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Zeitgeist Forderte Bei Grunen Gefahrliche Tendenzen

By Matthias Kamann
The Welt
May 15, 2013

http://www.welt.de/politik/deutschland/article116191482/Zeitgeist-foerderte-bei-Gruenen-gefaehrliche-Tendenzen.html

Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit gab 1980 den Kämpfer. Über seine Pädophilie-Äußerungen redet er heute verdruckst

Dass Grüne einst Sex mit Kindern propagierten, beschädigt ihren moralischen Nimbus. Gerade ihre Verbindung mit dem damaligen Zeitgeist der sexuellen Revolution führt die Grünen jetzt an Abgründe.

Auf dem Höhepunkt des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche versuchte im Februar 2010 der damalige Augsburger Bischof Walter Mixa die Verbreitung von Pädophilie bei Priestern zu erklären. Mixa sagte: "Die sogenannte sexuelle Revolution, in deren Verlauf von besonders progressiven Moralkritikern auch die Legalisierung von sexuellen Kontakten zwischen Erwachsenen und Minderjährigen gefordert wurde, ist daran sicher nicht unschuldig."

Heftig widersprach ihm damals Grünen-Chefin Claudia Roth: "Es ist nicht nur haarsträubend, sondern auch eine beispiellose Verhöhnung der Opfer sexuellen Missbrauchs, wenn an diesem Skandal innerhalb der katholischen Kirche nun andere schuld sein sollen." Die anderen Bischöfe, so Roth in der "Augsburger Allgemeinen", müssten sich "in aller Schärfe von diesen Entlastungsversuchen ihres Bischofs zu distanzieren".

Falls Roth dies ernst gemeint hat, stehen die Grünen heute vor einem Problem. Denn wenn es als "Entlastungsversuch" unzulässig sein soll, die Duldung von Pädophilie auf den Zeitgeist zurückzuführen – wie sollen dann heute die Grünen erklären, dass bei ihnen Anfang der 80er-Jahre für Sexualkontakte zwischen Erwachsenen und Kindern geworben wurde? Auf den Zeitgeist soll man also nicht verweisen dürfen. Worauf dann? Auf kriminelle Energie? Auf die Verantwortung einer Institution?

Spinner und bekennende Pädophile bei "Stadtindianern"

Als Institution hatte sich die Partei der Grünen 1980 gegründet, zu ihren Anliegen zählten ein liberales Sexualitätsverständnis und die Entkriminalisierung tabuisierter Lebensformen. Dies zog in den Gründungsjahren Gruppen aus dem unterleibsanarchistischen Dunstkreis der Alternativbewegung an, wo man in einer Mischung aus Sexualutopien à la Wilhelm Reich und rabiater Elternkritik auch Sex zwischen Minderjährigen und Erwachsenen propagierte. Zu diesen informellen Gruppen – "Stadtindianer" genannt – gehörten neben Spinnern bekennende Pädophile. Sie sahen in den Grünen eine politische Kraft, mit der sich die Legalisierung von Sexualkontakten zu Kindern erreichen lassen könnte.

Politisch haben sie bei den Grünen einiges erreicht. Ihren größten Triumph konnten sie auf dem Programmparteitag des nordrhein-westfälischen Landesverbands im März 1985 in Lüdenscheid feiern. Da präsentierten sie ein Diskussionspapier, wonach "einvernehmliche Sexualität zwischen Menschen jeglichen Alters" nicht verboten werden und "gewaltfreie Sexualität niemals Gegenstand strafrechtlicher Verfolgung sein" dürfe. Diese Aussagen fanden zwar keine Mehrheit.

Doch wurde der Text als "Arbeitspapier" für die weitere Diskussion angenommen, wobei man die strittigen Positionen – als solche gekennzeichnet – beibehielt. Sofort gab es massive Proteste vieler Grüner gegen die Kindersex-Passagen, und bald darauf beschloss der Landeshauptausschuss der NRW-Grünen, das Papier sei nicht geeignet, "den Schutz von Kindern vor sexuellen Übergriffen durch Erwachsene zu erhöhen".

