| "DAS Ist Fur Mich Kirche Wie Im Mittelalter"
By Elke Silberer
Die Welt
January 17, 2013
http://www.welt.de/regionales/koeln/article112839591/Das-ist-fuer-mich-Kirche-wie-im-Mittelalter.html
Eine junge Kolnerin soll betaubt und vergewaltigt worden sein. Zwei katholische Kliniken haben sie offenbar abgewiesen. Jetzt spricht die Notarztin, die das Opfer zuerst versorgt hatte. Von Elke Silberer
Kirche und Moral. Fur die Arztin Irmgard Maiworm hat das einen ganz bitteren Beigeschmack. "Mit dem Hinweis auf Moral wird einer Frau, die wahrscheinlich mehrfach traumatisiert ist, Hilfe verweigert. Welche Moral ist das?"
Die erfahrene Notarztin erinnert sich sehr genau an die dramatischen Ereignisse vom 15. Dezember, als die junge Frau zu ihr in die Kolner Notarztpraxis kam: seelisch verletzt, erschuttert, weinend – vermutlich betaubt und vergewaltigt. Sie musste untersucht werden, brauchte Hilfe. Zwei katholische Krankenhauser lehnten das ab.
"Es war hochdramatisch", sagt Maiworm. Da kam diese junge Frau an jenem Samstagnachmittag in die Praxis, aufgelost, mit verschmutzter Stra?enkleidung: "Sie fuhlte sich nicht gut." Die Arztin schickte die Mutter raus.
Die junge Frau erzahlte: Am Vorabend war sie mit Freunden in die Stadt, "mit Freunden, die ihr wohl sehr vertraut waren", sagt Maiworm. Kurz vor der Heimfahrt mit der S-Bahn begann das Unfassbare. Die Freunde waren schon weg, alle auf dem Heimweg. An der Haltestelle habe sie noch gedacht: "In zehn Minuten kommt die Bahn." Danach nichts mehr. Keine Erinnerung. Nur noch ein Loch.
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Vergewaltigt und dann schwanger
Auf einer Bank wurde sie wach. Es war hell, Samstagnachmittag. Irgendwo in der Stadt, sie kannte die Gegend nicht. Irgendwann erfasste sie, sie war in einem ganz anderen Stadtteil, in Koln-Kalk. Sie ging zu einem Kiosk, durfte telefonieren, rief die Mutter an. Die brachte sie auf direktem Weg zur Notarztin, zu Irmgard Maiworm. Die junge Frau hatte Schmerzen, auch beim Toilettengang.
Bei der Arztin verdichtete sich die furchtbare Vermutung: Die Frau konnte mit K.o.-Tropfen betaubt und vergewaltigt worden sein. Sie sprach es aus. Und sie sprach uber eine mogliche Schwangerschaft. Die 25-Jahrige brach in Tranen aus. "Welche Folgen die Vergewaltigung haben kann, daruber hatte sie nicht nachgedacht." Die Arztin stellte ihr ein Rezept fur die "Pille danach" aus und rief die Polizei an.
Arztliche und menschliche Fursorge
Die kam auf Bitten der Arztin auch in die Praxis und nahm das Protokoll auf. Wohl eher ungewohnlich. Maiworm wollte ihrer Patientin jede zusatzliche Belastung ersparen. Arztliche und menschliche Fursorge. Darum sollte die Frau zur gynakologischen Untersuchung auch ins Vinzenz-Krankenhaus ein paar Schritte weiter, direkt nebenan – auch zur Beweissicherung, falls die Frau spater Anzeige erstatten wurde.
Maiworm habe von der Krankenhaus-Kollegin eine Abfuhr erhalten mit der Begrundung: "Zu einer Untersuchung nach sexueller Gewalt gehore ja auch ein Gesprach uber die "Pille danach" und das Ausstellung eines Rezeptes. Und das ist nach einem neuen Erlass mit dem christlichen Gedankengut nicht vereinbar und das durfen wir nicht machen", gab Maiworm die Antwort wieder.
Angst um den Arbeitsplatz
Selbst nach dem Hinweis, es gehe nicht um ein Rezept, sondern nur noch um die gynakologische Untersuchung, habe die Arztin abgelehnt. In einem ahnlichen Fall sei einer Kollegin fristlos gekundigt worden. "Die Kollegin hatte Angst um ihren Arbeitsplatz", sagte Maiworm. Die zweite Abfuhr habe sie im Heilig-Geist-Krankenhaus mit der gleichen Begrundung erhalten. Beide Krankenhauser gehoren der Stiftung der Cellitinnen. "Das ist fur mich Kirche wie im Mittelalter", sagte die Arztin.
Das Erzbistum bestritt, dass seine Krankenhauser gynakologische Untersuchungen zur Spurensicherung bei Vergewaltigungsverdacht verweigern sollen. Die Stiftung der Cellitinnen stellte fest, es sei "vermutlich zu einem Missverstandnis" gekommen. Das evangelische Krankenhaus Koln-Kalk fuhrte die Untersuchung schlie?lich durch.
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