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Missbrauch in Der Katholischen Kirche: Ein Gastbeitrag Vom Psychotherapeuten Leo Prothmann

Salzburger Fenster
March 6, 2012

http://www.salzburger-fenster.at/redaktionell/4600-missbrauch-in-der-katholischen-kirche-.html

Die Klasnic-Kommission (Waltraud Klasnic in der Bildmitte) wurde als unabhangige Opferschutzanwaltschaft bestellt. Aber nicht alle sind mit der Arbeit der Kommission zufrieden. Foto: kathpress/Rupprecht

Als Psychotherapeut betreue ich einige der missbrauchten Menschen und wei?, wie sie sich fuhlen, wenn sie – vergebens – gehort werden wollen. Konnte man die Opfer fruher hinrichten, verbrennen, verbannen oder exkommunizieren – letzteres geht noch immer! – so bewahrt sich heute die Strategie des Vertuschens, Totschweigens, Vertrostens, des nicht Hinsehens und nicht Hinhorens.

Obwohl sich der kirchliche „Schatten“ nun nicht mehr verheimlichen lasst, schamt sich der Kardinalstaatssekretar im Vatikan, Tarcisio Bertone, nicht, die Leiden der Opfer sexueller Gewalt als „Geschwatz“ abzutun. Er hat fur diese Rhetorik kirchlicher „Diplomatie“ auch keine Konsequenzen zu befurchten. Mehrere Opfer, die sich an die Klasnic-Kommission wandten, sind heute siebzig bis achtzig Jahre alt. Einer meiner Klienten, ein Mann von 73 Jahren, wurde als Ministrant mehrere Jahre lang von einem Priester sexuell missbraucht, der in Salzburg als Ordinariatssekretar tatig war. Mein Klient hat mich von der Schweigepflicht entbunden und gebeten, den Umgang mit seinem Ansuchen um Erstattung der Therapiekosten offentlich zu machen.

Das Opfer wurde in Misskredit gebracht

Die Vorgeschichte: Als Funfzehnjahriger fasste Herr X. endlich den Mut, seine Not und Scham einem Kapuzinerpater anzuvertrauen, der sogleich einen Vorsprachetermin bei dem damals amtierenden Erzbischof Rohracher erwirkte und ihn dazu mitnahm. Dort offenbarte der Ministrant den beiden Priestern sein ganzes Leid.

Das einzige Ergebnis des Gesprachs bestand darin, dass der Tater daruber informiert wurde, den Jungen in Misskredit brachte und nachhaltig unter Druck setzte, alles zu widerrufen. Herr X. bleib standhaft, aber er hatte zu schweigen gelernt – auch seiner Familie gegenuber.

Danach lange Zeit geschwiegen

Erst vor einem Jahr fand er den Mut zu reden und sich auch an die Klasnic-Kommission zu wenden. Seither erlebt er eine Hinhalte-Taktik, wie sie beschamender nicht sein konnte.

Hinhalte-Taktik der Klasnic-Kommission

Statt ihm Therapiekosten zu genehmigen, bzw. die bereits entstandenen zu refundieren oder ihm auch nur ein Gesprach anzubieten, wurde seitens der Kommission bei der kirchlichen Behorde in Salzburg angefragt. Ob denn der genannte Ordinariatssekretar „zum angegebenen Zeitpunkt am genannten Ort sein konnte“.

Nach Wochen und Monaten teilte Erzbischof Alois Kothgasser der Kommission umstandlich mit, der Beschuldigte sei 1961 in den Ruhestand versetzt worden. Er lebe seither hauptsachlich in Deutschland. Niemand konne sich an ihn erinnern. In seinen Personalakten gabe es (naturlich!) keine Hinweise zu derartigen Vorfallen. – Es gibt noch etliche Priester in Salzburg, die sich an jenen Sekretar erinnern. Aber offenbar ist der Bischof uberfordert, sie zu fragen.

Und die „unabhangige Kommission“ schweigt.

Erzbischof agiert desinteresssiert

Was soll man dazu sagen? Der amtierende Erzbischof agiert wie seine Vorganger: burokratisch, desinteressiert, in der Tradition des Systems – wie eh und je.

Warum konnen Priester, die tagaus, tagein das Evangelium predigen, nicht auch so handeln, wie jener Mann aus Nazareth? Der pflegte sich zu fragen, was mit (kranken) Menschen passiert, wenn ich mich nicht einmische.

Kirchliche „Wurdentrager“ fragen stattdessen: Was passiert mir, falls ich mich einmische? Welcher Makel konnte an mir oder der „heiligen Institution“ hangen bleiben?

Man stellt sich taub und gibt sich uberlastet

In meiner Praxis erlebe ich, dass die bedauernd klingenden Worte mancher Bischofe und Kardinale in krassem Widerspruch zum Umgang mit konkreten Opfern stehen und dass die „unabhangige Klasnic-Kommission“ wohl mehr dem Schweigen der Hirten, als dem Leiden der Lammer dient. Herr X. wartet bis heute auf eine entsprechende Reaktion: Auf ein verstandnisvolles Gesprach, auf die Erstattung seiner Therapie. Ebenso ergeht es vielen anderen missbrauchten Menschen, die Achtung und Hilfe fur ihr Leid suchen.

In vielen Fallen wird die Entschadigung weder abgelehnt, noch wird ihr zugestimmt. Man stellt sich einfach taub oder tut „uberlastet“.

Es scheint, als warte man darauf, dass Gras uber die Verbrechen der geweihten Mitarbeiter wachst und dass die alteren Opfer so freundlich sind, „rechtzeitig“ zu sterben.

 

 

 

 

 




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