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Pfarrer Hat Drei Jungen 280-mal Missbraucht

By Wiebke Ramm
Hannoveriche Allgemeine
January 14, 2012

http://www.haz.de/Nachrichten/Panorama/Uebersicht/Pfarrer-hat-drei-Jungen-280-mal-missbraucht

Der Pfarrer Andreas L., der drei Jungen 280-mal missbraucht hat, steht seit Donnerstag vor Gericht – und zeigt kein Schuldgefuhl.

„Es ist die Nahe gewesen, es war nicht die Absicht, sich den Kindern sexuell zu nahern“ – der Angeklagte Andreas L. beim Prozessauftakt im Landgericht in Braunschweig.

Braunschweig. Dass er Schuld auf sich geladen hat, ist an seiner Korperhaltung nicht abzulesen. Ob er seine Schuld begreift, lasst sich nach dem ersten Verhandlungstag in diesem Prozess schwer sagen.

Der katholische Pfarrer ist angeklagt, drei Jungen uber Jahre sexuell missbraucht zu haben. 280 Falle hat die Staatsanwaltin in der Anklageschrift vermerkt. In 223 Fallen soll es sich dabei um schweren Missbrauch gehandelt haben. Das hei?t, er hat die Kinder nicht nur gestreichelt. Seit Donnerstag muss er sich vor dem Landgericht Braunschweig verantworten. Der 46-Jahrige hat alle Taten gestanden.

Die Kinder kannte er aus seinem Kommunionsvorbereitungskursen in Salzgitter und Braunschweig. Im Jahr 2002 hat er sich wahrend seiner Zeit als Kaplan in Braunschweig mit einer alleinerziehenden Mutter und ihrem Sohn angefreundet. Im Dezember ist er als Pfarrer nach Salzgitter gewechselt. Vom Fruhjahr 2004 an hat der damals Neunjahrige an den Wochenenden schlie?lich haufig bei L. ubernachtet. Die Mutter habe dem Geistlichen absolut vertraut, bestatigt L. Dass der Pfarrer mit dem Kind in einem Bett schlief, wusste sie nicht. Dass der Geistliche ihr Kind missbrauchte, erfuhr sie erst im Juni 2011. Sogar Reisen hat der Mann mit ihrem Jungen unternommen. Einmal waren sie in Disneyland in Paris, ein anderes Mal zum Skifahren in Osterreich. Bei diesen Gelegenheiten und an den Wochenenden im Pfarrhaus verging sich der Pfarrer insgesamt Hunderte Male an dem Kind. Bis zum Jahr 2006 ging das so.

„Konnen Sie mal etwas zu Ihrer Veranlagung sagen?“, bittet der Vorsitzende Richter Manfred Teiwes den Pfarrer am Donnerstag. Andreas L. uberlegt einen Moment, sagt schlie?lich: „Das war gar nicht meine Absicht.“ Es seien „schone, unbeschwerte, lustige, entspannende, frohliche Stunden“ gewesen, „die wir miteinander verbracht haben“. Er stockt, uberlegt, wendet sich an seinen Verteidiger, fragt ihn, was noch die Frage des Richters gewesen sei. „Veranlagung“, sagt der Anwalt. „Es ist die Nahe gewesen, es war nicht die Absicht, sich den Kindern sexuell zu nahern“, sagt L. Wie es denn trotzdem dazu kommen konnte, hakt der Vorsitzende Richter nach. „Mir sind die Sicherungen rausgeflogen“, sagt der Pfarrer. Es ist eine der seltenen Formulierungen, in der L. am Donnerstag vor Gericht uberhaupt von sich selbst spricht. Ansonsten sagt er Satze wie: „Es ist nichts gemacht worden, was der Junge nicht wollte.“ Oder: Das Kind „hat den Kontakt zu mir gesucht“.

Staatsanwaltin Ute Lindemann droht die Fassung zu verlieren: „Wie kommen Sie darauf, dass ein neunjahriger Junge will, dass man ihm am Penis rumfummelt?“ Andreas L. erwidert mit dieser Ruhe, die beinahe uberheblich wirkt: „Das Ganze ist aus Nahe entstanden.“ Lindemann versucht es noch einmal. „Wie konnen Sie glauben, dass ein Kind sexuell befriedigt werden mochte. Warum spielt es nicht einfach Fu?ball.“ Wieder bleibt L. ganz ruhig: „Ich wei? nicht, warum es nicht Fu?ball spielt.“

Ob er sagen wurde, dass er padophil sei, fragt die Staatsanwaltin. Es sei nicht seine Praferenz, erwidert L. Der Richter hatte zuvor festgestellt, dass L. in seiner Vernehmung angegeben hatte, sich zu Mannern hingezogen zu fuhlen. Der psychiatrische Gutachter wird spater jedoch feststellen, dass der katholische Priester zwar immer mal Sex mit Mannern hatte, sexuelle Kontakte uber einen langeren Zeitraum mit derselben Person jedoch nur zu Kindern pflegte.

Die Ubergriffe auf den Jungen endeten, als die Mutter 2006 beim Bistum Hildesheim ein Kontaktverbot erwirkte, weil ihr das distanzlose Verhalten des Pfarrers auffiel, und die teuren Geschenke: ein Fahrrad, ein Handy, ein Computer. 2010 erfuhr die Frau, dass der Geistliche mit ihrem Kind auch in einem Bett ubernachtet hatte. Wieder wandte sie sich ans Bistum, das den Vorgang der Staatsanwaltschaft Hildesheim meldete. Fur ein Ermittlungsverfahren reichte das damals nicht. 2011 fand der Junge schlie?lich den Mut, seiner Mutter von dem sexuellen Missbrauch zu erzahlen. Sie zeigte daraufhin Pfarrer L. bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig an. Funf Wochen spater ist L. in seinem Pfarrhaus in Salzgitter festgenommen worden.

Andreas L. gestand, dass er nicht nur ihr Kind missbraucht hat, sondern sich 2006, wahrend des Kontaktverbots zu ihrem Jungen, einer anderen Familie mit zwei Sohnen zuwandte. Auch diese damals neun und zwolf Jahre alten Jungen nahm er mit auf Urlaubsreisen ins In- und Ausland. Dort und in seiner Wohnung soll er sie ab 2007 sexuell missbraucht haben.

Eine Frage hat die Staatsanwaltin noch: „Wie vertragt sich das alles eigentlich mit ihrem Selbstverstandnis als Pfarrer und mit dem Zolibat?“ „Gar nicht“, sagt L.

Das Bistum hat ein kirchenrechtliches Verfahren eingeleitet. Die Glaubenskongregation in Rom wird nach dem strafrechtlichen Prozess entscheiden, wie sie den Pfarrer bestrafen wird.

Der Prozess in Braunschweig wird am 17. Januar fortgesetzt. Das Urteil wird fur den dritten Verhandlungstag, am 19. Januar, erwartet. Ihn erwarten maximal sechseinhalb Jahre Gefangnis. Das ist der Deal, den das Gericht am Donnerstag mit der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft geschlossen hat, wenn Andreas L. umfassend und glaubhaft aussagt.

 

 

 

 

 




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