| Im Blickpunkt: Berechtigte Anerkennung
By Regina Einig
Die Tagespost
March 11, 2013
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Ein Blick auf Kloster Ettal.
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Gäbe es ein Ranking für kirchliche Institutionen, die das Übel von sexuellem Missbrauch und Gewalt gegenüber Minderjährigen glaubwürdig aufarbeiten, so käme Kloster Ettal einer der vorderen Plätze zu. Seit drei Jahren stellt sich der Konvent ohne Selbstschonung einem dunklen Kapitel seiner Geschichte. Die Einsicht, dass Entschädigungszahlungen und Therapien das Geschehene nicht ungeschehen machen, hatte in Ettal sichtbare Konsequenzen. Deutlich wurde das an der Art und Weise, wie sich der Konvent beispielsweise in der Fastenzeit mit den Fehlern der Vergangenheit auseinandersetzte und an der internen Kommunikation im Kloster arbeitete.
Die Benediktinermönche in Ettal sind heute weit davon entfernt, einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen. Kloster, Schule und Internat sind nach dem Jahr 2010 nicht mehr wie vorher. Auch die in dieser Woche vorgestellte Studie (Seite 5) wurde vom Kloster in Auftrag gegeben und bezahlt. Die guten Früchte der Aufarbeitung sind nicht zu übersehen. Der Ettaler Opferverein hat das nicht verschwiegen und billigt dem Kloster zu, was katholischen Institutionen öffentlich in der Regel bewusst oder unbewusst verweigert wird: Anerkennung für ihre Aufklärungsarbeit in puncto sexueller Missbrauch.
Das Nicht-Wahrhaben-Wollen und Kleinreden der Leistungen der Kirche ist ein Spiel mit dem Feuer: Wenn die kirchliche Aufklärungsarbeit von der Öffentlichkeit vorwiegend als ein hilfloses Kreisen um den eigenen Pranger wahrgenommen wird, dürfte das hohen Abschreckungswert auf weltliche Institutionen haben, die das Missbrauchsthema noch längst nicht so entschlossen angepackt haben wie die katholische Kirche. Die Dauerkritiker der Kirche bleiben die Antwort auf die konkreten und erreichbaren Ziele der Aufklärungsarbeit schuldig. Was bedeutet erfolgreiche „Aufarbeitung“, wenn allen Beteiligten von vorneherein klar ist, dass es Wunden gibt, die lebenslang schmerzende Narben zurücklassen? Wer jeden institutionellen Versuch, sich dem eigenen Versagen zu stellen, mit Empörungsritualen und neuen Beschuldigungen quittiert, entzieht irgendwann jedem vernünftigen Gespräch den Boden.
Das rege Interesse vieler Eltern, die ihren Nachwuchs am Ettaler Gymnasium anmelden, ist ein gewichtiges Pfund. Es wiegt bei der Beurteilung des Klosters schwerer als eine verweltlichte Sichtweise, die Vergebung und das tägliche Gebet für die gescheiterten Brüder nicht als Werte gelten lassen will.
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