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2013-01-22 Meine Schulzeit Am Ako Klaus Mertes

Unheilige Macht
January 22, 2013

http://unheiligemacht.wordpress.com/2013/01/22/2013-01-22-meine-schulzeit-am-ako-klaus-mertes/

Der Jesuiten-Pater aus Bad Godesberg war bis 2011 Leiter des Berliner Canisius-Kollegs

Lieber Christian,

du hast mich gefragt, ob ich für den Blog etwas über meine Geschichte mit dem Aloisiuskolleg schreiben kann. Ich will das gerne versuchen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Ich versuche mich kurz zu fassen, damit es lesbar bleibt. Und mir ist zunächst einmal wichtig, dass ich hier als ehemaliger Schüler spreche. Ich kann mich, was das Ako betrifft, nicht so einfach der „Täterseite“ zuordnen, wie ich es am Canisius-Kolleg konnte, das ich ja erst 1994 kennenlernte.

Als ich im Januar 2010 meinen Brief an die ehemaligen Schüler des Canisius-Kollegs in Berlin schrieb, hatte ich das Ako gar nicht im Blick. Darüber nachher mehr. Aber ich war – zu meiner nachträglichen Überraschung – nicht überrascht, als ich schon bald Post von ehemaligen Schülern und von Eltern ehemaliger Schüler aus dem Ako mit Opferberichten bekam. In meinen Antworten bestätigte ich spontan die Glaubwürdigkeit der Berichte vor dem Hintergrund meiner eigenen Erinnerungen.

Das Buch „Unheilige Macht“ hat mich neu auf das Thema meines eigenen Mitwissens gestoßen –ohne das ich ja die Glaubwürdigkeit der Opferberichte nicht hätte bestätigen können. Zu diesem Mitwissen möchte ich jetzt etwas schreiben. Ich muss da zunächst unterscheiden zwischen meiner Zeit als Schüler am Ako (1966-1973) und meiner Zeit im Orden (ab 1977). Ich war externer Schüler und hatte nur sehr wenig Kontakt mit internen Schülern. Ich gehörte zu einer eher konservativ-rebellischen Gruppe von Schülern, die gemeinsam mit einigen Lehrern und auch einigen Patres kritisch zum neuen Mainstream im Ako standen, der vor allem durch die Person von P. Stüper repräsentiert wurde. Porträt-Bilder von Mitschülern im Internatsgebäude, Gerüchte über Segeltörns mit Lieblingsschülern in den Ferien streiften meine Augen und Ohren nur oberflächlich. Bei den Porträtbildern störte mich weniger die Badehosen-Ästhetik, für die ich damals das Wort „pädophil“ nicht zur Verfügung hatte, sondern überhaupt die Tatsache, dass einzelne Schüler in der Öffentlichkeit so hervorgehoben wurden. Ganz tief unten in mir spürte ich auch die Sehnsucht, ein Liebling sein zu dürfen, aber das gestand ich mir wegen meiner Rebellen-Position, die mir übrigens in der Oberstufe einmal die Androhung der Schulverweisung eintrug, erst gar nicht ein. Ich erkenne das nur rückblickend. Das Phänomen der drakonischen Strafen stieß uns ab. Ich erinnere mich, dass ein Internatsschüler einmal – wegen Drogenmissbrauch, wenn ich mich nicht irre – eine Glatze geschoren bekam. Das verurteilten wir Mitschüler als demütigend und bloßstellend. Wir spürten die darin liegende Gewalt. Heute lese ich erschütternde Berichte wie etwa den über einen Schüler, der nackt mit zwei großen Hunden in einem dunklen Raum eingesperrt wurde mit dem Ziel, Denuntiationen aus ihm herauszupressen; ich erkenne den Zusammenhang zu den Symptomen, die uns damals als Schülern sichtbar waren, und es entsetzt mich. Die pädophile Ästhetik war kalt, und dahinter steckte Gewalt, etwas ganz Dunkles, über das auch ich noch mehr wissen möchte.

Als Schüler wischten wir die Symptome, die wir sahen, weg – wir waren ja Kinder, Jugendliche, und wussten nicht, dass es Symptome waren – und befassten und mit unseren eigenen Themen. Das waren besonders Politik (der Kampf um die Ostpolitik, die Studentenbewegung, Marxismus), Fußball, Philosophie, Musik, Oberstufenreform (meine ersten Leseerlebnisse mit Hentig-Texten), Demokratisierung der Schule. Wir hatten großartige Lehrer – und auch ein paar weniger gute, wie an jeder Schule. Mit den linken, von der 68er Studentenbewegung geprägten Mitschülern führten wir heiße Debatten – und waren uns doch zugleich in einer rebellischen Grundhaltung gegenüber dem neuen Mainstream am Ako einig. Das war einfach eine wunderbare Zeit. Ein Mitschüler schrieb mir kürzlich sinngemäß: „Wir waren so stark, an uns hätte sich Stüper nicht rangewagt.“ Das stimmt. Wir hatten ein Gefühl von Stärke. Mit diesem Gefühl der Stärke verließ ich auch die Schule. Ich war stolz, ein Schüler des Ako gewesen zu sein. Was ich heute nachträglich erkenne, ist dies: Das Gefühl von Stärke machte uns blind. Wir sahen nicht, dass Mitschüler Opfer waren, und dass unsere Blindheit für sie ein Teil ihres Leidens war. Sie waren allein.

