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  "Ich Will Ja Gar Nicht Prufen“

The Profil
June 30, 2011

http://www.profil.at/articles/1126/560/300666/klasnic-ich

Waltraud Klasnic, Chefin der Opferschutzkommission fur sexuellen Missbrauch in der Kirche, uber ihre Zwischenbilanz, ihre Unabhangigkeit und Christoph Schonborn.

Interview: Emil Bobi

profil: Frau Klasnic, seit einem Jahr sind Sie mit Hunderten Missbrauchsopfern der Kirche konfrontiert. Hat sich seither Ihr Bild von der katholischen Kirche geandert?

Klasnic: Nicht das Bild von der Kirche. Es hat sich mein Bild von Menschen geandert, weil ich in diesem Ausma? nicht gewusst habe, was alles moglich ist. Aber wenn ich die Gesamtbilanz von Menschen nehme, die unter Missbrauch und Gewalt gelitten haben, dann ist die Kirche ein kleiner Prozentsatz. 80 Prozent passieren in der Familie.

profil: Wussten Sie davor, was in der Kirche alles passiert?

Klasnic: Ich glaube, das Wissen ist es nicht. Wenn ich mit Opfern rede, sehe ich, dass jeder fur sich geglaubt hat, dass er allein war, weil es nur ihm oder ihr geschehen ist. Die haben sich untereinander nicht ausgetauscht, haben sich nicht getraut, es zu Hause zu erzahlen. Erst als die Ersten sich meldeten, schlossen andere sich an, weil ihnen bewusst wurde, dass sie kein Einzelfall und damit auch nicht schuld sind. Wenn ich das alles gewusst hatte, mussten Sie mich fragen: "Warum haben Sie nichts getan?“

profil: Haben Sie das Gefuhl, geholfen zu haben?

Klasnic: Wir sind ja noch mitten drinnen. Ich habe das Gefuhl, dass es wichtig und richtig ist. Man muss sich vorstellen, da spaziert jemand herein, der mich nie im Leben gesehen hat, spricht uber ganz personliche Lebenssituationen, uber die er vielleicht noch nie gesprochen hat. Viele haben gro?es Vertrauen zu mir und haben mir die Kraft gegeben, das gut weiter zu tragen. Wir sind eine ehrenamtliche Gruppe, und ich habe in der Kommission kein Stimmrecht …

profil: Kein Stimmrecht? Was wollen Sie damit suggerieren?

Klasnic: Zu Beginn, als der Kardinal (Christoph Schonborn, Anm.) mich fragte, ob ich es mache, hie? es, ich sei von der Kirche eingesetzt, ich sei zu katholisch und sehr kirchennahe.

profil: Sie sind doch von der Kirche eingesetzt.

Klasnic: Ich bin weder von der Kirche eingesetzt noch sonst was.

profil: Gegen das Pradikat "kirchennahe“ konnen Sie doch nichts haben.

Klasnic: Aber wenn Sie nachlesen, was im April des Vorjahres veroffentlicht wurde, da hat das Grundvertrauen gefehlt. Es gibt Einzelne, auch Gruppen, die sagen: "Geht dort nicht hin.“

profil: Wie unabhangig ist die Kommission wirklich?

Klasnic: Der Herr Kardinal hat mich angerufen und gefragt, ob ich Opferschutzanwaltin sein konnte. Ich sagte, ich mache das, wenn ich keine Weisung bekomme und frei arbeiten kann. Ich war ja bis kurz davor Vorsitzende des Kuratoriums des Zukunftsfonds, und von daher wusste ich, wie man so was aufziehen konnte. Der Kardinal hat nichts davon gewusst, dass ich eine Kommission machen wurde.

profil: Und Sie sagen, Sie sind nicht eingesetzt worden?

Klasnic: Ich bin gefragt worden, aber nicht eingesetzt. Mich kann man nicht mehr einsetzen in meinem Alter. Wenn ich glaube, helfen zu konnen, bin ich zu haben.

profil: Was hat sich der Kardinal denn vorgestellt?

Klasnic: Nichts. Er hat mich ersucht, die Opferschutzanwaltin zu sein. Sonst nichts.

profil: Sie haben ihn auch nicht gefragt, wie er sich das vorstellt?

Klasnic: Nein. So weit sind wir nicht gekommen. Entschuldigen Sie, man traut mir noch etwas zu in Osterreich. Er hat mir einfach etwas zugetraut. Ohne Vorgaben.

profil: Schonborn hatte keine Ahnung, wie das ausschauen wurde?

