| Nach Missbrauch Setzt Kloster Mehrerau Auf Verjahrung
Der Standard
February 21, 2012
http://derstandard.at/1329703261467/Ex-Schueler-klagt-Nach-Missbrauch-setzt-Kloster-Mehrerau-auf-Verjaehrung
|
Abt Anselm (li.) und Altabt Kassian
|
Schadenersatzklage wird bestritten
Bregenz - Das Kloster Mehrerau reagiert auf die Schadenersatzklage eines ehemaligen Schulers mit Verjahrungseinwand. Der heute 57-Jahrige war in den 1960er-Jahren von einem Geistlichen mehrfach vergewaltigt worden. Die Klage auf Schmerzensgeld und Verdienstentgang ist die erste zivilrechtliche Klage eines Missbrauchsopfers, strafrechtliche Verfahren gegen den von mehreren Mannern beschuldigten Geistlichen waren wegen Verjahrung eingestellt worden.
Sanyai Doshi, der Anwalt des Klagers, sah das Kloster in der moralischen Pflicht, keinen Verjahrungseinwand zu erheben und damit das Verfahren zu ermoglichen. Abt Anselm van der Linde verweist das Opfer in einer Aussendung jedoch, wie bereits vor der Klage, an die Klasnic-Kommission. Das Kloster sei nicht bereit, die Haftung fur vorsatzliche Taten eines Ordensmitglieds zu ubernehmen. In die Opferschutzkommission flossen bisher, so Pressesprecher Harald Schiffl, rund 200.000 Euro aus der Mehrerau.
Abt wei? von nichts
Die Entscheidung des Klosters war zu erwarten, "ist deshalb aber nicht weniger traurig", sagt der ehemalige Mehrerauer Philipp Schwarzler. Der Psychologe arbeitet seit zwei Jahren fur die unabhangige "Hotline fur Betroffene kirchlicher Gewalt". Der Fall des Mehrerauer Paters B., "der wohl best dokumentierte kirchliche Missbrauchsfall", sei uber Jahrzehnte vertuscht worden.
B., der "eine Spur der Verwustung durch Kinderseelen gezogen hat" (Schwarzler) war bereits 1967 einschlagig verurteilt worden, dennoch blieb er Lehrer und Erzieher. 1982, nach Bekanntwerden eines weiteren sexuellen Ubergriffs, wurde er versetzt. B. arbeitete dann in Tirol als Pfarrer - auch mit Kindern. Schwarzler: "Er wurde, wie andere Tater, nie laisiert, die Klosterleitung hat nie Konsequenzen gezogen." Der Pater, "der vielleicht 20, 30 oder mehr Kinder missbraucht hat" sa? bei der Weihe des neuen Abts "im feierlichen Gewand zwei Meter neben dem neuen Chef", kritisiert Schwarzler die Doppelmoral.
Der Abt habe von nichts gewusst, sagt Pressesprecher Harald Schiffl. " Unglaubwurdig", sagt Schwarzler. Das wurde bedeuten, dass Altabt Kassian Lauterer seinen Nachfolger nicht uber die Missbrauchsfalle informiert hatte. (Jutta Berger/DER STANDARD-Printausgabe, 22.2.2012)
|