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Glockenlauten Und Ein Rauswurf

HPD
March 1, 2013

http://hpd.de/node/15200

WIEN. (hpd) Das vielfach beschworene katholische Osterreich prasentiert sich heute als besonders kulturkatholisch. Gleichzeitig hat es vor wenigen Tagen eine herbe Niederlage eingesteckt, die das Land gar nicht mehr so katholisch aussehen lassen wie es manche gerne hatten. Eine angesehene katholische Einrichtung wurde vom Nationalrat vor die Tur gesetzt.

Um 20 Uhr wird die katholische Kirche bis in den letzten bewohnten Winkels des Landes ihre Prasenz zeigen. Oder besser horen lassen. Alle Kirchenglocken werden lauten, wenn die letzte Minute der Amtszeit Joseph Ratzingers im Vatikan verstrichen ist. Sogar die Pummerin, die au?er an hohen Feiertagen nur bei au?ergewohnlichen, im Regelfall tragischen, Ereignissen zum Einsatz kommt. Wenn ein Bundesprasident zu Grabe getragen wird, etwa.

Es wird den Eindruck erwecken als versinke das ganze Land in Gram ob des papstlichen Rucktritts. Und nicht nur die 63 Prozent, die irgendwie offiziell gerade noch katholisch sind und die sich bei allerfreundlichster Betrachtung vielleicht noch ein wenig fur den Rucktritt interessieren. Bei stark sinkender Tendenz.

Oder man konnte glauben, es sei etwas Weltbewegendes passiert. Das Dauerlauten von Kirchenglocken hatte fruher ja meist einen eher sakularen Sinn. Man warnte die Bevolkerung vor Unwettern oder Feuersbrunsten. Nicht umsonst spricht man bis heute vom „Sturm lauten“.

Kontrastprogramm Rauswurf

Das Glockenlauten ist ein harter Kontrast zu einem fur osterreichische Verhaltnisse nahezu epochalen Ereignis vom Dienstag. Die Klasnic-Kommission durfte ihre geplante Enquete zu Missbrauchspravention nicht wie geplant im osterreichischen Parlament abhalten. Die Einladungen waren schon lange verschickt. Nationalratsprasidentin Barbara Prammer (SPO) hatte die Kommission am Donnerstag vergangene Woche vor die Tur gesetzt.

Dieser sehr kurzfristigen Absage waren Proteste der Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt und der Initiative „Religion ist Privatsache“ vorausgegangen. Plattform-Sprecher Sepp Rothwangl monierte, dass bei dem hochoffiziellen Akt im Sitzungssaal des Nationalrats Betroffenenvertreter nicht einmal eingeladen waren. Au?erdem sei die Kommission nicht unabhangig sondern offiziell eine kirchliche Organisation. Laut einem Gerichtsurteil landen Daten von Betroffenen, die sich an die Kommission wenden, direkt bei der Erzdiozese Wien.

Prammer, die in die Organisation der Enquete nicht eingebunden war, zog die Notbremse. Die Proteste zeigten, dass fur eine Enquete im Hohen Haus das „notige Klima des Vertrauens“ fehlen wurde, formulierte Prammer diplomatisch.

Kommission reagierte verschnupft

Die Klasnic-Kommission reagierte verschnupft und ubersiedelte ins Haus der Industrie im Zentrum von Wien.

Auch diese Veranstaltung ging nicht ohne Widerstand vonstatten.

Kunstaktion / Foto: Lucas Vossoughi

Vor dem Haus der Industrie demonstrierten Betroffene, wie der Wiener Kunstler und atheistische Aktivist Dietmar Schoder schildert, der als Unterstutzung fur die Demo eine Kunstaktion veranstaltete: „Ich habe dabei immer wieder mit Betroffenen gesprochen, die das Symposium besucht haben, und ich habe jeden gefragt, wie viele Lebensjahre ihm durch Missbrauch zerstort wurden. Fur jeden habe ich ein Bild angefertigt und seine Zahl an zerstorten Jahren draufgesprayt. Die Bilder klebte ich mit Klebeband an die Hauswand des Hauses der Industrie. Mein Ziel war, dass die Bilder verkauft werden und der Reinerlos den Betroffenen zugutekommt. Am Schluss des Tages waren es 28 Personen und in Summe 939 zerstorte Jahre.“



Einziger unabhangiger Experte sagte ab

Im Haus lief es ebenfalls nicht rund fur die „Unabhangige Opferschutzanwaltschaft“, wie die Klasnic-Kommission offiziell hei?t. Als Referent am Symposion war Psychotherapeut Klaus Beier von der Berliner Charite vorgesehen – als einziger Experte, der kein Kommissionsmitglied ist oder in der Vergangenheit mit Nahe zur katholischen Kirche aufgefallen war. Beier sagte kurzfristig ab.

Auch dieser Absage war ein Schreiben der Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt vorausgegangen. Die Plattform wies ihn darauf hin, dass die Kommission entgegen ihres Namens als andere als unabhangig sei und von Gerichts wegen als Einrichtung der katholischen Kirche betrachtet werden darf. Ob zwischen dem Schreiben und der Absage Beiers ein Zusammenhang besteht, ist unklar.

Klasnic zeigte sich sehr betroffen uber die Reaktionen von Betroffenen-Seite und fuhlt sich missverstanden. Wahrend ihrer Rede auf dem Symposion sei sie den Tranen nahe gewesen, schildern Zeugen. Mit der Kritik, ihre Kommission sei nicht unabhangig, scheint sie nicht viel anfangen zu konnen.

Die katholische Kirche offenbar auch nicht. Ihre Presseagentur kathpress betreibt weiterhin die Pressearbeit der „Unabhangigen Opferschutzanwaltschaft“. Einer der Zwischentitel einer der jungeren Aussendungen: Kommission ist „absolut unabhangig“.

Christoph Baumgarten

 

 

 

 

 




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