| Arbeit Fur Heimkinder War Laut Historikern "Erziehungsziel"
By Thomas Neuhold
Der Standard
September 22, 2012
http://derstandard.at/1345165831225/Arbeit-fuer-Heimkinder-war-laut-Historikern-Erziehungsziel?_lexikaGroup=1
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Auch in das inzwischen geschlossene Caritas-Heim in Gleink bei Steyr wurden Salzburger Kinder in den 1960er-Jahren verschickt. Bei der Opferanwaltschaft liegen Anzeigen gegen das Heim vor.
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Salzburger Historiker verlangen eine einheitliche Regelung zur Entschadigung von Heimkindern. Der Missbrauch war "gesellschaftlicher Konsens" und die "Verantwortungskette" war lang
Salzburg - Voraussichtlich im Oktober werden die Salzburger Universitats-Historiker Ingrid Bauer, Tina Kubek und Robert Hoffmann ihre Forschungsergebnisse zur Situation der Heim- und Pflegekinder im Land Salzburg von 1945 bis in die 1980er-Jahre vorlegen. Die Studie entsteht im Auftrag der Landesregierung. "Das Land ist von sich aus aktiv geworden und an das Institut fur Geschichte herangetreten", lobt Bauer die Sozialabteilung. In manchen Bundeslandern habe die Forschung noch nicht einmal begonnen.
Eines der wichtigsten Ergebnisse der Untersuchungen nehmen Bauer und Kubek im Standard-Gesprach vorweg: Die Frage von Entschadigungen und die Frage der Nachzahlung fehlender Pensionszeiten "kann man nicht bundeslanderweise regeln", sagt Bauer. Es bedurfe einer bundesweit einheitlichen Regelung.
Gerade das Schicksal der Salzburger Heimkinder zeige dies ganz deutlich. Vor allem in den 1960er-Jahren seien die Kinder auf Erziehungsanstalten in ganz Osterreich aufgeteilt worden. "Salzburger Kinder wurden in 61 verschiedene Heime verschickt."
Frustration und Stillstand
Wohin solle sich ein Salzburger wenden, der als Kind oder Jugendlicher zuerst in einem Karntner Heim, spater dann in Tirol untergebracht worden war, lautet die rhetorische Frage der beiden Historikerinnen. Die Betroffenen wurden von Anlaufstelle zu Anlaufstelle geschickt, befurchten Bauer und Kubek. Das fuhre zu Frustration und Stillstand.
Als Vorbild einer bundesweiten Regelung konne Deutschland dienen, empfehlen die Wissenschafter. Dort habe der Bundestag einen runden Tisch mit Betroffenen, deren Vertretern, Heimtragern, Kirchen, Bund und Landern sowie Firmen eingerichtet. Herausgekommen sei ein Bundesentschadigungsfonds. Dieser wurde seine Entschadigungspraxis transparent gestalten. In Osterreich hingegen wurden beispielsweise die Nachzahlungen von Pensionszeiten vollig intransparent laufen.
Fur eine einheitliche Bundesregelung mit einem die Entschadigungsstrategien koordinierenden Gremium spricht aus Sicht der Forschung auch, dass es eine gesellschaftliche Gesamtverantwortung gibt. "Die Verantwortungskette sei lange", sagt Bauer.
Kinderarbeit fur Heimbetrieb
Als Beispiel nennt sie die Einbehaltung von Arbeitslohnen durch die Heime. Dies liege teilweise auch an der chronischen Unterfinanzierung der Einrichtungen durch die offentliche Hand, "mit den Tagsatzen war der Heimbetrieb nicht aufrechtzuerhalten".
Alle - vom Gesetzgeber uber Amter, Gerichte, Heimtrager und Firmen - gehorten in diese lange Verantwortungskette. Letztlich habe es "einen gesellschaftlichen Konsens" gegeben, wie mit Kindern umzugehen sei, "die nicht der Norm entsprechen". Es habe quasi einen Konsens fur Missbrauch und Zwangsarbeit gegeben. "Die Arbeit war Erziehungsziel", fasst Kubek zusammen.
Dass sich dann ab den 1970er-Jahren die Situation langsam zu verbessern begonnen habe, sei noch ein Indiz fur die lange Verantwortungskette: Es sei vielen Beteiligten wohl bewusst gewesen, dass im Fursorgewesen vieles schiefgelaufen ist. (Thomas Neuhold, DER STANDARD, 1./2.9.2012)
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