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Leiter Des Jesuitenkollegs: " DAS Ist Fur Viele Opfer Schmerzlich"

Badische Zeitung
January 12, 2013

http://www.badische-zeitung.de/st-blasien/leiter-des-jesuitenkollegs-das-ist-fuer-viele-opfer-schmerzlich--68073536.html

Klaus Mertes Foto: PRIVAT

Erst vereinbaren alle deutschen Bistümer die Aufklärung von jahrzehntelang vertuschten Missbrauchsfällen, dann platzt die Studie. Was sagt Klaus Mertes, Leiter des Jesuitenkollegs in St. Blasien, dazu?

ST. BLASIEN. Erst vereinbaren alle deutschen Bistümer die Aufklärung von jahrzehntelang vertuschten Missbrauchsfällen, dann platzt die Studie nach Gegenwind aus Teilen der katholischen Kirche. Einen Machtkampf zwischen konservativen und reformgesinnten Kräften in der Deutschen Bischofskonferenz vermuten Experten. Sebastian Barthmes sprach darüber mit dem Direktor des Jesuitenkollegs in St. Blasien, Klaus Mertes (58). Er hatte die Aufdeckung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche ausgelöst.

BZ: Die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle und das Verhindern von Gewalt jeglicher Art sind für Sie und das damals auch betroffene Kolleg St. Blasien ein wichtiges Anliegen. Welche Folgen hat die Kündigung des Vertrags mit dem Forschungsinstitut durch die Bischofskonferenz aus Ihrer Sicht?

Mertes: Ich kenne weder das Forschungsinstitut noch das Konzept der geplanten Studie und auch nicht den Konflikt, der jetzt aufgebrochen ist. Deswegen kann ich nichts Seriöses dazu beitragen. Die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle bleibt natürlich ein wichtiges Anliegen. Schlimm ist: Der Vorgang, den Herr Pfeiffer und die Bischofskonferenz zu verantworten haben, erschüttert das Vertrauen in den innerkirchlichen Aufklärungswillen – und das ist ein großer Schaden, sowohl für die betroffenen Opfer als auch für diejenigen, die konkret vor Ort die Arbeit machen.

BZ: Erschwert diese Kündigung Ihre Arbeit auf dem eingeschlagenen Weg und wie sehr wird das Thema am Kolleg und bei den Jesuiten jetzt diskutiert?

Mertes: Natürlich wird das Thema bei uns diskutiert. Doch mich stört, dass das Thema zurzeit "Herr Pfeiffer", "Bischofskonferenz" oder "Ansehen der Kirche" lautet, und nicht etwa die Frage nach den Opfern und den möglichen Schritten in der Begegnung zwischen den kirchlichen Institutionen wie den konkreten Schulen, Heimen und Pfarreien einerseits und den Opfern andererseits. Es kommt noch etwas hinzu, was die Arbeit vor Ort erschwert: der neuerliche Vertrauensverlust. Das ist für viele Opfer schmerzlich und erschwert wieder die konkrete Kommunikation vor Ort, aber auch für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich in den letzten Jahren intensiv und beharrlich Aufklärung und Prävention befasst und abgemüht haben. Nun liegt auch auf ihnen wieder der Vertuschungsverdacht. Das kostet Kraft.

BZ: Sie persönlich sind wegen Ihres Vorgehens auch Anfeindungen ausgesetzt. Was ist Ihre Meinung? Wirft die Kündigung die wissenschaftliche Aufarbeitung zurück oder birgt sie auch Chancen, wie es der Freiburger Bistumssprecher gesagt hat?

Mertes: Natürlich wird die Aufarbeitung weitergehen. Ich meine, dass man zwischen Aufklärung und wissenschaftlicher Aufarbeitung unterscheiden muss. Aufklärung ist ganz konkret immer wieder ganz vordringlich, und zwar bezüglich der beiden Fragen: Wie konnte es den Taten kommen, und wie konnte es dazu kommen, dass Symptome von sexualisierter Gewalt in kirchlichen Institutionen von Verantwortlichen übersehen oder gar vertuscht oder gedeckt wurden. Diese Aufklärungsarbeit muss von unabhängigen Beauftragten in den jeweiligen ganz konkreten Institutionen geleistet werden. Und sie muss zu Ergebnissen führen, die für die Opfer glaubwürdig sind, so dass sie sagen können: Ja, so war es, und hier steht jetzt endlich schwarz auf weiß. Das ist der erste Schritt. Große flächendeckende Studien mit verallgemeinernden Ergebnissen sind der zweite Schritt.

BZ: Besonders in der Kritik steht die Erzdiözese München und Freising. Wie steht man Ihrer Meinung nach im Ordinariat in Freiburg der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle gegenüber?

Mertes: Aus vielen Gesprächen in der Schulstiftung und mit den Leiterinnen und Leitern katholischer Schulen weiß ich, wie sehr ihnen die Aufarbeitung ein Anliegen ist und wie viel dafür auch getan wird. Das schließt nicht aus, dass es auch immer wieder zu Fehlern oder Fehleinschätzungen führt. Aber wer bei einem so komplexen Thema wie dem der Aufklärung von sexualisierter Gewalt meint, fehlerfrei arbeiten zu können, der sollte gar nicht erst anfangen.

BZ: Ein Klima des Vertrauens wollen Sie schaffen, sagten Sie in einem Gespräch. Wird dieses Vertrauen jetzt beschädigt oder sehen Eltern und Schüler Ihre Bemühungen unabhängig vom Vorgehen der katholischen Kirche insgesamt?

Mertes: Von den Eltern und Schülern unserer Schule kommt mir und der gesamten Leitung des Kollegs großes Vertrauen entgegen. Meine Erfahrung ist: Aufklärung schafft Vertrauen.




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