| Ehemalige Entsetzt Uber Diakonie
Bergische Landeszeitung
June 13, 2013
http://www.rundschau-online.de/rhein-berg/keine-entschaedigung-ehemalige-entsetzt-ueber-diakonie,16064474,23277212.html
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Das Knabenheim „Gut zur Linde“ in Moitzfeld, in dem es – inzwischen langst bewiesen – zu Gewalthandlungen und sexuellen Ubergriffen an Heimbewohnern kam. (Foto: privat)
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Die ehemaligen Heimkinder von Moitzfeld, die im fruheren Knabenheim „Gut an der Linde“ in Moitzfeld missbraucht wurden, sind entsetzt. Sie sollen keine Entschadigung von der Bergischen Diakonie Aprath, die in Moitzfeld Kinderheime unterhielt, erhalten.
Das hat ein Sprecher der Bergischen Diakonie auf Medienanfragen mitgeteilt. Demnach seien die Entschadigungen, die die Evangelische Kirche im Rheinland am Montag angekundigt hat, nur fur Opfer sexueller Gewalt gedacht.
Im Knabenheim seien solche Ubergriffe aber die Ausnahme gewesen. Die fraglichen Falle seien schon damals aufgeklart und geahndet worden, hie? es vom theologischen Vorstand der Bergischen Diakonie in Wulfrath. Am haufigsten seien „Misshandlungen durch unangemessene Erziehungsmethoden“ gewesen.
Jahrzehnte, um sich zu offenbaren
Die rheinische evangelische Kirche will Opfer sexueller Gewalt entschadigen, wurde am Montag bekannt. Zum Teil brauchen Opfer Jahrzehnte, bis sie sich offenbaren. 67 Falle wurden insgesamt in zwei Jahren bekannt, so die Kirche.
Weder von Diakonie-Vorstand Pfarrer Jorg Hohlweger noch von der Pressestelle der Diakonie erhielt die BLZ gestern erganzende Stellungnahmen.
Reiner Glaser, einer der Betroffenen, die offentlich gegen das erlittene Unrecht kampfen, gestern: „Ich habe heute Morgen eine Bestatigung der schlimmen Nachrichten von der Diakonie-Spitze erhalten.“ Umgehend beschwerte sich Glaser beim Landesministerium fur Gesundheit und Soziales: „Uns wurde bei Gesprachen Entschadigungen zwischen 10- und 20 000 Euro zugesagt. Das ware ja nur symbolisch. Wir waren wahrscheinlich auch mit nur 5000 Euro einverstanden gewesen. Als symbolische Anerkennung fur das Unrecht. Jetzt sollen wir gar nichts bekommen – wir werden doch nur verar . . .“
Der Hinweis auf das Knabenheim alleine ist fur die Ehemaligen ein besonderer „Hohn“, schlie?lich habe es auch das Heim fur Madels und Jungen in Sichtweite gegeben. Reiner Glaser: „Ein Pfleger ist nachweislich wegen schlimmster sexueller Ubergriffe verurteilt worden. Wie kann man das jetzt als erledigt betrachten? Was ist denn mit den Opfern? Wurde mit ihnen gesprochen?“
Der Bergisch Gladbacher Peter Klee verweist ebenfalls auf das zweite Heim: „Wenn die Diakonie davon spricht, dass es dort kaum sexuelle Gewalt gegeben hat, dann muss man das, vornehm ausgedruckt, als ,stark untertrieben’ bezeichnen. Und was ist mit den Madels, die in dem zweiten Heim vergewaltigt wurden? Wieso wird das plotzlich vollig weggelassen?“
Was Klee uberhaupt nicht versteht, ist der Umstand, dass kurzlich bei einem Gesprach mit der Diakonie „mit keiner einzigen Silbe“ die Absage zur Entschadigung erwahnt worden sei.
Die lange versprochene Aufarbeitung in einer wissenschaftlichen Arbeit war zuletzt geplatzt. Zwischen der „Hauptgruppe“ der ehemaligen Heimkinder von Moitzfeld um Reiner Glaser und Axel Weiner sowie dem ehemaligen Betreiber Bergische Diakonie Aprath herrschte plotzlich Funkstille. Die Wissenschaftlerin Prof. Dr. Carola Kuhlmann (FH Bochum), die im Auftrag der Diakonie auch die Geschichte von Glaser & Co. in ihre Aufarbeitung einbauen sollte, hatte die Zusammenarbeit aufgekundigt. Kuhlmann fuhlte sich angesichts der personlichen Ablehnung durch die Betroffenen geradezu bedroht und legte ihre Arbeit nieder.
Reiner Glaser gestern: „Ich mache weiter. Diese unertraglichen Ereignisse mussen aufgearbeitet werden.“
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