Eine zweite Heimat im Ako fand ich in der ND-KSJ-Gruppe. Sie ist von besonderer Bedeutung für meine Entscheidung gewesen, in den Jesuitenorden einzutreten, zumal die KSJ mit ihrer verbandlichen Struktur mich über das Ako hinausführte. Anfang der 70er Jahre begannen Herr Knüttgen und das Ako-Pro irgendwann, die „Scouter“ zu gründen – ein System eigener Art, wie ich jetzt nachträglich erkenne. Ich bekam das nur noch am Rande mit, denn meine Schulzeit am Ako neigte sich dem Ende zu. P. Stump, der die KSJ am Ako leitete, sah in den Scoutern eine Konkurrenz zum ND – zu Recht, wie ich meine. Der Niedergang, ja, das Zerwürfnis zwischen der Ako-Leitung und der KSJ-Gruppe am Ako, das in den 90er Jahren seinen Höhepunkt erreichte, hat sicherlich hier einen vom Ako selbst verschuldeten Grund.

Ich teile das Urteil des Zinsmeisterberichtes, dass es unverantwortlich ist, einen alkoholkranken Mitbruder Verantwortung für Jugendliche in die Hand zu geben. Schon in meiner Schulzeit trank ich instinktiv in Gegenwart von P. Stump (fast) nicht mit, wenn die Gruppenleiter abends nach getaner Arbeit mit ihm Alkohol konsumierten. In den 80er Jahren wurde mir das Ausmaß von P. Stumps Alkoholkrankheit deutlich. Auch seine mangelnde Selbstkontrolle, die etwas latent gewalt-schwangeres ausstrahlte, gehört in mein Bild, so dass ich keinen Zweifel an der Richtigkeit der Berichte über ihn im Zinsmeisterbericht habe. 2002 starb P. Stump. Ich reflektierte in meiner Predigt seine Alkoholkrankheit – die Predigt ist im Ako-Heft 2002 nachzulesen –, und sprach auch darüber, warum mir P. Stump in Kenntnis seiner Schwächen und seiner Krankheit zugleich ein Vorbild war und blieb. Bis heute befinde ich mich in einem inneren Dialog mit P. Stump und empfinde dabei tiefe Zuneigung, ohne etwas von dem verleugnen oder bagatellisieren zu müssen, was über ihn nach 2010 noch herausgekommen ist. Ohne P. Stump wäre ich wohl nicht Jesuit geworden. Ich werde mit dieser Spannung weiterleben. Ich sehe ihn mit großer Zuneigung als eine für mich väterliche Figur an, und zugleich weiß ich jetzt noch mehr über seine Abgründe als früher. Väter sucht man sich nicht aus.

Eine Szene arbeitet noch in mir, die aus dem Jahre 1986 stammt. Kurz vor meiner Priesterweihe im Herbst 1986 lud P. Stump mich ein, noch einmal ein Sommerlager der KSJ zu leiten. Ich sagte zu. In den Tagen in Cassel merkte ich dann, dass ihm die Leitung der KSJ faktisch aus der Hand geglitten war. Besonders bedrückte ihn das „Schoßhündchenphänomen“, wie er es nannte. Es hatte sich in der KSJ auf Zeltlagern eingebürgert, dass die älteren Schüler, die Gruppenleiter waren, bei den 10-12jährigen Jungen „Lieblinge“ hatten, die auf ihrem Schoß saßen und dort kuschelten. Mich befremdete dieser Anblick zutiefst. P. Stump fand es auch furchtbar, hatte aber vor dem Phänomen kapituliert. Nachträglich frage ich, ob die pädophile Beziehungsstruktur im Ako in den 80er Jahren bereits so sehr zum allgemeinen Mainstream geworden war, dass sie auch die KSJ erfasst hatte. Bis heute habe ich darauf, was die KSJ betrifft, keine klare Antwort.

