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" Wir Sind Noch Am Anfang"

By Katja Tichomirowa
Frankfurter Rundschau
April 27, 2013

http://www.fr-online.de/politik/missbrauchsbeauftragter--wir-sind-noch-am-anfang-,1472596,22607462.html

Johannes-Wilhelm Rörig, Missbrauchsbeauftragter der Bundesregierung



Der Missbrauchsbeauftragte Johannes-Wilhelm Rörig spricht im Interview über die Arbeit des Runden Tisches Kindesmissbrauch, die finanzielle Hilfe für die Opfer und über die Pläne eine unabhängige Untersuchungskommission einzurichten.

Johannes-Wilhelm Rörig ist seit 2011 Unabhängiger Beauftragter der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. Er setzt sich für eine unabhängige Untersuchungskommission ein, die das Thema umfassend nachhaltig aufarbeiten soll.

Herr Rörig, was ist seit der Vorlage des Abschlussberichts des Runden Tisch Kindesmissbrauch im Jahr 2011 erreicht worden?

Der Runde Tisch hat positive Impulse gesetzt, die Umsetzung hat begonnen, wir sind aber insgesamt bei der Bewältigung des Themas noch am Anfang. Das gilt vor allem für die Themen Hilfen für Betroffene und Aufarbeitung. Beim Opferschutz sind wir nach der Verabschiedung des Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs einen großen Schritt vorangekommen. Aber es sind aus Sicht von Betroffenen auch Fragen offen geblieben, beispielsweise in Bezug auf die strafrechtlichen Verjährungsfristen, hierzu werde ich im Juni gemeinsam mit meinem Fachbeirat noch ein Hearing durchführen.

Woran hakt es beispielsweise bei der Opferhilfe?

Es müssen Menschen, die sich nicht tagtäglich mit diesem Thema befassen ein Verständnis dafür entwickeln, dass es eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung gibt, die Bund und Länder teilen. In den Ländern ist diese Erkenntnis noch nicht überall angekommen. Ich bin erleichtert, dass der Fonds für in der Familie Betroffene jetzt mit 50 Millionen Euro starten wird und der Bund hier zu seinem Versprechen steht, aber die Länder dürfen nicht aus der Pflicht entlassen werden, auch ihrerseits in den Fonds einzuzahlen.

Wann werden die Hilfen zur Verfügung stehen?

Anträge auf Hilfen für Betroffene sexueller Gewalt im familiären Bereich können ab dem 1. Mai gestellt werden. Für den institutionellen Bereich hoffe ich, dass wir noch im Sommer zu einer Lösung kommen werden.

Nun soll eine unabhängige Untersuchungskommission sich der Aufarbeitung annehmen. Wie sollte die aussehen?

Mein Vorschlag wäre, dass eine unabhängige Kommission von der Bundesregierung berufen wird. Eine Enquetekommission wäre nur sinnvoll, wenn man noch einmal darüber entscheiden will, ob eine unabhängige, umfassende und systematische Aufarbeitung überhaupt stattfinden soll. Mein Eindruck ist aber, dass sich Fachwelt und Betroffene inzwischen darüber einig sind, dass es eine unabhängige Aufarbeitung geben muss. Ich dränge darauf, dass das Thema eine hohe politische Priorität auf Bundesebene erhält und die Weichen noch in diesem Jahr gestellt werden.

Welche Kompetenzen müsste diese Kommission haben?

Die Kommission soll nicht die Staatsanwaltschaft und feste behördliche Strukturen ersetzen, die wir haben. Sie sollte einen klar umrissenen Auftrag erhalten, Betroffene anhören und gemeinsam mit der Wissenschaft alle Bereiche, in denen Missbrauch begangen wurde, umfassend erforschen können. Das heißt auch, dass sie alle Tatorte in den Blick nehmen müsste, den institutionellen, den familiären aber beispielsweise auch das Internet oder die sexuellen Übergriffe unter Jugendlichen und Kindern.

Wie soll diese Kommission etwa die Kirche zur Aufklärung verpflichten?

Das muss in den nächsten Wochen und Monaten geklärt werden. Die Kommission wird ihre Arbeit nur dann erledigen können, wenn sie sich auf die Zusammenarbeit mit den Institutionen verlassen kann. Das muss genau geregelt werden. In anderen Ländern wurde solchen Kommissionen ein Untersuchungsrecht und auch ein Akteneinsichtsrecht zugestanden.






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