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Herr, Schmeiß Pr-Berater Vom Himmel: Die Kirche Und Der Sex

By Julian Islinger
Blaue Narzisse
March 27, 2012

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Es ist manchmal schon ein arges Kreuz mit seiner Kirche. Ostern steht vor der Tür und Christen bereiten sich weltweit auf ihr wohl wichtigstes religiöses Fest vor. Doch ausgerechnet in Deutschland dringt ein neuer Kirchenskandal an die Oberfläche. Wie der Spiegel in der aktuellen Ausgabe berichtet, beschäftigt das Bistum Trier sieben pädophil auffällig gewordene Pfarrer. Pikant: Der Bischof in Trier ist Stephan Ackermann, seines Zeichens erst 2010 von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) gewählter Missbrauchsbeauftragter in Deutschland.

Der junge Hirte

Ackermann ist einer der Jüngsten seiner Zunft. In seiner Laufbahn hatte er kein Problem, romkritische Pfarrer zu unterstützen, so zum Beispiel den kondombefürwortenden Priester Stefan Hippler, der in Südafrika tätig ist. Gerade weil er in seiner Position als Sinnbild für eine jugendlichere Kirche steht, hielt man ihn bei der Wahl 2010 für besonders geeignet, als zentraler Ansprechpartner im Bereich Missbrauchsfälle innerhalb der katholischen Kirche aufzuklären und aufzudecken.

Laut Ackermann würde in dieser Hinsicht eine „Null-Toleranz-Linie" durchgesetzt. Des Weiteren bezeichnete er den Missbrauch von schutzbefohlenen Kindern als verabscheuungswürdige Tat. Dies gelte im Besonderen, wenn die Taten von Priestern und Ordensleuten begangen würden.

Der Skandal

Umso erstaunlicher die neusten Recherchen des Spiegels, die Anfang März die Weiterbeschäftigung der sieben Geistlichen mit pädophilem Hintergrund im Bistum aufdeckten. Der Großteil besagter Pfarrer hat auch in diesen Positionen Kontakt zu Kindern.

Nun gilt der das Hamburger Nachrichtenmagazin nicht erst seit Matthias Matusseks Aussagen als antikirchliches Kampfblatt. Wie aus Matusseks Interview mit dem Kölner Domradio bekannt geworden, beschäftigte der Spiegel alleine rund um den Papstbesuch in Deutschland 13 Journalisten, die dem Papst eine Verwicklung in die deutschen Missbrauchsskandale nachweisen sollten. Doch kann dieser Umstand nicht zu dem Resümee führen, in den Redaktionsstuben des Magazins würde antiklerikale Propaganda erfunden! Das Bistum Trier hat den Bericht bereits bestätigt und dazu Stellung genommen.

Realitätsverlust oder nüchterne Betrachtung

Auf deren Homepage steht, dass der Einsatz besagter Geistlicher nicht gegen die von der DBK festgelegten Richtlinien im Umgang mit auffällig gewordenen Priestern verstoße. Diese seien vor zwei Jahren unter breiter Beteiligung von Experten mit psychiatrisch-psychotherapeutischem und juristischem Sachverstand sowie im Gespräch mit Vertretern von Opferschutzverbänden und im Kontakt mit Mitgliedern des Runden Tisches der Bundesregierung erarbeitet und am 31. August 2010 der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Ein pädophil auffällig gewordener Geistlicher kann nach einem psychiatrischen Gutachten weiterhin als Priester tätig sein, unter Einhaltung bestimmter Auflagen auch im Kontakt mit Kindern. Ob ein solcher Geistlicher auch weiterhin die Eucharistie feiern und empfangen darf, wird aus der Stellungnahme nicht ersichtlich, ist aber anzunehmen. Auf alle Fälle möchte Bischof Ackermann kein kirchliches Guantanamo für pädophile Pfarrer errichten: „Die Täter einfach wegsperren? So einfach dürfen wir es uns nicht machen!"

Herrgottsakrament! möchte man bei einem solchem Text nur noch fluchen. Welche Kirchgänger mit Kindern wird das denn beruhigen? Wenn es eine sexuell motivierte Tat gibt, die in der öffentlichen Wahrnehmung noch niedriger angesiedelt ist als eine Vergewaltigung per se, dann ist es der Missbrauch an Kindern. Nüchtern betrachtet mögen die Richtlinien der DBK stimmig sein. Pädophilie ist nach Meinung von Klaus Beier, seines Zeichens Sexualforscher an der Berliner Charité, eine in der Öffentlichkeit wenig tolerierte Krankheit. Pädophile Männer versuchen oft auf ihre Weise damit umzugehen, beispielsweise eben mit der Flucht in die Kirche, wo sie versuchen, ihre Neigung mit der Kraft des Evangeliums zu bekämpfen. Außerdem verspricht ein geistliches Amt ein zumeist hohes gesellschaftliches Ansehen ohne lästige Fragen nach dem ledigen Lebenstand.

