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Ratzinger Soll Zu Missbrauchsfallen Geschwiegen Haben

Spiegel
March 4, 2013

http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/ratzinger-soll-zu-missbrauchsfaellen-in-savona-geschwiegen-haben-a-886776.html

Kardinal Domenico Calcagno: "Vermeiden, dass man ihn in Kontakt bringt mit Kindern"

Savona - Benedikt XVI. ist weg vom Fenster des Apostolischen Palasts - dennoch verfolgen ihn die Schatten seiner Amtszeit auch nach seinem Rucktritt.

Wie die Genueser Tageszeitung "Il Secolo XIX" ("Das 19. Jahrhundert") am Montag berichtet, soll ein Priester im norditalienischen Savona von 1981 bis ins Jahr 2000 Jungen sexuell missbraucht haben. Joseph Ratzinger, damals Prafekt der Glaubenskongregation, soll uber die Verdachtsfalle informiert worden sein - und nichts unternommen haben.

"Il Secolo XIX" veroffentlichte einen Brief des ehemaligen Bischofs von Savona, Domenico Calcagno, an Ratzinger. In dem Schreiben vom 8. September 2003 bittet er den Prafekten um einen Rat betreffs des Priesters G., den er im Amt belassen mochte. "Wenn es moglich ist, wurde ich gern vermeiden, dass man ihn in Kontakt bringt mit Kindern und Erwachsenen." Dann fugt er fast beruhigend hinzu: "Bisher ist davon nichts zu den Zeitungen durchgedrungen und es liegen auch keine Anzeigen vor."

Ratzinger antwortet nicht und auch sonst scheint sich niemand verantwortlich zu fuhlen. G. wird von einer Gemeinde in die nachste strafversetzt, hat aber stets enge Kontakte zu Jugendlichen. Im Jahr 1992 soll dem mutma?lichen Sexualstraftater sogar erlaubt worden sein, ein Zentrum fur Kinder in Notlagen zu eroffnen.

Missbrauch in der Sakristei

Das Fernsehformat Le Iene, zu Deutsch "Die Hyanen", produziert von einem Unternehmen der Mediaset-Gruppe, zeigte am Sonntag eine gewohnt rastlos und uberdreht gefilmte, aber auch erschutternde Dokumentation uber den Fall. Darin kommen vier der mutma?lichen Missbrauchsopfer zu Wort.

Francesco Zanardi beschreibt, wie er von 1981 bis 1986 von G. etwa hundertmal missbraucht wurde. Der Geistliche habe ihn auf sein Schlafzimmer gelockt, manchmal mit aufs Land genommen, bisweilen direkt in der Sakristei sexuell stimuliert und zum Geschlechtsverkehr gezwungen. "Er hat das immer auf die witzige Ebene gezogen, mir gesagt, dass sein Penis so klein sei und er mal vergleichen wolle, wie das bei mir so aussahe." Ahnliches berichtete ein mutma?liches Opfer aus dem Jahr 2000.

Manchmal habe er seinen Peiniger abgewiesen, sagt Francesco, dann sei er mit Kalte und Ablehnung bestraft worden. Zeigte er sich willig, habe es schon mal Sonderzuwendungen gegeben, wie zum Beispiel die Ausrichtung einer Geburtstagsparty, "etwas, was ich von meiner Familie nicht bekommen habe".

Insgesamt habe sich G. recht schamlos aufgefuhrt, ihm oft schon beim Fruhstuck zugezwinkert. Er habe sich geschamt, die Sache verdrangt, Selbstmordgedanken gehabt. "Erst spater habe ich den neuen Bischof Domenico Calgagno daruber informiert." Der habe lange gewartet, bevor er einen Brief an Ratzinger schrieb.

Monsignore Calcagno ist heute Kardinal und wird im Konklave einen neuen Papst wahlen. Im Juli 2007 ernannte ihn Benedikt XVI. zum Sekretar der Guterverwaltung des Apostolischen Stuhls. Er ist au?erdem Mitglied der Kardinalskommission des "Instituts fur die religiosen Werke", der Vatikanbank IOR, die wegen Verdachts auf Geldwasche und Kooperation mit der Mafia immer wieder negative Schlagzeilen macht.

Laut "Il Secolo XIX" belegen die Dokumente, die von der Staatsanwaltschaft Savona im Februar 2012 in der Diozese konfisziert wurden, dass Ratzinger zwei Jahre vor seiner Wahl zum Papst von den Verdachtsmomenten wusste. Die Aussagen der mutma?lichen Opfer legen nahe: Nicht nur der Bischof von Savona war uber die Schandtaten informiert, sondern auch zwei weitere Bischofe.

Im Februar 2012 wurde der tatverdachtige Priester zu einem Jahr Haft wegen sexuellen Missbrauchs einer 17-Jahrigen im Jahr 2005 verurteilt. Er wurde aus dem Priesteramt entlassen, lebt aber noch in Ligurien, wo er zwei Hauser besitzt.

 

 

 

 

 




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