1977 trat ich in den Jesuitenorden ein. Rückblickend erscheint es mir nach der Blickwende 2010 so, dass ich mehr und mehr in den Orden minus Ako eingetreten bin. Die Ambivalenz zwischen meinem Stolz und meiner Dankbarkeit für meine Ako-Zeit einerseits und meinem rebellischen Blick auf den Mainstream andererseits, der sich mehr und mehr am Ako etablierte, löste ich für mich auf, indem ich das Ako nur selten betrat und innerlich abzuspalten begann. Aus dem Orden wehte mir ohnehin von Anfang an eine skeptische Haltung gegen das Ako entgegen. Vielleicht wollte ich auch im Kreise der Mitbrüder der Fremdbestimmung als „Ako-Schüler“ entkommen, weil dieser Name bei den meisten von ihnen absurderweise auch einen stigmatisierenden Beiklang hatte (Liebe Mitbrüder, sehr viele von euch haben sich jahrelang vornehm vom Ako distanziert, aber damit auch das Ako und seine Schüler alleingelassen – das gehört auch zur Geschichte des Ako dazu!). Zugleich blieben natürlich mein Stolz und meine Dankbarkeit für das Ako. Mir war im Kopf klar, dass ich nach meinem Studium nicht mehr an das Ako zurückkehren würde, obwohl andererseits auch die Selbstverständlichkeit, mit der alle anderen immer wieder darauf anspielten, dass es ganz wichtig für mich sei, nicht an das Ako zurückzukehren, für mich einen unangenehmen, von außen psychologisierenden, paternalistischen Beigeschmack hatte.

Als ich 1990 an die Sankt-Ansgar-Schule in Hamburg kam, war das für mich mit einem definitiven Abschied von meiner rheinischen Heimat verbunden. Damit ließ ich auch das Ako hinter mir. Ab 1994 folgten die Jahre in Berlin. Einige Jahre danach gab es dann einen Bruch, der mit der jüngeren Ordensgeschichte und eigentlich nicht mehr mit meiner Ako-Vergangenheit zusammenhängt. In Berlin lebte ich mit einem Mitbruder zusammen, der unter Beschuss geriet, weil er sich öffentlich gegen die Diskriminierung von homosexuellen Klerikern gestellt und sich dabei als Betroffener solcher Diskriminierung zu erkennen gegeben hatte. Auf einer kirchlichen Synode hatten andere Kleriker angesichts der Missbrauchsfälle in den USA öffentlich gefordert, man solle die Homosexuellen aus dem Klerus entfernen, damit es keine Übergriffe mehr geben würde. Vorher hatte sich der betreffende Mitbruder bei mir und den Mitbrüdern am Canisius-Kolleg Rückendeckung geholt, so dass wir anschließend gemeinsam den Sturm homophober Empörung durchstehen durften, nachdem er in den Synode aufgestanden und öffentlich gesagt hatte: „Ich bin schwul, und ich tue so etwas nicht.“ Zwei Jahre später berichtete derselbe Mitbruder in einem namentlich gezeichneten Artikel über diese Erfahrung. Er hatte sich wieder vorher von mir – inzwischen war ich Oberer der Kommunität geworden – Rückendeckung für die Publikation geholt. Der Sturm, der nun über uns einbrach, übertraf die vorherigen Erfahrungen. Es war die nackte Gewalt. Zu den härtesten Reaktionen gehörten diejenigen, die mir aus der Kommunität am Ako zugetragen wurden. Bei einer Provinzversammlung erlebte ich einige Monate später, wie ein Mitbruder aus dem Ako beim Anblick meiner Person ohne Vorwarnung vollkommen die Fassung verlor und mich anbrüllte, wie ich noch selten in meinem Leben angebrüllt worden bin. Seit diesem Tag beschloss ich, das Ako nur noch zu betreten, wenn es unumgänglich ist. Ein nicht-jesuitischer Kollege aus dem Ako sagte mir nach 2010, ihm falle nachträglich auf, dass die pädophile Ästhetik am Ako mit einer ausgeprägt homophoben Grundstimmung verbunden gewesen sei. Ich bestätige diesen Eindruck.

In den 90er Jahren versammelte sich die norddeutsche Jesuitenprovinz jedes Jahr zu einem Symposion in der Osterwoche am Ako. Wir sahen die Bilder, feixten über sie, sprachen das Wort „pädophil“ aus – und gingen dann wieder nach Hause, kümmerten uns nicht weiter um das Ako, sahen die Jugendlichen (und Angestellten) nicht, die dort mit diesen Bildern lebten. Auch über das Buch von Miguel Abrantes tuschelten wir herum – und fragten nicht bohrend im Ako nach. Und dann ließen wir es wieder hinter uns. Godehard Brüntrup hat in seinem Text in dem Buch „Unheilige Macht“ beschrieben, wie ihm die pädophile Atmosphäre der Bebilderung am Ako schon bei einem Noviziatsbesuch im Ako auffiel. So ging es mehr oder weniger allen. Wir Mitbrüder und Mitschüler müssten über diesen Aspekt des Missbrauchs am Ako sprechen. Das würde auch jenen helfen – Jesuiten Mitschülern, Lehrern, Erziehern und auch Eltern –, die noch nicht darüber sprechen können. Wir haben die Symptome alle gesehen, und wir waren befremdet, haben Befremdungen anderer nicht an uns herangelassen (Ein Mitschüler erzählte mir, dass er in den 70er Jahren seine Eltern bei einem Ako-Besuch mit Befremden auf die Bilder aufmerksam machte. Die Eltern antworteten: Wieso, das sind doch schöne Bilder!). Wir wollten und nicht stören lassen. Vielleicht hat uns gerade die Dreistigkeit der Symptomatik überfordert. Aber genau dies macht die Schwierigkeit der Aufarbeitung am Ako nun aus. Es hilft da nicht, mit dem Finger auf hauptsächliche Mitwisser zu zeigen, wenn man nicht zugleich auch sich selbst als Mitwisser sieht.

