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Sinnkrisen Als Ursache?

By Michael Richmann
The Katholisch
December 7, 2012

http://www.katholisch.de/de/katholisch/themen/kirche_2/121207_missbrauch_studie_trier.php

Was lauft falsch bei Priestern, die Schutzbefohlene sexuell missbrauchen? Gab es Probleme in der sexuellen Entwicklung? Wurden bei der Ausbildung Fehler gemacht? Oder ist die Nahe zwischen Seelsorger und Schutzbefohlenem problematisch? Schwierige Fragen, denen sich Norbert Leygraf, Direktor des Instituts fur Forensische Psychiatrie der Universitat Essen-Duisburg, gewidmet hat.

Im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) hat er die forensischen Profile von Geistlichen ausgewertet, die sich an Kindern und Jugendlichen vergangen haben. Die Profile wurden in den Jahren zwischen 2000 und 2010 erstellt, die Taten lagen meist viel weiter zuruck. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden am Freitag von Leygraf und Bischof Stephan Ackermann, dem Missbrauchsbeauftragten der DBK, in Trier vorgestellt.

Das wichtigste Resultat: Die wenigsten Priester, deren Profile im Rahmen der Studie ausgewertet wurden, sind padophil. Leygraf und sein Team haben 78 Profile ausgewertet und sind zu dem Schluss gekommen, dass sich auffallig viele Tater in einer Sinnkrise befanden - sowohl beruflich als auch privat. "Da mag Einsamkeit eine Rolle gespielt haben, das Bedurfnis nach Nahe. Auch Unzufriedenheit mit dem Beruf", kommentierte Leygraf. Auffallig sei zudem, dass die meisten Vorfalle um das siebte und achte Berufsjahr stattgefunden hatten.

Der Zolibat als Schutz?

Bischof Ackermann zieht daraus den Schluss, dass Strukturen geschaffen werden mussen, um die Priester mit ihren Problemen nicht alleine zu lassen: "Einen Ort oder einen festen Ansprechpartner, wo man das Gefuhl hat, willkommen zu sein und sich aussprechen zu konnen."

Als Gerichtsgutachter hat Leygraf auch Einblick in die Geisteswelt von Sexualstraftatern, die im Gefangnis sitzen. Im Vergleich fallt ihm auf, dass korperliche Gewalt beim sexuellen Missbrauch durch Priester und Seelsorger meist keine Rolle gespielt hat: "Die haben ihre Macht auf andere Weise ausgenutzt, beispielsweise mit ihrer Autoritat als Priester oder Lehrer, und haben so Druck auf die Jugendlichen ausgeubt." Vergewaltigungen habe es bei den untersuchten Vorfallen dagegen keine gegeben: "Von daher scheint der Zolibat diesbezuglich eher ein Schutz zu sein", vermutet Leygraf.

Einmal mit ihren Vergehen konfrontiert, zeigten die meisten Geistlichen laut der Studie Reue und seien nach einer psychiatrischen Behandlung auch wieder in der Lage, in der Gemeinde mitzuarbeiten - zumindest was die Ruckfallquote betrifft. Doch Ackermann erhebt Einspruch: "Die Ruckfallquote aus wissenschaftlicher Sicht ist eine Sache, die offentliche Meinung eine andere. Und wenn eine Gemeinde einen Priester oder Seelsorge fur untragbar halt, mussen wir darauf reagieren." Dennoch halt es der Bischof in den meisten Fallen fur richtig, den therapierten Tater im Dienst der Kirche zu behalten: "Einen Menschen aus seinem Beruf, seinem Leben und seinem kompletten sozialen Umfeld zu versto?en, ist mit Hinblick auf die Ruckfallwahrscheinlichkeit sicherlich nicht sehr sinnvoll."

Verhaltenskodex - Osterreich als Vorbild

Insgesamt halt Ackermann einen Verhaltenskodex fur sinnvoll, der auch jenseits von strafrechtlicher Relevanz klare Grenzen zieht und disziplinarische und arbeitsrechtliche Konsequenzen festschreibt: "In Osterreich wurden diesbezuglich einige interessante Vorschlage gemacht." Auf die Frage, wer diese Kodizes erstellen solle, verwies Ackermann auf die Diozesen.

Ans Licht gebracht hatte den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche im Januar 2010 der Jesuiten-Pater Klaus Mertes. Der damalige Leiter des Canisius-Kollegs in Berlin hatte in einem Brief an ehemalige Schuler uber Missbrauchsfalle an der Schule informiert. Er loste damit eine Lawine weiterer Enthullungen uber sexuellen Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen, Privatschulen, Vereinen und Familien aus. In der Folge verscharften die deutschen Bischofe unter anderem die Leitlinien zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch in der Kirche, gaben verschiedene Gutachten in Auftrag und starteten einen Dialogprozess.

 

 

 

 

 




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