Die Kirche war zu sehr mit dem Schutz der Täter beschäftigt

Problematisch ist, dass die Kirche bisher vielleicht zu sehr um den Schutz der Täter und somit um das Image der eigenen Institution bemüht war. Der Schuss ist gehörig nach hinten losgegangen, das Restvertrauen erschöpft. Da Homosexualität als eine Krankheit oder zumindest als nicht natürlich angesehen wird, gilt dasselbe für die Pädophilie. Ein Tabu, das meist innerkirchlich totgeschwiegen wird.

In der Kirche gibt es keine Stelle, an die sich pädophile Priester vertrauensvoll mit ihrer Krankheit wenden können. Diese Spirale aus Verschweigen und Selbstbelügen führt meist direkt in die Katastrophe. Auch die sonstige Sexualmoral der katholischen Kirche, die Verdammung des Eros, steht einer zwanglosen Auseinandersetzung mit dem Missbrauch in den eigenen Reihen gegenüber. Um Missverständnisse vorzubeugen: Das Zölibat ist für Männer Gottes durchaus richtig und erhaltenswert. Auch das Mahnen der Kirche in einer übersexualisierten und hedonistischen Zeit ist berechtigt. Doch sorgt der verkrampfte Umgang mit dem Eros zu keiner wirklichen Auseinandersetzung mit sexuellen Themen.

Dabei gibt es auch im Christentum genügend Anknüpfungspunkte für ein Sexualmoral-Update, angefangen mit dem Hohen Lied der Liebe im Alten Testament, das eine erotische, voreheliche Liebesbeziehung beschreibt. Auch Jesus kritisierte in seinen Predigten das patriarchalische Geschlechterverhältnis in der Ehe und noch das antike Christentum distanzierte sich von der leibfeindlichen gnostischen Ideologie, welche alles Materielle mit dem Bösen verband. Auch ohne verdrehte Exegese ist der Zusammenhang zwischen Nächstenliebe und Gottesliebe in den normativen Texten des Christentums überdeutlich. Im Johannesbrief steht: „Wer sagt, dass er Gott liebt, und seinen Nächsten nicht liebt, der liebt Gott nicht." Demnach gibt es kein striktes Entweder/Oder, Gottesliebe kann problemlos in der partnerschaftlichen Liebe erfahren werden.

PR-Berater gesucht

Der Umgang der Kirche mit den Vorwürfen ist mehr als dilettantisch und mutet nicht nur für Atheisten realitätsfremd an. Natürlich, „mein Reich ist nicht von dieser Welt", aber das gilt leider nicht für die Kirche und das Bodenpersonal. Denn das ist leider sehr wohl von dieser Welt und allen Fehlbarkeiten des Menschseins unterworfen. „Hasse die Sünde und liebe den Sünder" heißt es in der Bibel an anderer Stelle. Ein wirklich toller und idealistischer Satz, den viele wohl in Anbetracht der Widerwärtigkeit von Kindesmissbrauch nicht nachvollziehen können.

Hier ist der Kirche nur zu raten: Ja, liebt auch den Sünder. Meinetwegen auch den pädophilen Priester. Aber bietet ihm auch Plattformen. Gebt ihm die Chance, sich therapeutisch mit seiner Krankheit auseinanderzusetzen. Ein einfaches Wegparken von auffällig gewordenen Geistlichen an andere Orte oder in andere Einrichtungen ist falsch verstandene Nächstenliebe und hilft weder den Opfern, noch den Tätern. Von der Kirche und ihrem Image ganz zu schweigen. Vielleicht würde eine PR-Agentur hier für wahre Wunder sorgen, denn augenscheinlich kriegt die Kirche in dieser Angelegenheit keinen Fuß auf den Boden.

Jüngst wurde in Bonn einer katholischen Kindergartenleiterin gekündigt, weil sie geschieden ist und mit einem neuen Partner zusammenlebt. Man reagierte prompt und kündigte daraufhin die kirchliche Trägerschaft für den Kindergarten. So schnell kann es gehen. Mit dieser Haudrauf-Mentalität wird es den Hirten auch in Zukunft schwerfallen, den Schafen zu erklären, warum solche Banalitäten wie in Bonn zu einem Rauswurf führen, pädophile Priester aber weiterhin im Dienst der Kirche wirken dürfen. Wenn hier kein Umdenken oder ein sensiblerer Umgang stattfindet, dann braucht sich die Kirche über den Mitgliederschwund und die leeren Gotteshäuser nicht wundern.




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