Im Ako stellt sich das Problem des Mitwissens radikaler als in den Fällen von Berlin, Hamburg und St. Blasien. Durch die öffentliche Ausstellung seiner Fotografien machte P. Stüper alle zu Mitwissern: Alles wirkte irgendwie öffentlich. Die Öffentlichkeit der Bilder steht für eine Besonderheit des Missbrauchs, die schwer in Worte zu fassen ist: Die Missbrauchstaten anderer Mitbrüder waren und wären in dem Moment, wo auch nur ein Zipfel von ihnen nach außen sichtbar geworden wäre, als ekelhafte Missbrauchstaten erkennbar gewesen – umso schlimmer ja das Schweigen und Vertuschen, als ein Zipfel von ihnen sichtbar wurde. Im Falle des „Systems Ako“ ist das schwieriger. Viele Mitwisser haben viele Symptome gesehen und bestreiten, dass es sich um ein Mitwissen über sexuellen Missbrauch handelt, um Symptome, die Gewalt und sexuellen Missbrauch sichtbar machen. Alle wussten oder spürten angesichts der öffentlichen Bilder etwas, aber alle erkannten darin keinen sexuellen Missbrauch, woraus viele bis heute schließen, dass es auch kein wirklicher sexueller Missbrauch war, was da passiert ist – im Unterschied zu den offensichtlichen Verbrechen anderer. Es gibt eben mehrere Ebenen. Und vielleicht macht genau dieser Punkt den Zorn der Opfer aus: Sie fühlen, dass sie letztlich noch gar nicht als Opfer sexuellen Missbrauchs anerkannt worden sind, trotz gegenteiliger Rhetorik, trotz Zinsmeisterbericht trotzt Anerkennungszahlungen.

In diesen Tagen hat es viel Gerede über das Scheitern der Pfeiffer-Studie gegeben. Ich gestehe, dass ich gegenüber großflächigen wissenschaftlichen Studien solange skeptisch bin, wie die Schweigespirale in den Systemen noch nicht durchbrochen ist, die da wissenschaftlich untersucht werden sollen. Das gilt für die Kirche allgemein genauso wie für die einzelnen kirchlichen Institutionen. Aus dem Blog „Unheilige Macht“ geht hervor, dass insbesondere beim Ako das Schweigen noch nicht wirklich durchbrochen ist. Als ehemaliger Mitschüler und dann als Jesuit beginne ich zu begreifen, dass mein wunderbare Schulerfahrung am Ako, mein Rebellengeschichte, mein Mitwissen und Nichtmerken, mein das-Ako-hinter-mir-lassen die Opfer allein gelassen hat – nicht weil ich es so intendierte, sondern weil es so war. Ich kann aber nach 2010 zu meiner Geschichte mit dem Ako nur zurückfinden, wenn ich diesen Aspekt mit hinzunehmen: Es gibt keine Geschichte des Ako ohne die Geschichte der Opfer und die Geschichten des eigenen Mitwissens.

In diesem Sinne danke ich Dir für Deine Frage.

Herzliche Grüße, Klaus

Der Generalanzeiger Bonn greift den Artikel am 25.01.2013 in einem Interview mit Klaus Mertes auf:

“Mitwisser” sollen nicht länger zum Missbrauch schweigen

Von Ebba Hagenberg-Miliu.

BONN.  Klaus Mertes hat eine besondere Sicht auf die Missbrauchsfälle am Aloisiuskolleg (Ako) in Bad Godesberg: Er war selbst Ako-Schüler, als der 2010 verstorbene Haupttäter Pater Ludger Stüper schon dort tätig war. 2010 brachte Pater Mertes den Missbrauchsskandal von Berlin aus ins Rollen. Im GA äußert er sich erstmals zum Ako.

Sie sagen, Sie haben selbst eine wunderbare Schulerfahrung am Ako gemacht?

Klaus Mertes: Ja. Ich bin dem Ako bis heute dankbar. Ich hatte gute Lehrerinnen und Lehrer, und auch ein paar weniger gute, wie an jeder Schule. Bis heute lebe ich mit Freundschaften aus dieser Zeit. Besonders wichtig war mir die KSJ (ND) am Ako, aber auch andere Freundeskreise, die sich um ehemalige Lehrer und Patres sammelten. Ich habe die Schule 1973 mit Stolz verlassen. Und schließlich: Ohne das Ako wäre ich nicht Jesuit geworden. Das Ako gehört zu meinem Leben.

Nachträglich ist Ihnen aber auch klargeworden, dass ausgehend vom Internats- und dann Schulleiter Pater Ludger Stüper eine “homophobe Grundstimmung” und eine “pädophile Beziehungsstruktur” herrschten?

