| Kirche Vertuschte Missbrauch
By Jürgen Balthasar
The Welt
August 19, 2012
http://www.welt.de/print/welt_kompakt/vermischtes/article11417591/Kirche-vertuschte-Missbrauch.html
Katholische Reformbewegung fordert Diskussion um Zölibat
Der Missbrauchsbericht für das Erzbistum München und Freising darf nach Ansicht der Reformbewegung "Wir sind Kirche" für die katholischen Kirche kein Schlusspunkt sein. Die aufgedeckten Vertuschungsmechanismen müssten auch bundesweit aufgearbeitet werden, forderte "Wir sind Kirche"-Sprecher Christian Weisner. Der Münchner Erzbischof und Kardinal Reinhard Marx versprach, dass aus dem Bericht die nötigen Konsequenzen gezogen würden. Eine neue Kultur des Hinsehens sei nötig. Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) lobte den kirchlichen Aufklärungswillen.
In einer bundesweit bisher einzigartigen Studie hatte die Münchner Rechtsanwältin Marion Westpfahl als unabhängige Gutachterin im Auftrag des Erzbistums untersucht, welche innerkirchlichen Strukturen sexuelle und andere körperliche Übergriffe über sechs Jahrzehnte überhaupt ermöglicht hatten. Die nun erfolgte Prüfung von 13 000 Akten der Jahre 1945 bis 2009 ergab, dass mindestens 159 Priester, von denen 26 wegen Sexualdelikten verurteilt wurden, und 96 katholische Religionslehrer in Fälle sexuellen Missbrauchs verstrickt waren, so Westpfahl. Alle in die Delikte verstrickten Personen seien bereits verstorben. Westpfahl stellte in dem Erzbistum, das der heutige Papst Benedikt XVI. eine Zeit lang leitete, "systematische Vertuschung von Missbrauchsfällen" und "massive Aktenvernichtung durch Kirchenmitarbeiter" fest.
Die Reformbewegung "Wir sind Kirche" forderte daraufhin eine umfassende Neuausrichtung der Amtskirche. Es gebe einen Zusammenhang zwischen der Missbrauchsaffäre einerseits und der kirchlichen Sexualmoral sowie der Priesterverpflichtung zur Ehelosigkeit (Zölibat) andererseits, so Weisner. So sei in der Kirchenlehre die zentrale Frage zum Zölibat weiter ungeklärt, ob ein Mensch seine Sexualität wirklich völlig negieren könne.
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