| Blaue Briefe Von Papst Benedikt
Publik-ForumI
July 17, 2012
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Sexueller Kindesmissbrauch: Benedikt XVI. bekampft das in der Amtskirche immer noch verbreitete Schweigen uber sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen durch Priester. Ein Vatikanvertreter vergleicht die Vertuschung in der Kirche mit dem Schweigegebot der Mafia
Im Juli lasst Papst Benedikt XVI. die Blauen Briefe verschicken. Empfanger sind rund die Halfte aller 112 nationalen katholischen Bischofskonferenzen rund um den Globus. Bei der harschen Post aus dem Vatikan handelt es sich um ein Mahnschreiben im Kampf gegen den sexuellen Kindesmissbrauch durch Priester. Denn die Adressaten haben es bisher versaumt, Richtlinien zur Bekampfung sexueller Gewalt durch Geistliche und Kirchenmitarbeiter zu erarbeiten.
Ein-Jahres-Frist zur Umsetzung der Richtlinien endete im Mai
Die von Rom eingeraumte Ein-Jahres-Frist fur die Umsetzung der Richtlinien endete im Mai. Mit dieser fur Kirchenverhaltnisse ungewohnlich kurzen Frist will der Papst - so erklart Vatikan-Sprecher Lombardi SJ, die »Dringlichkeit« unterstreichen, mit der er der »Plage des sexuellen Missbrauchs durch Kleriker« begegnen und der Kirche »die volle Glaubwurdigkeit« zuruckgeben will.
Knapp die Halfte der Bischofskonferenzen hat noch nicht die vom Papst geforderten »klaren Richtlinien« erarbeitet - mit Prioritat fur den Opferschutz, scharfen Kriterien bei der Auswahl von Priesternachwuchs und Null-Toleranz fur Geistliche, die in Gemeinde und Seelsorge arbeiten. Dennoch sieht der Chefanklager des Papstes in Sachen Missbrauch, der in der romischen Glaubenskongregation angesiedelte, aus Malta stammende Erzbischof und Kirchenrechtler Charles Sicluna, das Glas eher halb voll als halb leer: Immerhin die Halfte der Bischofskonferenzen sei der Vorgabe des Papstes nach Ausarbeitung eigener Richtlinien bereits nachgekommen, sagt er.
Vor allem aus afrikanischen Bischofskonferenzen steht die Antwort meist noch aus. Das ist kein Wunder, denn im armen Westsahel leiden die Menschen unter einer morderischen Durre und in Staaten wie Mali, Lybien, Agypten, Eritrea oder dem Sudsudan haben die kleinen Ortskirchen mit Nothilfe und dringender Friedensarbeit zu tun - da rutscht dann der drangende Befehl aus Rom schon mal aus der Tagersordnung.
Charles Sicluna vergleicht Vertuschung in der Kirche mit der »Omerta«
Am Ziel halt Charles Sicluna fest. Er kampft gegen die Jahrhunderte dauernde, tief sitzende verbrecherische Unkultur der Vertuschung sexueller Gewalttaten in der Kirche an. Als erster Vatikanvertreter vergleicht Sicluna offentlich die Haltung der Kirche hierzu mit dem Schweigegebot der Mafia, der »Omerta«.
Wo die neuen nationalen Richtlinien einiger Bischofskonferenzen die Unabhangigkeit der Kirche gegenuber der staatlichen Justiz betonen, musse nachgearbeitet werden, fordert Sicluna. In diesen Fallen musse eine »prazise, aufmerksame und vollstandige Beschreibung« der Gesetze des jeweiligen Staates zum Missbrauch hinzugefugt werden. In jedem einzelnen Land musse ausdrucklich darauf hingewiesen werden, dass die Kirche »im vollen Respekt vor dem Recht des Staates nichts tun wird, um die Opfer davon abzubringen, von ihrem Recht Gebrauch zu machen«.
So sieht die Forderung nach einem totalen Kurswechsel aus. Denn in den Jahrhunderten der Vertuschung und der Luge war eben dies nicht geschehen. In der Auseinandersetzung uber sexuelle Ubergriffe Geistlicher auf Minderjahrige wollte die Amtskirche ihren Ruf bewahren. Dafur wurde verschwiegen, bestochen, getauscht und gelogen. Nun fordert der Papst die Zusammenarbeit mit den staatlichen Behorden. Und schreibt Blaue Briefe an die katholische Kirche in Dutzenden Staaten.
Der sonst zogerliche Papst agiert diesmal beharrlich
Der umstrittene Papst Benedikt XVI., der in vielen anderen Fragen die Dinge im Vatikan - bis hin zu Vatileaks und Geheimkonten der kriminellen Vatikanbank IOR - schleifen lasst, weil er lieber Bucher schreibt und der Theologie nachgeht, agiert in Sachen Missbrauch leise, jedoch beharrlich und mit der notigen Harte. Er will die globale katholische Gro?kirche bei diesem Thema auf einen neuen und besseren Kurs zwingen. Doch die Struktur der Amtskirche, insbesondere den Pflichtzolibat der Priester, lasst Benedikt dabei unangetastet.
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