Mertes: Ja. Stüper war die Schlüsselfigur für die Entwicklungen im Ako seit 1968. Als Schüler gehörte ich einer rebellisch-konservativ gesonnenen Gruppe an. Wir rauften uns mit linken Mitschülern, waren uns aber zugleich augenzwinkernd in unserer rebellischen Haltung gegenüber der neuen Leitung des Hauses einig. Wir nahmen Anstoß am neuen Stil. Da mischten sich pubertäre Motive mit Intuitionen, über die ich seit 2010 vermehrt nachdenke. Das Problem der Homophobie lernte ich erst viele Jahre später in Berlin kennen.

Als zuständiger Oberer stellte ich mich öffentlich neben Mitbrüder, die sich gegen die Diskriminierung von Homosexuellen wehrten und sich dabei auch als Diskriminierte zu erkennen gaben. Damals erreichten mich von Mitbrüdern aus dem Ako besonders harte Zurechtweisungen und Beschimpfungen, die ich nicht verstand. Heute, nach 2010, frage ich mich aus dieser Erfahrung heraus, ob und wie der Zusammenhang zwischen pädophiler Ästhetik und Praxis einerseits und lautstarker Homophobie andererseits zu verstehen ist. Eine endgültige Antwort habe ich noch nicht.

Wie konnte das “System Ako” über Jahrzehnte funktionieren? Und parallel noch die, wie Sie sagen, sektenartige Struktur, ja Gewalt gegen Schutzbefohlene unter der vormaligen Leitung des Ako-pro-Seminars zulassen?

Mertes: Auffällig ist, dass im Mittelpunkt beider Systeme charismatische Personen stehen. Es ist offensichtlich nicht leicht, sich von deren Faszination zu lösen. Die haben die Kraft, ganze Systeme über Jahrzehnte hinweg zu verzaubern. Ihr exzessiver Narzismus überträgt sich auf das Umfeld und führt diese in eine Sonderwelt hinein. Dort können sie dann den Leuten ein X für ein U vormachen. Und es kommt dabei zugleich das Gefühl heraus: “Wir sind die Besten.” Elite eben. Das besondere “Wir-Gefühl”, garniert mit Prominenten.

Wenn man so fühlt, hat man keinen Blick für die Opfer. Ein Freund aus gemeinsamer Schulzeit sagte es mir kürzlich so: “Unser Gefühl, stark zu sein, machte uns blind. Und diese Blindheit gehört zum Unglück der Opfer. Sie waren ganz allein.” Diese Erkenntnis erschüttert mich nachträglich. Und erst heute erst kann ich mir wirklich eingestehen, dass ich vielleicht damals auch gerne einer von den Lieblingen der großen Charismatiker gewesen wäre. Erst meine persönlichen Niederlagen haben mir geholfen, mich realistischer zu sehen und die Struktur des narzistischen Zusammenspiels zu durchschauen.

Sie sprechen von Mitwisserschaft vieler. Was fordern Sie von sich, von anderen ehemaligen Schülern und Lehrern?

Mertes: Ich fordere nicht. Ich spreche von mir selbst. Und ich hoffe, dass das andere ermutigt, auch von sich selbst zu sprechen. Ich habe etwas gesehen, und ich habe gesehen, dass viele, sehr viele etwas gesehen haben – Bilder, drakonische Strafen, schwärmerisches Reden über die Galionsfiguren und Lieblinge. Die pädophile Symptomatik wurde ja über die Bilder öffentlich ausgestellt.

Wir haben die Symptome nicht als Symptome erkannt, und als wir zum Beispiel durch die Publikation des Buches von Miguel Abrantes Ostrowski darauf gestoßen wurden, haben viele von uns uninteressiert weggeschaut oder anders abgewehrt. Ich glaube, dass das Besondere der Situation am Ako in der Breite der Mitwisserschaft liegt. Wir wurden durch die Dreistigkeit, mit der die Symptome ausgestellt wurden, in das Mitwissen mit hineingenommen, ohne ganz zu begreifen, dass es ein Mitwissen war. Und darüber müssten wir miteinander sprechen – unter Einbeziehung der Opfer, die ja zu uns dazugehören.

Genau das dürfte unter Ako- und Ako-pro-Ehemaligen, in der heutigen Schulgemeinde, aber auch im Stadtteil Bad Godesberg schwierig sein, oder?

Mertes: Klar, aber ich glaube, dass wir ehemaligen Schüler und auch wir Jesuiten, nur weiterkommen, wenn wir anfangen, über unser Mitwissen zu sprechen. Sonst müssen wir in der ständigen Abwehrhaltung gegenüber den Informationen leben, die nach 2010 sichtbar wurden – und, wie ich hoffe, noch sichtbar werden. Die Defensive führt in die Dauer-Aggression gegen die Opfer und in die eigene Erschöpfung.

Aber müssen nicht auch Personen an den Schaltstellen Verantwortung übernehmen? Müssen nicht Konsequenzen folgen?Mertes: Natürlich. Aber das reicht nicht. Wir können nicht einfach alles auf die jetzt Verantwortlichen abladen und weitermachen wie bisher.

