| "Spiritualisierung Des Verbrechens"
The Ludger Fittkau
January 17, 2013
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Bischof Stefan Ackermann: "Was ist das fur eine Perfidie." (Bild: picture alliance / dpa / Maxppp / Donatella Giagnori / Eidon)
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Mehr als 8000 Anrufer meldeten sich bei der "Missbrauchshotline" der katholischen Kirche. Dabei berichteten sie von sexuellen Ubergriffen durch Seelsorger in den vergangenen Jahrzehnten. Besonders im Zusammenhang mit symbolischen Handlungen wie Beichte oder Gebet.
Sie leiden unter Beziehungsproblemen und Depressionen, haben Suizidgedanken oder sind suchtkrank: Die mehreren tausend Menschen, die zwischen Marz 2010 und Dezember 2012 zum Horer griffen und die Psychologen an der Trierer "Missbrauchshotline" der Deutschen Bischofskonferenz anriefen. Es sind uberwiegend Manner, die innerhalb von Kirchenmauern zu Opfern sexueller Ubergriffe wurden, wahrend au?erhalb der Kirche vor allem Frauen betroffen sind. Sogar von korperlichen Verletzungen, die sie auch Jahrzehnte nach der Tat plagen, sprachen die Opfer der katholischen Priester am Telefon. Eine weitere, nahezu logische Folge: das Misstrauen in die Kirche sitzt bei vielen tief.
Aus welchen Bistumern genau die Tater kommen oder gar wie sie hei?en, daruber wurde heute bei der Pressekonferenz des Trierer Bischofs Stephan Ackermann nichts bekannt. Denn das Team der Missbrauchshotline hatte nicht den Auftrag, die Tater in den Blick zu nehmen, sondern vor allem Wege zur Pravention und fur den Umgang mit den Opfern aufzuzeigen. Doch Dr. Andreas Zimmer, der Leiter der katholischen Missbrauchshotline berichtete von den speziellen Tricks, die Priester anwenden, um an ihre Opfer zu kommen:
"Sie nutzen die psychische Wirkung von Riten aus. Die Ergriffenheit von Kindern bei Symbolhandlungen wie Beichte oder Gebet, was dazu fuhrte, dass die Schutzmechanismen der Kinder gesenkt waren. ( ... ) Sie tauschten den Kindern vor, die Delikte seien Ausdruck bleibender Verbundenheit mit Christus oder der Auserwahltheit von Gott."
Eine besonders perfide "Spiritualisierung des Verbrechens" nannte heute Bischof Stefan Ackermann, der Missbrauchsbeauftragte der Katholischen Bischofskonferenz, dieses gezielte Vorgehen der Priester:
"Und was mich noch einmal besonders erschuttert hat, dass es so eine besondere Form der 'Spiritualisierung des Verbrechens' gibt. Das ist noch einmal ein besonderer Schrecken der Erkenntnis dieses Berichts. Was ist das fur eine Perfidie zu sagen, das entspricht der Liebe Christ und des Evangeliums, was ich dir da antue."
Die Bischofe wollen nun daruber nachdenken, wie man vor allem bei kirchlichen Riten und Zeremonien Kinder und Jugendliche vor Ubergriffen durch Geistliche schutzen kann. Dass man aber Kinder grundsatzlich etwa beim Beichtritual mit einem Priester nicht mehr unbeobachtet lasst - das sogenannte "Sechs-Augen-Prinzip" also - eine solche Regelung kann sich Bischof Ackermann nicht vorstellen:
"Das wird theologisch nicht moglich sein, weil es ja gerade um diesen Raum des Vertrauens geht. Aber wie finde ich die richtige Balance zwischen dem Vertrauensraum, den es braucht auf der einen Seite und der Seelsorge. Aber das gilt auch fur andere Zusammenhange, etwa dem therapeutischen Bereich. Auch da gibt es ja kein Vier- oder Sechs-Augenprinzip, sondern es braucht das Vertrauensverhaltnis, um sich zu offnen. Auf der einen Seite, auf der anderen Seite eine klare Strukturierung und Transparenz, die aber genau diesen Missbrauch verhindert, der hier beschrieben ist."
Die Missbrauchshotline ist nun abgeschaltet - doch die Aufklarung uber den sexuellen Missbrauch soll weitergehen, versichert Bischof Ackermann. Auch die vorerst am Dissens mit dem renommierten Wissenschaftler Christian Pfeiffer gescheiterte kriminologische Studie soll mit anderen Forschern weitergefuhrt werden, so Ackermann. Namen kunftiger Forscher nannte er jedoch nicht.
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