Klasnic: Nein.

profil: Aber uber sein Geld durfen Sie verfugen?

Klasnic: Die Vertreter der Kirche waren bereit, unsere Beschlusse umzusetzen. Sie sagten nur, die Mittel durfen nicht aus der Kirchensteuer kommen, sondern uber Immobilienverkaufe und anderes.

profil: Wie ist Schonborn mit dem Verlauf zufrieden?

Klasnic: Wenn Sie glauben, dass wir da jetzt standig daruber reden …

profil: Wie oft treffen Sie den Kardinal?

Klasnic: Ich hab ihn einmal im Janner getroffen, weil ich ihm etwas Grundsatzliches sagen wollte, und ich hab in der Karwoche einmal mit ihm telefoniert.

profil: Meiden Sie ihn?

Klasnic: Nein, nein. Entschuldigung. Ich will nur meinen Auftrag erfullen und nicht standig fragen, was ich machen soll. Ich wurde bei ihm einen Termin bekommen, aber ich habe Arbeit genug.

profil: Was ist denn das Ziel der Kommission?

Klasnic: Sie kann fur Menschen eine Erleichterung bringen, die ihr ganzes Leben gelitten haben. Man kann Wurde geben, indem man zuhort und ernst nimmt. Und wir wollen am Ende mithelfen, dass alles getan wird, dass so etwas in der Zukunft nicht mehr vorkommt und dass man sagen kann, es war ein dunkles Kapitel, das man aufzuarbeiten versucht hat, und dass man den betroffenen Menschen entgegengeht und sie begleitet.

profil: Sie konnen die Falle nicht prufen. Die meisten liegen Jahrzehnte zuruck und sind nicht mehr nachweisbar …

Klasnic: Ich will ja gar nicht prufen. Im Zweifel fur das Opfer.

profil: Angeblich gibt es Falle, in denen Entschadigung zuerkannt wurde, obwohl nachweisbar ist, dass da nichts stattgefunden hat.

Klasnic: Es ist besser, man hat einem zu viel geholfen als einem zu wenig.

profil: Ist das nicht ungerecht gegenuber dem echten Opfer?

Klasnic: Noch einmal: Es ist mir lieber, einem zu Unrecht geholfen zu haben, als einem nicht zu helfen, der es verdient hatte. Restlos werden wir das nie klaren.

profil: Mit den Tatern reden Sie nie?

Klasnic: Mit den Tatern rede ich eigentlich nicht.

profil: In der Vorwoche hat die Staatsanwaltschaft Wien Ihre 28 Anzeigen alle eingestellt.

Klasnic: Wir haben Sachverhaltsdarstellungen ubermittelt. Wir machen grundsatzlich das, was das Opfer wunscht. Es war irgendwo zu erwarten, dass eingestellt wird, weil alles so lange her ist.

profil: Viele der eingebrachten Anzeigen betreffen Beschuldigte, die langst verstorben sind. Wussten Sie das nicht?

Klasnic: Doch. Wenn das Opfer sagt, ich mochte, dass es angezeigt wird, dann tun wir es. Teilweise wusste man auch nicht, ob die Beschuldigten leben oder nicht.

profil: Es gibt Vorwurfe, die Kommission habe vorzuglich Falle angezeigt, die ohnehin eingestellt werden mussten - um zu signalisieren, dass Sie etwas unternehmen, aber an den Fallen nichts dran ist.

Klasnic: Wir haben jedes Opfer gefragt: "Wollen Sie Therapiestunden, Entschadigung, Entschuldigung, Meldung an die Staatsanwaltschaft?“ Bei Wunsch ist es ausnahmslos geschehen.

profil: Soll es eine staatliche Kommission geben, die die kirchlichen Falle untersucht?

Klasnic: Das ist eine Entscheidung, die der Staat treffen muss, aber die Kirche hat darauf gar nicht gewartet. Da hatten wir jetzt noch nichts. Die Kirche ist zwei Schritte vorgegangen.

profil: Es gibt Vorwurfe, bei den bis zu zehn Stunden dauernden Psychologengesprachen der Kommission gehe es darum, den Opfern die Wut zu nehmen, um der Kirche allzu hohe Forderungen zu ersparen.

Klasnic: Ein Clearing ist was anderes als eine Therapie. Ein Clearing ist eine klare Fragestellung, und das ist Aufgabe der Psychologen. Da gibt es von uns keine Weisungen, und sie wurden sich das auch nicht bieten lassen, weil sie auch eine berufliche Verantwortung haben.

 
 

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