Sie sagen, Sie verstehen gerade im Fall des Ako den Zorn, die Wut der Opfer? Wie werden die Wunden heilen können?

Mertes: Ich nehme wahr, dass Wut und Enttäuschung der Opfer trotz Zinsmeisterbericht, trotz Ankündigung eines weiteren Berichts, trotz Entschuldigungen und Anerkennungszahlungen nicht nachlassen. In einigen Fällen entsteht in der Spur der Wut und Enttäuschung neue Gewalt. Ich nehme andererseits auch ein Schweigen der Mitwisser wahr – ehemalige Schüler wie mich oder auch Jesuiten wie mich. Hier sehe ich einen wesentlichen Grund für die bleibende Wut. Es geht mir nicht um pauschale moralische Urteile. Aber in dem Moment, wo ich begreife, dass ich ein Mitwisser war oder bin, stehe ich in der Verantwortung. Alle Untersuchungsberichte, die von außen kommen, werden die Wahrheit nicht aufdecken können, wenn von innen her keine Bereitschaft zum Sprechen über das eigene Mitwissen da ist. Aber wenn es zum Sprechen – ein jeder für sich in der ersten Person Singular – kommt, entsteht eine große Chance: Die der Versöhnung jedes Einzelnen mit sich und seiner eigenen Ako-Geschichte, ohne die Geschichte der Anderen dabei ausblenden zu müssen.

Zur Person

Klaus Mertes, Jahrgang 1954, war von 1966 bis 1973 Ako-Schüler, 1977 trat er in den Jesuitenorden ein. Von 2000 bis 2011 war er Rektor des Berliner Canisiuskollegs. Seit September 2011 leitet er das jesuitische Kolleg St. Blasien. Mertes machte Anfang 2010 nach intensiven Gesprächen mit Canisius-Opfern erstmals sexuelle Übergriffe durch Jesuiten öffentlich und löste damit eine deutschlandweite Welle der Erschütterung in der Katholischen Kirche, der Gesellschaft und im Orden aus.

Brief eines Mitschülers an Klaus Mertes (übergeben am 26.1.2013)

Lieber Klaus,

um das bislang flüchtig Geschriebene und Besprochene zusammenzufassen

und zu präzisieren: Ich danke dir für deinen ehrlichen Bericht, einige

Punkte darin springen mir in die Augen, doch sind das meine Punkte –

ich habe eine andere Perspektive als du, aber in diesen Punkten

kreuzen sich unsere Perspektiven.

Ich war am AKO Externer wie du, doch im Unterschied zu dir war ich

nicht mit Patres als Lehrern verbunden, auch aus meiner Zeit im ND,

den ich mit spätestens 16 Jahren verließ, ist da nichts geblieben, was

für mich Bedeutung gehabt hätte. Dafür kamen damals neue

Freundschaften, eine lose Clique, zustande, und zwar mit Internen –

was vor allem durch die Oberstufe geschah, in denen die

Klassenformationen aufgelöst wurden. Das alles war in der Zeit von

1972 bis 1975. Die Themen pädophile Ästhetik und Machtmissbrauch,

waren schon damals Themen, in solchen Cliquen, auf dem Schulhof – aber

auch noch während meiner ersten Semester an der Bonner Uni, im Kreis

dieser ehemaligen Mitschüler. In meiner Perspektive war und blieb dies

ein „Hörensagen“, ein Geflecht von Erzählungen aus einem Nebel, der

über dem wirklichen Geschehen lag – von dem ich aus unterschiedlichen

Gründen nichts wissen konnte. Denn das ereignete sich nicht in

„meiner“ Welt.

Für mich stellt sich die damalige Entwicklung, mitsamt Vorgeschichte,

aus meiner, anderen Perspektive so dar: Die Ankunft von P. Stüper und

die ersten Jahre seines Wirkens erlebte ich als pubertierender

Schüler, ältere Schüler waren darin verstrickt: in das, was ich später

einen Machtkampf um die kulturelle Definitionsmacht am Kolleg genannt

habe. Einerseits war P. Stüper der Reformer, ja – mit Entsetzen las

ich später, das er zuvor an der Odenwaldschule hospitiert hatte -

andererseits aber auch radikale Unterwerfung oder Ausgrenzung der

„Politischen“, der Linken, der damals auch am AKO vorhandenen

antiautoritären Subkultur der Jugendrevolte. Interessant, dass das AKO

in dieser Zeit – Stüpers Ankunft – nicht nur baulich als

„heruntergekommen“ bezeichnet wird, sondern auch Hinweise auf „Drogen“

gegeben wurden. Eben, Haschisch, das Übliche in dieser Zeit. Ich

erinnere mich gut an die Aktivitäten von Altschülern rund um einen

später prominenten Journalisten, die zusammen mit einigen – linken –

Internats- und Externats-Schülern die Revolte gegen P. Stüper

anstachelten und mit allen Mitteln bekämpft wurden. Vor der Schule

wurde morgens ein in der Schule vebotenes Blatt namens „Bronca“

(benannt nach P. Stüpers Hund) verteilt, eine subversive antiautoriäre

Flugschrift mit wilder Polemik und viel Pornografischem. Gern wurden

Gerüchte über homosexuelle „Verstrickungen“ dieser Subkultur gestreut,

und P. Stüper selber soll es gewesen sein, der diese Gerüchte auf

unflätige Weise bediente. P. Stüper war also für mich – wie für einige

andere, mit denen ich etwa 1972 zusammenkam, in „unserer“ Perspektive

zunächst einmal die schiere Repression, Macht und Missbrauch in dieser

Hinsicht.