Der grüne Mainstream

Doch waren Befürworter der Pädophilie in der Partei auch organisatorisch verankert. Früh gründete sich eine Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule, Päderasten und Transsexuelle (BAG SchwuP), der einige Pädophilie-Befürworter angehörten. Diese BAG wurde laut "Spiegel" von der Partei jahrelang mit Geld versorgt. Veröffentlichungen der dort aktiven Pädophilen, die sich publizistisch in der "taz" breitzumachen versuchten, waren des Öfteren bebildert mit kaum bekleideten Kindern sowie Erwachsenen, die diese Kinder anfassen.

Dann war da noch der heutige Europa-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit. 1975 war sein Buch "Der große Basar" erschienen, worin er bei der Beschreibung seiner Erzieher-Zeit in einem Frankfurter Kinderladen in Ich-Form über Sexualkontakte mit Kleinkindern schrieb. Anfang der 80er-Jahre in einer TV-Talkshow sagte Cohn-Bendit: "Wenn ein kleines fünfjähriges Mädchen beginnt, Sie auszuziehen, ist es fantastisch."

Heute findet Cohn-Bendit solche Sätze "hässlich" und "angeberisch", wie er dem "Spiegel" sagte, nennt aber die Passagen aus dem "Großen Basar" nur eine "Provokation" ohne realen Missbrauchshintergrund, eine literarische "Verdichtung dieser Diskussion". Diese Deutung durch Cohn-Bendit hat man trotz ihrer Unplausibilität so lange zu akzeptieren, wie kein Kind von damals behauptet, von ihm missbraucht worden zu sein. Bisher hat sich niemand gemeldet. Cohn-Bendit sagte in dem Interview aber auch, die Haltung zur "Altersfreigabe beim Sex mit Erwachsenen" sei "bei den Grünen Mainstream" gewesen.

> Feindselig gegenüber staatlichem "Repressionsapparat"

Insofern kommt man nicht darum herum, das von Claudia Roth bei der katholischen Kirche abgelehnte Zeitgeist-Argument bei den Grünen heranzuziehen, und Roth täte gut daran, das Recht auf diese Erklärung anderen Institutionen nicht rundweg abzusprechen. Bei den Grünen war es selbstverständlich eine zeittypische und eben grundfalsche Haltung, die damals Pädophilie-Befürwortern eine Bühne eröffnete. Man idealisierte die angeblich freie Sexualität und ignorierte die grundsätzliche Asymmetrie in sexuellen Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern.

Zudem sorgte die Feindseligkeit gegenüber dem staatlichen "Repressionsapparat" dafür, dass man im Zweifel lieber mit Pädophilen sympathisierte als mit Staatsanwälten. Hinzu kam ein Pseudo-Pluralismus, in dem man den vermeintlich zu Unrecht unterdrückten Stimmen ein Podium geben zu müssen meinte. Der Rest waren Naivität und Feigheit.

Wie es damals bei den Grünen bei dem Thema zuging, berichtet als unverdächtige Zeitzeugin die Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck, die 1983 ins bundesdeutsche Parlament eingezogen war. "Nachhaltige Erinnerungen", so Beck im Gespräch mit der "Welt", habe sie "daran, dass in den frühen 80er-Jahren bei Grünen-Parteitagen im Bund und auch in meinem damaligen baden-württembergischen Landesverband das Podium mehrfach von Mitgliedern der so genannten Stadtindianer besetzt wurde. Ich weiß noch, dass zu diesen Gruppen auch erwachsene Männer gehörten."

Diese Leute seien bei ihren Stör-Aktionen "sehr rabiat" gewesen, "und wir anderen trauten uns nicht, selbst rabiat gegen sie vorzugehen. Ich kann nicht für mich reklamieren, damals schon erkannt zu haben, um was für Leute es sich da handelt. Allerdings überstieg es auch meine Vorstellungen, dass es da um Sex mit Kindern gehen könnte."

