| Für Gewalt Im Internat Entschädigt
By Manuela Kalser
Kleine Zeitung
August 22, 2012
http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/chronik/missbrauch/3097701/fuer-gewalt-internat-entschaedigt.story
Anfang der 60er-Jahre kam es laut Experten zu Misshandlungen im Konvikt Lienz. An sieben Opfer floss nun Geld. Ihnen geht es vor allem darum, gehört zu werden.
Es war keineswegs normal, was damals geschah. Die Narben der Opfer rufen nach Offenlegung, nicht nach Rache." Mit diesen Worten wandten sich ehemalige Internatsschüler des Bundeskonvikts in Lienz an die Kleine Zeitung. Sie berichten von zehn- bis 14-jährigen Buben, die damals, in den 60er-Jahren, in dem Osttiroler Heim auf "sadistische Weise gequält wurden". Ihr anonymes Schreiben erreichte auch den Opferschutzverein "Weisser Ring" in Wien. Für Geschäftsführerin Marianne Gammer sind die Vorwürfe nicht neu. Im Gegenteil: "Der Weisse Ring gründete heuer in Absprache mit dem Unterrichtsministerium eine Expertenkommission, die sich mit den Vorfällen in Lienz befasst." Es gehe vor allem um die frühen 60er-Jahre. Udo Jesionek, der Präsident des Opferschutzvereins, ist Vorsitzender dieses Gremiums. Insgesamt haben sich 15 ehemalige Zöglinge beim "Weissen Ring" gemeldet. Sieben Betroffene erhielten laut Gammer vor Kurzem eine finanzielle Entschädigung. "Die anderen Fälle werden noch geprüft. Auch Untersuchungen zu Vorwürfen betreffend sexueller Übergriffe gibt es, die sind ebenso noch nicht abgeschlossen."
Prügel-Spalier
Bisher bekamen die Opfer je nach Schwere der Übergriffe 5000 bis 25.000 Euro pro Person. "Wobei es diesen Menschen nicht ums Geld geht, sondern darum, gehört zu werden." Und was die Opferschützer zu hören bekommen, ist dramatisch: Über Jahre hinweg wurden die Betroffenen - meist noch Kinder, die wegen des Gymnasiumbesuchs oft wochenlang von den Eltern getrennt waren - geschlagen. "Beispielsweise mussten ältere Heimbewohner Spalier stehen, die jüngeren wurden durchgejagt und dabei von den größeren geschlagen. Die Erzieher haben das gefordert und bei den Übergriffen zugeschaut", schildert Gammer.
In dem Heim waren in der Hochzeit über 300 Buben - vor allem aus Osttirol und Kärnten. "Ein Erzieher schlug die Kinder sogar bewusstlos", heißt es in dem anonymen Brief an die Redaktion, der unterzeichnet wurde mit "Komitee der geprügelten, gequälten und in ihrem Fortkommen behinderten Kinder". Schläge bis zur Bewusstlosigkeit? "Auch dazu gab es Schilderungen. Genauso wie zu Schülern, die blutig geprügelt wurden", bestätigt Gammer. Verschiedene Erzieher werden beschuldigt. "Die Opfer sind absolut glaubwürdig", betont Gammer. Sie leben in ganz Österreich verstreut. Speziell ausgebildete Psychologen des "Weissen Rings" haben sich mit den Betroffenen getroffen und Gespräche geführt.
Gammer: "Es war und ist für diese Leute eine große Überwindung, mit uns zu reden. Weil sie immer noch Angst haben, dass ihnen nicht geglaubt wird. Doch die Zeit, in der geschwiegen wurde, ist vorbei."
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