Konzeptionell geht das Ganze für mich so auf: P. Stüper brachte – in

deiner Formulierung – „68“ an die Schule, indem er die „68er“

denunzierte, unterdrückte, unterwarf, verjagte ,wie auch immer. Das

passt gut zusammen, und die Sexualisierung der Polemiken – auf beiden

Seiten – gehörte dazu, weil sie auch Teil der oppositionellen

Subkultur war. Diese erste Unterdrückungswelle, die wohl direkt nach

Stüpers Ankunft begonnen hat, war für uns als „Nachfolgende“ eine

wichtige Erfahrung. Unter anderem ist damals die Idee einer „legalen

demokratischen“, aber natürlich linksgefärbten Öffentlichkeit

entstanden. Also die Einsicht, nur mit einer legalen Zeitung und einem

halbwegs legalen Zirkel könne man etwas tun und man müsse dies in

„immanenter Sprache“ machen (etwa eine Kritik der Oberstufenreform,

neomarxistisch motiviert, aber so vorgetragen, dass sie sogar von den

Altphilologen akzeptiert wurde). Aus diesem Versuch wurde nichts,

außer der Herausgabe einer Zeitung, von der nur eine Ausgabe erschien.

In dieser Zeit war ich fast jeden Tag nachmittags im Internat bei

Freunden oder wir waren zusammen unterwegs. Und in diese Zeit fällt

der letzte große „Clash“ am AKO, der Rausschmiss einer Handvoll von

Schülern, eben aus meiner Clique, aus dem Internat – dem damals dem

Rausschmiss aus der Schule zwangsläufig folgen sollte. Weil aber das

Abitur schon nahte, gab es Interventionen von Eltern. Das war 1973,

1974. Die Eltern haben durchgesetzt, dass diese Schüler als Externe

ihre Abitur machen konnten. Die meisten kamen in einem schmuddeligen

Hotel unter, mir selber ließ man indirekt mitteilen, ich solle mich

vom Internat fernhalten. Was mich nicht mehr interessierte, ich

verbrachte eine wilde, schöne Zeit, unter anderem mit meinen Freunden

in besagtem Hotel.

Schon damals war die pädophile Ästhetik ein Thema, der Machtmissbrauch

sowieso. Ich habe nie ein „Opfer“ kennen gelernt, weil meine Freunde

nie zum – auch spirituellen – Einzugsbereich der PAtres, erst nicht P

Stüpers gehörten. Aber eins ergab das andere, und es war spätestens

1976, dass mir ein damaliger Freund – auch aus dieser Clique, einige

von uns lebten und studierten noch eine Weile in Bonn – von

Duschszenen mit P. Stüper erzählte. Er war ein ehemaliger Interner,

ein anderer Freund, ebenfalls ehemaliger Interner, erzählte dieselbe

Versionen. Einer dieser Freunde erzählte mir 2010, dass er noch in

seiner Internatszeit mit seiner Mutter in der Stella Reni gestanden

hätte und ihr die Fotos mit den Knaben am Ufer gezeigt hätte. Sie aber

habe gesagt: „Wieso, das sind doch nur schöne Bilder!“ Als 2010 alles

ans Licht kam, haben Menschen aus meinem jetzigen Freundeskreis und

auch aus meiner Familie gesagt: „Stimmt, darüber hast du schon öfter

mal gesprochen.“

Als du 2010 die Lawine losgetreten hast und ich las, was P. Stüper

nach meinem, „unserem“ Weggang 1975 getan hat, dass er also erst

richtig „losgelegt“ hat, hat dies vielen in meinem Leben verändert.

Ich hab viel darüber nachgedacht, wie naiv ich – wie andere – war zu

glauben, es wäre am AKO mit dieser (für mich damals auch: politischen)

