| "Ein Lauterungsprozess Steht Aus"
Saarbrucker Zeitung
June 15, 2012
http://www.saarbruecker-zeitung.de/sz-berichte/saarlouis/Wunibald-Mueller-Lebach;art2807,4331511#.T9xWhcUy5EQ
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Wunibald Muller
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Herr Dr. Muller, was ist von Seiten der Kirche nach dem Missbrauchsskandal im vergangenen Jahr geschehen?
Wunibald Muller: Die Kirche hat sich auf einen Weg der Erneuerung begeben. Im Bereich sexueller Missbrauch Minderjahriger durch kirchliche Mitarbeiter sind wichtige Initiativen in die Wege geleitet worden und Beschlusse gefasst worden, die deutlich machen, dass die Kirche es ernst meint, wirklich zuerst die Opfer sexuellen Missbrauchs zu sehen und alles zu tun, zum Beispiel auch durch Praventionsma?nahmen, um in Zukunft sexuellen Missbrauch in ihren eigenen Reihen zu verhindern.
Wie soll mit den Priestern umgegangen werden, die Minderjahrige sexuell missbraucht haben?
Muller: Liegt bei einem Priester, der Minderjahrige missbraucht, eine padophile Veranlagung vor, darf er zum Schutz moglicher Opfer nicht langer in der Seelsorge eingesetzt werden, gegebenenfalls auch nicht langer einer priesterlichen Tatigkeit nachgehen. Priestern, bei denen mit Hilfe der besten uns heute zur Verfugung stehenden diagnostischen Moglichkeiten festgestellt werden kann, dass sie nicht padophil veranlagt sind und es sich bei ihrem Fehlverhalten um ein einmaliges regressives Verhalten handelt, das unter anderem auf Defizite im Bereich der Intimitat zuruckzufuhren ist, kann im Einzelfall nach erfolgreicher Psychotherapie auch eine klar umgrenzte priesterliche Tatigkeit moglich sein. Diese Vorgehensweise ist schwieriger zu handhaben als die Nulltoleranz-Losung, wonach jemand, der sich einmal sexuell missbrauchlich verhalten hat, nie mehr als Seelsorger oder als Priester tatig sein kann. Sie berucksichtigt aber die jeweilige Situation der einzelnen Priester, deren Vergehen nicht beschonigt werden darf, die aber auch nicht einfach abgeschoben und abgeschrieben werden durfen.
Was steht noch an?
Muller: Weit mehr als bisher mussten die sekundaren Opfer Beachtung finden, zu denen die Mitbruder des missbrauchenden Priesters, die Gemeinde, in der der Tater wirkte, und dann naturlich die Glaubigen selbst gehoren. Fur die Glaubigen ist oft eine Welt zusammengebrochen. Fur sie ist es wichtig, durch diese Krise spirituell zu wachsen, etwa durch die Erkenntnis, dass die Kirche niemals mit Gott verwechselt werden sollte. Sie sollen an Gott glauben mittels, dank und trotz der Kirche.
Welche weitergehenden Konsequenzen ergeben sich aus dem Missbrauchsskandal?
Muller: Das betrifft vor allem Themen wie Klerikalismus, Sexualitat, Homosexualitat, Zolibat, die Rolle der Frau in der Kirche und die Glaubwurdigkeit der Kirche. Diese Themen mussten offener und energischer angegangen werden. Die spirituellen Konsequenzen, die sich aus dem Missbrauchsskandal ergeben, sind noch nicht vollzogen worden. So steht ein wirklicher Lauterungsprozess, der am Ende die Kirche und ihre Verantwortlichen demutiger, wahrhaftiger und damit glaubwurdiger macht, weiterhin aus.
Offentlicher Vortrag zum Thema "Sexueller Missbrauch in der Kirche", Freitag, 29. Juni, 19.30 Uhr, Stadthalle Lebach. Es spricht Dr. Wunibald Muller, Leiter des Recollectiohauses der Abtei Munsterschwarzach, der viele Jahre Erfahrung in der Therapiearbeit mit Tatern und Opfern hat, und Bucher zum Thema veroffentlicht hat.
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