Extrem gefährliche Tendenzen

Die Vorgänge bei den NRW-Grünen hätte man zwar "irre gefunden", erzählt Beck. "Aber wir haben damals nicht erkannt, dass dabei die Dimension des Missbrauchs erreicht ist. Das kann daran liegen, dass jedenfalls ich wegen meiner durchaus konservativen Herkunft gar nicht fähig war mir vorzustellen, dass es solche Sexualbeziehungen geben könnte. Ich dachte in Kategorien von 17- und 19-Jährigen." Beck sieht aber auch grüne Denkfehler: "Ein anderer Grund dürfte sein, dass bei uns das Aufbegehren gegen die Prüderie der Nachkriegsgesellschaft und gegen staatliche Vorschriften so stark war, dass wir anfangs die Pädophilen nicht entschieden genug zurückgewiesen haben. Es herrschte eine große Unsicherheit, was man darf und was man nicht darf."

Damit wird das Zeitgeist-Argument zum Problem für die Grünen. Zu ihren stabilsten Mythen gehört ja, dass sie sexualpolitisch stets auf der Seite eines moralisch guten Zeitgeist standen, vom Kampf gegen Vergewaltigung in der Ehe über den Einsatz für Homosexuelle bis zum Vorgehen gegen Kindesmissbrauch, wozu sie schon Mitte der 80er-Jahre Gesetzesanträge stellten. Nun aber wird sichtbar, dass jener die Grünen erfüllende Zeitgeist auch extrem gefährliche Tendenzen beförderte, die sich bei ihnen eine Zeit lang breitmachen konnten.

Das trübt den Glanz der Partei als einer Vorkämpferin sexueller Freundlichkeit. Denn gerade ihre Verbindung mit dem Zeitgeist führte sie an Abgründe. Erst rund um 1986 machte man kehrt, nicht zuletzt auf Druck von Feministinnen, die den männlichen Pädophilen den Kampf ansagten. Wobei jene Feministinnen erst lernen mussten, dass zwar Sexualkontakte zwischen Erwachsenen und Kindern grundsätzlich abzulehnen sind, aber nicht jeder Vater ein Vergewaltiger ist, wenn er mit seiner Tochter badet. Noch hier also, noch im richtigen Kampf gegen Pädophile, war man keineswegs sofort auf der richtigen Spur.

Jetzt hat der Grünen-Vorstand beschlossen, von einem Parteienforscher die Geschichte der Pädophilie-Befürwortung in der Partei rekonstruieren zu lassen. Marieluise Beck begrüßt das. Es sei "absolut richtig, dass dieses Thema jetzt bei uns Grünen umfassend aufgearbeitet wird. Wir müssen uns fragen, ob damals Pädophilie-Befürworter bei uns geduldet wurden und ob wir nicht weggesehen haben, wo wir hätten hinschauen müssen. Da muss jetzt ganz sauber recherchiert werden."

Union pocht auf Klärung vor der Sommerpause

Allerdings bleibt zu fragen, ob es reicht zu rekonstruieren, wann welcher Beschluss gefasst wurde, welche BAG existierte. Vielmehr sind die die Grünen mit dem grundsätzlichen Problem konfrontiert, dass ihre Sexualpolitik keineswegs immer so edel war, wie sie das gern darstellen. Auf den grünen Zeitgeist ist ein Schatten gefallen.

Die Unionsfraktion fordert von den Grünen eine schnellere Klärung des Einflusses von Pädophilen in der Frühphase der Partei. "Einen Parteienforscher mit Frist zum Jahresende zu beauftragen zeigt lediglich, dass die Grünen an einer raschen Aufarbeitung nicht interessiert sind", sagte Erika Steinbach (CDU), die die Unionsfraktionsarbeitsgruppe Menschenrechte leitet. "Die Grünen müssen selbst die Vorwürfe klären und die Öffentlichkeit noch bis zur Sommerpause unterrichten." Der Grünen-Vorstand hatte eine Prüfung durch einen unabhängigen Forscher beschlossen.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt warf der Grünen-Spitze vor, ihre schützende Hand über "einen widerwärtigen Pädophilen" wie den Europapolitiker Daniel Cohn-Bendit zu halten und die Aufklärung zu verhindern. Dobrindt forderte außerdem, die Grünen müssten offenlegen, wie viel Geld von der Grünen-Bundestagsfraktion und der Partei an Pädophilen-Organisationen geflossen sei.




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