| Kritik an Rolle Des Papstes Wahrend Militardiktatur
By Christian Berzins
Aargauer Zeiting
March 16, 2013
http://m.aargauerzeitung.ch/news.htm?newsPos=126250755&cat=top
Er gilt als Papst der Armen, als Vorkampfer fur Freiheit und Gerechtigkeit. Doch in den Jahren der argentinischen Militardiktatur hat der neue Papst Franziskus offensichtlich eine umstrittene Rolle gespielt.
Menschenrechtler werfen ihm vor, mit schuld an der Entfuhrung zweier Jesuitenpater gewesen zu sein, die 5 Monate von den Todesschwadronen der Junta verschleppt worden waren. Auch habe er es an deutlicher, offener Kritik an der Militardiktatur immer wieder vermissen lassen.
Der Papst ein Caudillo wie Castro?
Der Jesuit Franz-Xaver Hiestand leitet die katholische Hochschulgemeinde Zurich. Er hat einen Teil seiner Ordensausbildung in Mexiko gemacht und ist schockiert, dass ein Jesuit zum Papst gewahlt worden ist, wie er im «Tages-Anzeiger» sagt. Es gehore zum ureigenen Charisma der Jesuiten, dass man keine Posten in der Hierarchie anstreben oder ubernehmen solle.
Die Wahl von Jorge Mario Bergoglio deute darauf hin, dass der Ruf mancher vor dem Konklave oft genannten Papabili durch den Bericht der Kardinalskommission zum Vatileaks-Skandal beschadigt war. «Moglich auch, dass einige stark favorisierte Kardinale mehr in die Intrigen der Kurie involviert waren, als man annahm. Vermutlich war Bergoglio eher der Kandidat der moderat reformwilligen Kardinale und der Lateinamerikaner.»
Er sei ein von aussen Kommender, dem man zutraut, die Kurie zu reformieren. «Ein gut unterrichteter lateinamerikanischer Jesuit sagt, Bergoglio sei ein Caudillo so wie Chavez, Castro und die rechten Fuhrer, die sich durch Volksnahe und zugleich durch eine gewisse Brutalitat auszeichnen.»
Tief verbunden mit Militardiktatur
Doch Hiestand ist noch aus einem anderen Grund geschockt. Im Orden wisse man, dass Bergoglio als Jesuitenoberer in Argentinien ganz tief verbunden war mit der Geschichte der Militardiktatur in den 70er-Jahren.» Und diese argentinische Kirche - ganz im Gegensatz etwa zur chilenischen oder zur zentralamerikanischen Kirche - nehme eine diktaturfreundliche Haltung ein.
«Sie trug das System der Militardiktatur wesentlich mit. Ausnahmen bildeten jene Christen, die dann verfolgt und getotet wurden. Man muss sich nur das furchterliche Geschehen vergegenwartigen, dass Militarkaplane Verurteilte segneten, bevor sie aus Flugzeugen ins Meer geworfen wurden.»
Der neue Papst reprasentiert nach Hiestand auch jene Zeit der Militardiktatur. «Mit seinem Pontifikat kommt jenes dustere Kapitel wieder auf das Tapet. Gerade in einer Zeit, in der die argentinische Gesellschaft dabei ist, diese Vergangenheit aufzuarbeiten.»
Nicht genug, Bergoglio soll an der Entfuhrung von zwei in den Armenvierteln engagierten Jesuiten durch die Junta beteiligt gewesen sein. Die beiden sagten aus, sie seien von Bergoglio denunziert worden. Er selber bestritt alles.
«Er war noch jung»
Ob sich der neue Papst einst als Ordensoberer generell um das Schicksal linker und befreiungstheologisch engagierter Priester foutiert habe, verneint Hiestand nicht. Sicher sei er ordensintern mit den sehr stark befreiungstheologisch engagierten Jesuiten zusammengestossen, auch mit dem Ordensgeneral Pedro Arrupe.
«Bergoglio hatte sich von den Befreiungstheologen distanziert, weil sie sich in ihrer Sozialanalyse auch auf Karl Marx stutzten. Gewiss engagierte er sich immer karitativ. Befreiungstheologen wie Dom Helder Camara aber wollten mehr: Sie zielten eine strukturelle Veranderung der Gesellschaft an.
Es kann gut sein, dass Bergoglio heute starker und pointierter auf der Seite der Armen steht. Damals war ja die Zeit des Kalten Krieges. Und Bergoglio war mit 37 Jahren sehr jung.»
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