| Norbert Denef Im Hungerstreik
Norbert Denef im Hungersteik
June 14, 2012
http://www.regenbogenwald.de/news/kurzberichte/menschenrechte/1339650526-norbert_denef_im_hungerstreik.htm
SCHARBEUTZ. (hpd) „Ich bin im Hungerstreik, weil die Bundestagsfraktion der SPD nicht dazu bereit ist, sich im Deutschen Bundestag fur die Aufhebung der Verjahrungsfristen von sexualisierter Gewalt einzusetzen, gleichwohl sich die Delegierten des Bundesparteitages der SPD am 6. Dezember 2011 eindeutig dafur ausgesprochen haben.“
Die Nachricht kommt per Mail, und sie stimmt. Es ist Freitag, der 8. Juni 2012, Norbert Denef spricht am Telefon uber die Hintergrunde. Fur die SPD ist dieser Freitag heute, Bruckentag zwischen Fronleichnam und einen Juni-Wochenende, kein glucklicher Tag, um der Presse offizielle Auskunfte zu erteilen. Zu viele der SPD-Dienststellen sind gerade nicht in voller Besetzung oder schwer erreichbar.
Die Entscheidung von Norbert Denef, in den Hungerstreik zu treten, geht zuruck auf den Bundesparteitag der SPD im Dezember 2011. Dort werden die Tagesordnungspunkte 38, 39 und 40 zur Debatte um die Verjahrungsfristen bei sexualisierter Gewalt aufgerufen, Norbert Denef, Vorsitzender von „NetzwerkB - Betroffene von sexualisierter Gewalt“, geht ans Mikrofon und spricht.
Er stellt den Antrag, die Verjahrungsfristen fur sexuellen Missbrauch aufzuheben. Starker Beifall im Saal. Denef wahlt als Beispiel den Fall eines Jungen, der vom 10. bis zum 16. Lebensjahr von einem Priester und danach weitere zwei Jahre von einem Kirchenangestellten missbraucht wurde. 35 Jahre lang hat der Mann geschwiegen. Aus Scham und Angst. 1996 hat er den Tater angezeigt. Ein weiteres Jahr hat er gebraucht, den Satz auszusprechen: „Ich wurde sexuell missbraucht.“ 2003 traut er sich, den zweiten Tater zu benennen. Es werden ihm 25.000 Euro Schweigegeld geboten.
Er schreibt an den Papst, ein halbes Jahr spater kommt eine Antwort und darin steht, er wurde fur ihn beten, damit er wieder vergeben konne. Auf seine Anzeige hin antwortet man ihm, so gehe es nicht, alles sei verjahrt.
„Alles verjahrt“, fragt Denef in den Saal hinein. „Ich soll wieder schweigen?“ – Nein, das geht nicht, sagt Denef sich und fordert fur viele Tausende Betroffener, dass die Verjahrungsfristen aufgehoben werden. „Weil die Verjahrungsfristen aus unserer Sicht“, so der Vorsitzende vom Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt, „die Tater schutzen, und nicht die Opfer“.
Dem Europaischen Gerichtshof liegt eine Beschwerde zur Aufhebung der Verjahrungsfrist vor, weil der deutsche Staat vor funf Jahren eine entsprechende Petition abgelehnt hat und Denef darin eine Menschenrechtsverletzung sieht. Es gibt Beifall im Saal, in die Stille hinein. Denef: „Ich fordere Sie auf, uns zu unterstutzen, dass die Verjahrungsfristen aufgehoben werden. Danke schon!“ Erneut Beifall, die SPD-Parteitags-Delegierten erheben sich. Standing Ovations.
Heute am Telefon war von Norbert Denef noch die Spannung zu horen, die sich in ihm in den Tagen auf dem SPD-Parteitag vor diesem Moment aufgebaut hatte.
Eigentlich wollte er jenes Wochenende im Dezember 2011 zu Hause verbringen. Scharbeutz und die Ostsee sind seine Wahlheimat geworden. Er entschied sich jedoch innerhalb von Minuten neu und sprang quasi in den Zug nach Berlin.
Auf dem Parteitag angekommen, sah er sich einem fur ihn ungewohnlichen Chaos gegenuber. „Ich spurte“, so Denef, „hier muss ich reden, aber die Anwesenden zum Zuhoren zu bringen erschien vorerst hoffnungslos.“ Die Chemie stimmte zwischen ihm und den Teilnehmern, die an dem Verjahrungsbeschluss rutteln wollten. Es gelang, Norbert Denef ohne den ublichen Vorlauf auf die Rednerliste zu bringen. Er nennt diesen Vorgang eher sensationell.
Denef selbst hat in diesem Jahr Kontakt mit den Bundestagsfraktionen aufgenommen. Diese bestatigten ihm ein grundsatzliches Verstandnis und sagten Unterstutzung der eigenen Fraktion zu. Es schien Denef so, als wurde nichts gegen die Aufhebung der Verjahrungsfrist bei sexueller Gewalt sprechen. Selbst ein eindeutiger Beschluss der SPD-Bundesdelegiertenkonferenz hatte einen weiten Weg zur Umsetzung. Also steht es in den Sternen.
Es scheint, als sei ein sogenannter „Status quo“ bei der Frage zur Verjahrung eingetreten, obwohl die Ruckuberweisung an die SPD-Bundtagsfraktion wohl erfolgt ist.
Norbert Denef hat in den letzten Jahren festgestellt: Die Suche nach Auswegen, mit guten Absichten oder mit Resolutionen auf die Stra?e zu gehen, das war alles nicht erfolgreich. Und als endlich alle angefangen hatten, miteinander zu jammern, war alles zu spat, und die Dinge drehen sich im Kreis. Norbert Denef hat nun fur sich entschieden.
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