„Säuberung“ zu Ende gewesen. Jemand wie ich hat das AKO mit dem

Weggang von der Schule, mit dem Wegzug von Bonn sowieso, ausgeblendet,

es hat gestört im weiteren Fortkommen. Einzig die unseligen Fotos im

AKO-Heft, das ich Jahr um Jahr zugeschickt bekam, hat dem Unguten im

Gefühl immer wieder Nahrung gegeben. Mehr aber auch nicht. Im

Nachhinein erklärt sich das für mich so: „Wir“ waren die letzte

„demokratische Öffentlichkeit“ (selbstgerecht, ein wenig hochtrabend

für einen bekifften Verein von begeisterten Störern), „wir“ konnten

überhaupt nicht Opfer sein, nie hätte uns P. Stüper angefasst. „Wir“

aber haben kaum darüber nachgedacht, was mit denen geschah und

geschieht, die in seine Aura gerieten (und „wir“ wussten, wie magisch

oder diabolisch diese Aura war.) Klar, dass ich hier das „Wir“ für

mich selber nehme, so wie man sich selber mit anderen sieht – die das

womöglich heute wiederum anders sehen. Das alles tut umso mehr weh,

als jede einzelne Geschichte – gerade diese bizarr sadistischen Szenen

– genau in das Bild passten und passen, das „wir“ von P. Stüper

hatten. „Wir“ haben das irgendwie ab- oder in uns selber weggelegt.

Darüber denke ich seit 2010 viel nach – und hier kreuzen sich unsere,

ansonsten gänzlich unterschiedlichen Perspektiven.

Bei allem Nachdenken gibt es einen Punkt, zu dem ich immer wieder

zurückkomme: meine Hoffnung auf Priester, mein unsägliches Misstrauen

gegenüber Priestern – außer Menschen, die ich als Freunde oder

Familienangehörige kannte und kenne. Glaubens –und Zweifelsfragen

haben in mir immer wieder Hoffnung auf Priester gemacht, und immer

(bis heute) gibt es einen inneren Vorbehalt. Mein eigener Weg, weg von

und lange Zeit außerhalb der Kirche, und der Weg zurück – wenn auch

nicht in diese Kirche – ist etwas, das mit dem „Thema“ erst einmal

nichts zu tun hatte. Aber bei jeder Annäherung spielte es immer eine

immense Rolle, eher untergründig, als Scheu, als Distanz. Dabei geht

es mir nicht um „sexuellen Missbrauch“ institutioneller“ Art (den habe

ich anderswo erlebt und auf eigene Art zu bekämpfen versucht), sondern

um den Missbrauch des „Amtes“, des Charisma, eine innere Zerstörung

der Glaubensmöglichkeiten, von Vertrauen in intimsten Sphären.

Sexuelle Übergriffe, Gewalt, durch einzelne Patres, anderswo durch

Erzieher oder Lehrer – das alles ist furchtbar und grausam. Bei P.

Stüper kommt für mich viel mehr dazu, und deshalb sind auch so viele

letztlich darin verstrickt: es ist das Konzeptionelle, das

Machtsystem, das als personalisierte und charismatische Macht

daherkommt. Für mich „passt“ es und ist deshalb so unerträglich, dass

nur um sexualisierten Sadismus aus Macht ging. Und dass dies Kinder,

Jungens, lebenslang verletzt hat – die vertraut haben. Anders „wir“,

denn „wir“ haben Stüper immer misstraut. „Uns“ konnte er nichts tun,

„wir“ sind auch keine Jesuiten geworden, „wir“ sind eben weder Opfer

noch Täter. „Wir“ stehen nur daneben, und manchmal stehe ich selber

immer noh fassungslos daneben – neben mir.

Man könnte sich herausreden, indem man aufs „Hörensagen“ verweist. Ich

selber bin – dankenswerterweise – sehr streng in dieser Hinsicht

erzogen worden: „In dubio pro reo“, Vorwürfe müssen belegt oder

bezeugt werden können. Nach der Lektüre des Zinsmeisterberichts aber

war ich zunächst wie erschlagen, davon, dass mein eigenes „Hörensagen“

von der Wirklichkeit übertroffen wird beziehungsweise übertroffen

wurde. Auch dass genau in der Zeit der Repression gegen meine Freunde

„junge Jesuiten“ im Orden Beschwerde gegen P. Stüper – ergebnislos –

geführt haben, hat mich berührt. Ich hatte damals von Beschwerden von

Eltern beim Orden gehört, mehr aber nicht. Fassungslos stehe ich vor

der Bilanz des Zinsmeisterberichts als Bilanz eines so langen Wissens,

was „draußen“ im Nebel des Hörensagens blieb. Dazu gehört auch die für

mich ungeheuerliche Stellungnahme von P. Stüpers Nachfolger – aber das

und der steht für mich noch auf einem anderen Blatt.

Was bleibt jetzt noch zu sagen, zu schreiben? Viel und doch nichts

mehr, fürs Erste. Ich könnte sagen: Gut, dass ich wenigstens all die

Jahre nach 1975 „darüber“ hin und wieder geredet habe und dass es

dafür in meinem privaten Umfeld Zeugen gibt. Ich habe es also nicht

nachträglich erfunden. Und einigen, die Anfang 2010 voller Empörung

über das „Netzbeschmutzen“ ihre glückliche Jugend am AKO öffentlich

beteuerten, habe ich es so geschrieben und gesagt. Sie taten so, als

hätten sie nicht einmal das „Hörensagen“ gehört. Ich denke viel

darüber nach, wer sich hier eigentlich wirklich vom anderen

unterscheidet. Das wird mich noch weiter beschäftigen.




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