| Volksbegehren Kirchenprivilegien Gescheitert
paperblog
April 23, 2013
http://de.paperblog.com/volksbegehren-kirchenprivilegien-gescheitert-569318/
Das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien ist gescheitert. Laut vorlaufigem Endergebnis erreichte es 56.660 Unterschriften, wie das Innenministerium in der Nacht mitteilte. Um erfolgreich zu sein, hatte es 100.000 gebraucht. An dieser Hurde scheiterte auch das parallel laufende Volksbegehren „Demokratie jetzt“.
„Wir waren am Anfang eine Gruppe von vielleicht zehn Leuten und so gut wie keinem Budget. Am Ende haben wir 56.660 Menschen in diesem Land angesprochen. Das ist doch etwas. Und unsere Anliegen, namlich dass Staat und Kirche getrennt gehoren, werden jetzt breit diskutiert.“. Andreas Rathmanner vom Organisationsburo bringt die Stimmung in seiner Ansprache bei der „Wahlparty“ des Volksbegehrens Montagnacht vermutlich am besten auf den Punkt. Viele Unterstutzer haben sich mehr erhofft. Mehr erwartet hat fast niemand
„Ich habe damit gerechnet, dass es sich nur schwer ausgehen wird“, sagt Minitiator Niko Alm an diesem Abend in seinen zahlreichen Medieninterviews. „56.600 Menschen haben dieses direktdemokratische Element genutzt. Das ist eine ganze Menge.“ Das Volksbegehren trat fur ein Verfassungsgesetz fur eine klare Trennung von Staat und Kirche und fur eine staatliche Aufklarung des kirchlichen Missbrauchsskandals ein.
Wirkliche Enttauschung klingt anders
Wirkliche Enttauschung klingt anders. Das konnte man als Zweckoptimismus oder Trotz abtun. Allein, auch bei fast allen Unterstutzern bleibt auf der Wahlparty die gro?e Traurigkeit aus. So viele Menschen habe man in Osterreich noch nie gegen die Privilegien von Religionsgemeinschaften mobilisiert, hei?t es von vielen. Und dass man die notigen 100.000 Unterschriften klar verfehlt hat – das sei alles andere als eine Absage an die Ziele des Volksbegehrens.
Zweites Volksbegehren scheiterte ebenfalls
Auch das Volksbegehren „Demokratie jetzt“ scheiterte deutlich an der 100.000er-Hurde. Es kam auf knapp unter 70.000 Unterschriften. Anders als das Pendant gegen Kirchenprivilegien wurde es von prominenten Akteuren wie dem grunen Ex-Nationalrat und Ex-EU-Abgeordneten Johannes Voggenhuber, Ex-Verteidigungsminister Friedhelm Frischenschlager und Ex-OVP-Chef und Ex-Wissenschaftsminister Erhard Busek getragen. In letzter Minute lie? sich sogar der amtierende Staatssekretar Sebastian Kurz (OVP) offentlich zu einer Unterschrift mobilisieren.
Die Proponenten von „Demokratie jetzt“ konnen dem Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien in gewisser Hinsicht dankbar sein. Dass letzteres weniger Unterschriften bekam, verhindert, dass das Demokratievolksbegehren als schlechtestes Volksbegehren der Zweiten Republik in die Geschichte eingehen wird.
Politik nimmt Volksbegehren nicht ernst
Niko Alm formuliert, warum die Volksbegehren aus Sicht der Unterstutzer beider Bewegungen gescheitert sind. Der Nationalrat, der erfolgreiche Begehren behandeln muss, habe die Anliegen so gut wie aller Volksbegehren „begraben. Wenn praktisch alle Volksbegehren nicht in dem Sinn behandelt werden, wie es vorgesehen ist, sondern nur abgehandelt werden, wundert es nicht, dass das Wahlvolk keine Lust verspurt, sich fur eine Unterschrift aufs Amt zu begeben.“ Prominentes Beispiel ist das Bildungsvolksbegehren, das vor eineinhalb Jahren mehr als 430.000 Menschen unterschrieben. Konsequenzen: So gut wie keine.
Johannes Voggenhuber von „Demokratie jetzt“ formuliert es weniger diplomatisch. Der Umgang der Parteien mit dem Instrument an sich habe eine „unglaubliche Frustration“ bei der Wahlerschaft gezeitigt, es sei „zugrunde gerichtet, entwertet“. Und die Medien „betrachten es nicht als ihre Pflicht, uber Volksbegehren zu berichten“, kritisierte er gegenuber dem ORF die Kirche: Alles soll so bleiben, wie es ist.
Einzig die katholische Kirche interpretiert das Ergebnis als Zeichen, dass alle wollen, dass alles so weitergeht wie bisher. Sie war in den vergangenen drei Wochen publizistisch stark gegen das Volksbegehren aufgetreten, zuletzt am Freitag vergangener Woche. Laut dem hpd vorliegenden Schilderungen hetzten katholische Religionslehrer in Unterrichtsstunden gegen das Volksbegehren. Ein Spickzettel der Bischofskonferenz kursierte diskret unter befreundeten Journalisten, die die Formulierungen und Behauptungen dankbar ubernahmen.
Sympathisanten erwarten Starkung der sakularen Szene
Hans Christian Cars von der European Humanist Federation (EHF) sieht gegenuber dem hpd keinen Anlass zur Traurigkeit: „So viele Menschen wie nie haben in Osterreich durch die Medienberichte erfahren, dass viele in Bezug auf kirchliche Privilegien und Religion anders denken. Das wird die Organisationen wie den Freidenkerbund nachhaltig starken.“ Noch nie sei so breit uber die Privilegien von Religionsgemeinschaften diskutiert worden wie in den vergangenen Wochen.
Ahnlich sieht es Gerhard Engelmayer, Vorsitzender des Freidenkerbundes. „Ich kann gar nicht zahlen, wie viele Medienberichte es uber das Volksbegehren und seine Anliegen gegeben hat. Allein uber den Freidenkerbund hat es 30 Berichte gegeben, davon zehn im Fernsehen. Das ware vor kurzem noch unvorstellbar gewesen.“
Ungeachtet des formalen Scheiterns rechnen Initiatoren und Unterstutzer damit, dass die Debatte um religiose Privilegien nicht beendet ist. Er werde weitermachen, kundigt etwa Niko Alm an. „Unsere Forderungen sind nicht erfullt.“
|