| "Mussen Noch Viel Strenger Sein"
News
April 19, 2012
http://www.news.at/articles/1216/10/325214/christoph-schoenborn-muessen
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Kardinal spricht uber die Causa Stutzenhofen, die Pfarrer-Initiative und den Zolibat
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Erhitzte Situation! So bezeichnet die Erzdiozese Wien die "Causa Stutzenhofen". Die Auseinandersetzungen in der katholischen Kirche Osterreichs werden auch weiter vom Vatikan scharf beobachtet. Am Dienstag verlautete aus informierten Kreisen in Rom, der Kardinal konnte die Bitte erhalten, "die Sache Stutzenhofen dem Heiligen Stuhl naher zu erklaren". Ebenso, wie es mit Helmut Schullers "aufmupfiger Pfarrer-Initiative" weitergehen soll, die offenbar keine Chance auf ein personliches Gesprach mit dem Papst hat. Was im NEWS-Gesprach auch Christoph Kardinal Schonborn durchblicken lasst.
NEWS: Eminenz, nach Ihrer ebenso mutigen wie aufsehenerregenden Entscheidung in der Causa Stutzenhofen/Pfarrgemeinderat - Motto: der Mensch geht im Einzelfall vor dem Regelwerk: Ist dies ein Paradigmenwechsel hin zu einer offeneren, mehr auf heutige Lebenswirklichkeiten abzielenden Kirche Osterreichs?
Schonborn: Wir sind eine Kirche der Sunder und daher seit jeher offen fur alle Menschen, aber wir hei?en nicht jeden Lebensentwurf gut. Das ist eine Frage der Glaubenstreue, und daran hat sich auch nichts geandert. Bei meinem Entschluss, ein Pfarrgemeinderatswahlergebnis nicht zu beeinspruchen, ging es darum: Viele getaufte und glaubige Christen leben in Situationen, die nicht den Geboten Gottes entsprechen. Sie sollen aber in der Kirche leben, in ihr mitarbeiten und so auch ihre Freundschaft mit Christus entwickeln konnen. Wie kann dieses Mitleben konkret aussehen? Da ist die Kirche erst dabei, das auszuloten.
"Vielleicht mussen wir mit uns selber noch viel strenger sein."
NEWS: Was konnen Sie bzw. die Kirche Osterreichs tun, um dem aktuellen Vorwurf einer Doppelmoral in der Kirche ("Der heilige Schein") wirksam zu begegnen? Der Pfarrer von Stutzenhofen sagte wegen des Pfarrgemeinderates: "In Sunde zu leben darf nicht die Norm sein"; anderseits outete ihn selbst nun eine Frau wegen eines Verhaltnisses.
Schonborn: Gegenfrage - worin genau besteht die Doppelmoral? Die Kirche bietet Regeln an fur ein gutes Leben im Einklang mit der Liebe Gottes. Wir wissen, dass weder die Priester noch irgendjemand sonst alle Regeln immer einhalten werden. Sollen wir deshalb die Regeln nicht mehr verkunden? Problematischer ist der offenbar verbreitete Eindruck, wir Priester wurden uber Sunden in den eigenen Reihen eher hinwegschauen als uber die Sunden der Laien. Vielleicht mussen wir tatsachlich mit uns selbst noch viel strenger sein.
NEWS: Seit letztem Sonntag wird - siehe auch die ORF-Sendung "Im Zentrum" - nach dem Outing einer Dame aus Pressbaum heftig uber den Pflichtzolibat diskutiert. Glauben Sie, dass diese Regelung auf der Ebene der Weltkirche vielleicht doch einmal verhandelbar sein wird?
Schonborn: Uber den Zolibat wird seit 2.000 Jahren verhandelt, und trotzdem halt die Kirche an ihm fest. Weil sie ihn als besonderen Schutz und Kraftquelle betrachtet. Und gerade jetzt, wo uns weisgemacht wird, dass der Sex starker ist als der Mensch, wollten wir dieses Zeihen, dass das Ringen um Keuschheit zumutbar und wertvoll ist, nicht aufgeben. So wie wir nicht aufhoren werden, die Ehe hochzuhalten - auch wenn der Ehebruch grassiert.
"Das sehe ich als Zeichen seiner Hirtensorge um die Kirche."
NEWS: Papst Benedikt XVI. hat am Grundonnerstag die Pfarrer-Initiative Osterreichs auf die Weltbuhne gehoben, als er offentlich sagte: "Wir wollen den Autoren glauben, dass sie von Sorgsamkeit fur die Kirche bewogen sind, dass sie uberzeugt sind, die Tragheit der Institutionen mit drastischen Mitteln in Angriff zu nehmen, um neue Wege zu offnen. Ist Ungehorsam allerdings ein Weg?" Wie bewerten Sie diesen bemerkenswerten Hinweis?
Schonborn: Als Zeichen seiner Hirtensorge um die Kirche.
NEWS: Die Pfarrer-Initiative rund um Helmut Schuller will nun das direkte Gesprach mit dem Papst. Sehen Sie dafur eine Chance, oder werden Sie sich personlich im Vatikan dafur verwenden, dass so etwas zustande kommt?
Schonborn: Der Papst hat gezeigt, dass er genau wei?, was hierzulande diskutiert wird. Ich bezweifle, dass ihm ein solches Gesprach viel Neues brachte. Aber umgekehrt tate es uns Osterreichern immer gut, ein wenig Geist von der Weltkirche zu atmen. Die katholische Kirche ist ja weltweit viel vitaler und dynamischer, als es sich aus
der kleinen osterreichischen Sicht darstellt, und daher auch nicht unbedingt sehr hellhorig fur osterreichische Patentrezepte.
NEWS: Italienische Zeitungen schrieben zuletzt, dass Osterreichs Kirche im Vatikan "verschrien" sei, dass da mit der Ortskirche einiges nicht in Ordnung sei. Kann dies Auswirkungen haben auf die bevorstehenden Bischofsernennungen in Graz, in Feldkirch, in Salzburg? Etwa in dem Sinn, dass der Vatikan erneut au?erst "romtreue" Bischofe ernennen wird?
Schonborn: Die Treue zum Papst und zur Kirche und ihrer Lehre ist doch kein Widerspruch dazu, dass jemand ein guter Hirte ist. Im Gegenteil! Daher hoffe ich, dass die zu ernennenden Bischofe beides vereinen. Und hat es in der Kirchengeschichte je eine Ortskirche ohne Probleme gegeben?
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