit skandalösen Äußerungen über die Nazi-Konzentrationslager hevorgetretene Richard Williamson, aufgehoben, doch keiner der Vier wurde als Bischof der Kirche anerkannt. Die Schlagzeile führte die Leser in die Irre.
Ebenso irreführend war die Darstellung des Konflikts zwischen der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und dem Kriminologen Christian Pfeiffer. Die DBK hatte den mit Professor Pfeiffer 2011 vereinbarten Forschungsauftrag „Sexueller Missbrauch durch Priester“ nach inhaltlichen Differenzen, die nicht mehr aufzulösen waren, gekündigt. Gleichzeitig gab sie bekannt, dass für das Projekt ein neuer wissenschaftlicher Leiter gesucht werde. „Kirche stoppt Aufklärung der Missbrauchsfälle“ titelten daraufhin Zeitungen, sogar auf Seite 1. „Kirche stoppt Pfeiffer“ hätte es korrekterweise heißen müssen. Zumal angesehene Kriminologen ihrem Hannoveraner Kollegen Pfeiffer forschungsethische Mängel vorhielten.
Dass die Auflösung des Vertrags mit Pfeiffer nach einem Methodenstreit schlagzeilenträchtig in einen Aufklärungsstopp umgedeutet wurde, ist mit einem Wort zu beschreiben: Manipulation. Ausgeblendet wurde dabei, dass die katholische Kirche, was die Forschung nach den Ursachen sexuellen Missbrauchs und die Prävention angeht, weiter ist als andere gesellschaftliche Institutionen. Doch noch immer wird dem Publikum suggeriert, Pädophilie sei ein spezifisch katholisches Phänomen. Dabei hatten angesehene Psychiater den Nachweis geführt, dass unter Geistlichen keine signifikante Häufung von Pädophilie festgestellt werden könne. In der Presse hat sich das nur marginal niedergeschlagen. Sexuelle Verfehlungen in katholischen Einrichtungen sind durch nichts zu entschuldigen. Der Wahrheit muss auf den Grund gegangen werden. Selbstverständlich auch mit Unterstützung durch die Presse. Aber in vielen Redaktionen bestimmten nicht vorrangig Tatsachen, sondern Meinungen über Tatsachen die Berichterstattung. Die Fokussierung auf das immer Gleiche, den Skandal, verbunden mit dem Ausblenden differenzierter Fakten, erzeugte den Eindruck von Propaganda.
Heribert Prantl hat in der „Süddeutschen Zeitung“ bemerkenswerte Worte über den journalistischen Umgang mit der Affäre Christian Wulff gefunden, sie könnten vice versa auch auf den Umgang mit tatsächlichen oder vermeintlichen Skandalen in der katholischen Kirche bezogen werden „Wenn man nachträglich durch die Artikelstapel blättert, stellen sich Verwunderung, Beklemmung und auch Bestürzung ein - schon über die schiere Masse....schon in der Dichte und Frequenz von Artikeln und Sendungen mag eine Art von Gewalttätigkeit liegen.“ Der Autor riet zur Gewissenserforschung - am besten mittels des Satzes von Paracelsus „Allein die Menge macht das Gift.“
Aktuell gilt das auch für die Debatte über die „Homo-Ehe“. Dass die Verteidigung der Ehe von Mann und Frau (offen für Kinder und auf Lebenszeit angelegt) naturrechtlich begründet ist, und sich keinesfalls gegen die persönliche Würde gleichgeschlechtlich veranlagter Menschen richtet, wird negiert. Ebenso, dass der Katechismus der Kirche ausdrücklich erklärt, Homosexuellen sei „mit Achtung, Mitgefühl und Takt“ zu begegnen. Man schreibt über die Kirche wie über einen x-beliebigen Verein oder eine Partei. Religiöse Haltungen stören. Nicht nur das: Mit dem Kampfbegriff „Homophobie“ wird belegt, wer sich gegen die völlige Gleichstellung von Ehe und gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ausspricht.
Als jedoch der Kölner Kardinal Joachim Meisner von einer sich ausbreitenden „Kathophobie“ sprach, er sich dabei auf französische Wissenschaftler berief, wurde er heftig attackiert. Hat er gar so unrecht? Vielleicht erinnert man sich der Aussagen des ehemaligen New Yorker Bürgermeisters Ed Koch vom April 2010. Koch, ein Jude, erklärte damals in der „Jerusalem Post“: „Ich meine, dass die ständigen Medienangriffe auf die römisch-katholische Kirche Ausdruck eines Antikatholizismus geworden sind.“ Koch erwähnte ausdrücklich die Kritik an den Positionen zu Abtreibung, Verhütung und Homosexualität. In vielen Fragen stimme er mit der Kirche nicht überein, sie habe aber das Recht, ihren Glauben zu leben und zu verkünden. Doch genau dieses Recht wird der römisch-katholischen Kirche in zunehmendem Maße bestritten.
Was empfehle er den Bischöfen, wurde der schon zitierte Professor Bolz gefragt. Bolz: „Die zentrale Frage ist, ob die katholische Kirche eine ähnliche Anpassungsstrategie wie die evangelische Kirche fährt und in der spirituellen Bedeutungslosigkeit verschwindet, oder ob sie bereit ist, unzeitgemäss zu sein und dafür auch Prügel einzustecken.“ Genau, das ist d i e Frage.
Gernot Facius arbeitete 36 Jahre und drei Monate für die WELT, von 1976 bis Ende 2007 u.a. als Nachrichtenchef und stellvertretender Chefredakteur, und bis Ende 2012 als fester Autor. Er war neun Jahre Mitglied der Jury des katholischen Journalistenpreises. Von der Konferenz Evangelikaler Publizisten wurde der Katholik mit dem „Goldenen Kompass“ für vorbildliche Kirchenberichterstattung ausgezeichnet. Er lebt als freier Autor bei Bonn.
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